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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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sodaß der Riegel nicht passiren kann, und bei der nächsten An-
wendung des wahren Schlüssels, wird man also bald sehen, daß
der Versuch einer widerrechtlichen Oeffnung des Schlosses gemacht
wurde, da man mit dem richtigen Schlüssel das Schloß nicht mit
dem gewöhnlichen Verfahren auf einmal öffnen kann. Dreht man
jedoch den Schlüssel in umgekehrter Weise, so wird der Sperrer
wieder in seine vorige gewöhnliche Lage kommen, dem Riegel er-
lauben sich vorwärts zu bewegen und die Studel B in die Kerbe I
zu fassen. Der abgeschrägte Theil des Riegels A wird sodann
die Anzeigefeder F aufheben, und dem Bodensperrer C erlauben,
in seinen alten Platz zu fallen. Das Schloß ist nun zu seiner
gewöhnlichen Stellung zurückgebracht und kann wie sonst geschlossen
und geöffnet werden. Es ist ersichtlich, daß, wenn das Schloß
angezeigt hat, es sei falsch berührt, nur der wahre Schlüssel das-
selbe wieder in den gewöhnlichen Zustand bringen kann.

"Bei Schlüsseln, nach dieser Art construirt, können ungemein
viele Wechsel der Formen angewandt werden. Der klein gezeich-
nete Schlüssel L, welcher aus sechs Stufen und Einschnitten be-
steht, ist 720 Abänderungen fähig, während, da bei den größern
Schlüsseln diese Zacken 30 mal und die Riegeleinschnitte 20 mal
verändert werden können, sich die Summe von 7,776,000 mög-
licher Abänderungen ergibt."

Das Chubbschloß ist 1846 und noch später vom Erfinder
verbessert worden, wie aus der von König gemachten Beschreibung,
S. 80 und 81, und aus Tafel 40 des dazu gehörigen Atlas er-
hellt. Die Verbesserung besteht zunächst in einem, aus vier ver-
schiedenen Schlössern zusammengesetzten Schloß, das durch einen
mit vier verschiedenen Bärten versehenen Schlüssel geschlossen wird,
und ferner in der Anbringung einer Metallblende, welche im
Jnnern hervortritt, und Schlüsselblech und Werk deckt, sobald ein
falscher Schlüssel eingebracht wird. Das von Bramah erfundene
Schloß ist der Kleinheit wegen besonders zu Schreibtischen, Käst-
chen, Portefeuilles, Vorhängeschlössern u. s. w. geeignet, und hat
eine ganz eigenthümliche Riegelbewegung und Zuhaltung, auf
welcher letztern die großen Vorzüge des ganzen Schlosses wesent-

ſodaß der Riegel nicht paſſiren kann, und bei der nächſten An-
wendung des wahren Schlüſſels, wird man alſo bald ſehen, daß
der Verſuch einer widerrechtlichen Oeffnung des Schloſſes gemacht
wurde, da man mit dem richtigen Schlüſſel das Schloß nicht mit
dem gewöhnlichen Verfahren auf einmal öffnen kann. Dreht man
jedoch den Schlüſſel in umgekehrter Weiſe, ſo wird der Sperrer
wieder in ſeine vorige gewöhnliche Lage kommen, dem Riegel er-
lauben ſich vorwärts zu bewegen und die Studel B in die Kerbe I
zu faſſen. Der abgeſchrägte Theil des Riegels A wird ſodann
die Anzeigefeder F aufheben, und dem Bodenſperrer C erlauben,
in ſeinen alten Platz zu fallen. Das Schloß iſt nun zu ſeiner
gewöhnlichen Stellung zurückgebracht und kann wie ſonſt geſchloſſen
und geöffnet werden. Es iſt erſichtlich, daß, wenn das Schloß
angezeigt hat, es ſei falſch berührt, nur der wahre Schlüſſel daſ-
ſelbe wieder in den gewöhnlichen Zuſtand bringen kann.

„Bei Schlüſſeln, nach dieſer Art conſtruirt, können ungemein
viele Wechſel der Formen angewandt werden. Der klein gezeich-
nete Schlüſſel L, welcher aus ſechs Stufen und Einſchnitten be-
ſteht, iſt 720 Abänderungen fähig, während, da bei den größern
Schlüſſeln dieſe Zacken 30 mal und die Riegeleinſchnitte 20 mal
verändert werden können, ſich die Summe von 7,776,000 mög-
licher Abänderungen ergibt.“

Das Chubbſchloß iſt 1846 und noch ſpäter vom Erfinder
verbeſſert worden, wie aus der von König gemachten Beſchreibung,
S. 80 und 81, und aus Tafel 40 des dazu gehörigen Atlas er-
hellt. Die Verbeſſerung beſteht zunächſt in einem, aus vier ver-
ſchiedenen Schlöſſern zuſammengeſetzten Schloß, das durch einen
mit vier verſchiedenen Bärten verſehenen Schlüſſel geſchloſſen wird,
und ferner in der Anbringung einer Metallblende, welche im
Jnnern hervortritt, und Schlüſſelblech und Werk deckt, ſobald ein
falſcher Schlüſſel eingebracht wird. Das von Bramah erfundene
Schloß iſt der Kleinheit wegen beſonders zu Schreibtiſchen, Käſt-
chen, Portefeuilles, Vorhängeſchlöſſern u. ſ. w. geeignet, und hat
eine ganz eigenthümliche Riegelbewegung und Zuhaltung, auf
welcher letztern die großen Vorzüge des ganzen Schloſſes weſent-

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[178/0190] ſodaß der Riegel nicht paſſiren kann, und bei der nächſten An- wendung des wahren Schlüſſels, wird man alſo bald ſehen, daß der Verſuch einer widerrechtlichen Oeffnung des Schloſſes gemacht wurde, da man mit dem richtigen Schlüſſel das Schloß nicht mit dem gewöhnlichen Verfahren auf einmal öffnen kann. Dreht man jedoch den Schlüſſel in umgekehrter Weiſe, ſo wird der Sperrer wieder in ſeine vorige gewöhnliche Lage kommen, dem Riegel er- lauben ſich vorwärts zu bewegen und die Studel B in die Kerbe I zu faſſen. Der abgeſchrägte Theil des Riegels A wird ſodann die Anzeigefeder F aufheben, und dem Bodenſperrer C erlauben, in ſeinen alten Platz zu fallen. Das Schloß iſt nun zu ſeiner gewöhnlichen Stellung zurückgebracht und kann wie ſonſt geſchloſſen und geöffnet werden. Es iſt erſichtlich, daß, wenn das Schloß angezeigt hat, es ſei falſch berührt, nur der wahre Schlüſſel daſ- ſelbe wieder in den gewöhnlichen Zuſtand bringen kann. „Bei Schlüſſeln, nach dieſer Art conſtruirt, können ungemein viele Wechſel der Formen angewandt werden. Der klein gezeich- nete Schlüſſel L, welcher aus ſechs Stufen und Einſchnitten be- ſteht, iſt 720 Abänderungen fähig, während, da bei den größern Schlüſſeln dieſe Zacken 30 mal und die Riegeleinſchnitte 20 mal verändert werden können, ſich die Summe von 7,776,000 mög- licher Abänderungen ergibt.“ Das Chubbſchloß iſt 1846 und noch ſpäter vom Erfinder verbeſſert worden, wie aus der von König gemachten Beſchreibung, S. 80 und 81, und aus Tafel 40 des dazu gehörigen Atlas er- hellt. Die Verbeſſerung beſteht zunächſt in einem, aus vier ver- ſchiedenen Schlöſſern zuſammengeſetzten Schloß, das durch einen mit vier verſchiedenen Bärten verſehenen Schlüſſel geſchloſſen wird, und ferner in der Anbringung einer Metallblende, welche im Jnnern hervortritt, und Schlüſſelblech und Werk deckt, ſobald ein falſcher Schlüſſel eingebracht wird. Das von Bramah erfundene Schloß iſt der Kleinheit wegen beſonders zu Schreibtiſchen, Käſt- chen, Portefeuilles, Vorhängeſchlöſſern u. ſ. w. geeignet, und hat eine ganz eigenthümliche Riegelbewegung und Zuhaltung, auf welcher letztern die großen Vorzüge des ganzen Schloſſes weſent-

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858/190>, abgerufen am 26.04.2024.