Bindfaden gezogen. Fürchtet man ein Zerreißen oder Durch- schneiden des Bindfadens, so biegt man durch die eine Schraube einen kleinen eisernen Haken, der bei einschlagenden Thüren als Riegel sich steift, bei ausschlagenden Thüren als Haken bindet. Jedenfalls ist diese Vorrichtung viel leichter herzustellen und auch behender zu transportiren, als die von Hirt vorgeschlagenen eisernen Keile.
Vierundsunßigstes Kapitel. 2) Die Erefgänger.
Die Erefhalchener1), Erefgänger, Erefhändler oder Tchilleshalchener2), Tchillesgänger, Tchilleshändler sind Kittenschieber, welche zur Abendzeit in die Häuser ein- schleichen. Mit Eintreten der Dunkelheit pflegt man vorsichts- halber die am lichten Tage bewachten und leicht zu beaufsichtigenden Hausthüren mindestens in die Falle zu legen, und sich bei Ein- tritt eines Fremden auf die Hausthürglocke zu verlassen. Eine Hauptaufgabe und Uebung der Erefhalchener ist daher, die Haus- thür so leise und vorsichtig zu öffnen, daß der oben an der Haus- thür befindliche eiserne Arm an der in schwingender Feder hän- genden Hausthürglocke vorbeistreicht, die Glocke langsam zur Seite biegt, und daß nach Vorüberführen des Armes die Thür mit dem Arm gegen die Glocke gedrückt wird, um die beim Abgleiten des Armes entstehende Schwingung der freigewordenen Glocke zu ver- hindern. Bei der schlechten Beschaffenheit und Befestigung der in den Läden feilgehaltenen Glockenfedern ist das geschickte un- hörbare Oeffnen der Hausthüren auf diese Weise mit nur ge- ringer Uebung zu erlernen. Auch wird dies Oeffnen noch sehr dadurch erleichtert, daß der Erefhalchener mit dem Stock unten in die Glocke faßt, sie auf die Seite drückt und dadurch auch ihren
1) Von [fremdsprachliches Material - fehlt] (erew), Abend und [fremdsprachliches Material - fehlt] (halach), gehen.
2) Von [fremdsprachliches Material - fehlt] (techillo), der Anfang, nämlich des Abends, der Nacht.
Bindfaden gezogen. Fürchtet man ein Zerreißen oder Durch- ſchneiden des Bindfadens, ſo biegt man durch die eine Schraube einen kleinen eiſernen Haken, der bei einſchlagenden Thüren als Riegel ſich ſteift, bei ausſchlagenden Thüren als Haken bindet. Jedenfalls iſt dieſe Vorrichtung viel leichter herzuſtellen und auch behender zu transportiren, als die von Hirt vorgeſchlagenen eiſernen Keile.
Vierundſunſzigſtes Kapitel. 2) Die Erefgänger.
Die Erefhalchener1), Erefgänger, Erefhändler oder Tchilleshalchener2), Tchillesgänger, Tchilleshändler ſind Kittenſchieber, welche zur Abendzeit in die Häuſer ein- ſchleichen. Mit Eintreten der Dunkelheit pflegt man vorſichts- halber die am lichten Tage bewachten und leicht zu beaufſichtigenden Hausthüren mindeſtens in die Falle zu legen, und ſich bei Ein- tritt eines Fremden auf die Hausthürglocke zu verlaſſen. Eine Hauptaufgabe und Uebung der Erefhalchener iſt daher, die Haus- thür ſo leiſe und vorſichtig zu öffnen, daß der oben an der Haus- thür befindliche eiſerne Arm an der in ſchwingender Feder hän- genden Hausthürglocke vorbeiſtreicht, die Glocke langſam zur Seite biegt, und daß nach Vorüberführen des Armes die Thür mit dem Arm gegen die Glocke gedrückt wird, um die beim Abgleiten des Armes entſtehende Schwingung der freigewordenen Glocke zu ver- hindern. Bei der ſchlechten Beſchaffenheit und Befeſtigung der in den Läden feilgehaltenen Glockenfedern iſt das geſchickte un- hörbare Oeffnen der Hausthüren auf dieſe Weiſe mit nur ge- ringer Uebung zu erlernen. Auch wird dies Oeffnen noch ſehr dadurch erleichtert, daß der Erefhalchener mit dem Stock unten in die Glocke faßt, ſie auf die Seite drückt und dadurch auch ihren
1) Von [fremdsprachliches Material – fehlt] (erew), Abend und [fremdsprachliches Material – fehlt] (halach), gehen.
2) Von [fremdsprachliches Material – fehlt] (techillo), der Anfang, nämlich des Abends, der Nacht.
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Bindfaden gezogen. Fürchtet man ein Zerreißen oder Durch-
ſchneiden des Bindfadens, ſo biegt man durch die eine Schraube
einen kleinen eiſernen Haken, der bei einſchlagenden Thüren als
Riegel ſich ſteift, bei ausſchlagenden Thüren als Haken bindet.
Jedenfalls iſt dieſe Vorrichtung viel leichter herzuſtellen und
auch behender zu transportiren, als die von Hirt vorgeſchlagenen
eiſernen Keile.
Vierundſunſzigſtes Kapitel.
2) Die Erefgänger.
Die Erefhalchener 1), Erefgänger, Erefhändler oder
Tchilleshalchener 2), Tchillesgänger, Tchilleshändler
ſind Kittenſchieber, welche zur Abendzeit in die Häuſer ein-
ſchleichen. Mit Eintreten der Dunkelheit pflegt man vorſichts-
halber die am lichten Tage bewachten und leicht zu beaufſichtigenden
Hausthüren mindeſtens in die Falle zu legen, und ſich bei Ein-
tritt eines Fremden auf die Hausthürglocke zu verlaſſen. Eine
Hauptaufgabe und Uebung der Erefhalchener iſt daher, die Haus-
thür ſo leiſe und vorſichtig zu öffnen, daß der oben an der Haus-
thür befindliche eiſerne Arm an der in ſchwingender Feder hän-
genden Hausthürglocke vorbeiſtreicht, die Glocke langſam zur Seite
biegt, und daß nach Vorüberführen des Armes die Thür mit dem
Arm gegen die Glocke gedrückt wird, um die beim Abgleiten des
Armes entſtehende Schwingung der freigewordenen Glocke zu ver-
hindern. Bei der ſchlechten Beſchaffenheit und Befeſtigung der
in den Läden feilgehaltenen Glockenfedern iſt das geſchickte un-
hörbare Oeffnen der Hausthüren auf dieſe Weiſe mit nur ge-
ringer Uebung zu erlernen. Auch wird dies Oeffnen noch ſehr
dadurch erleichtert, daß der Erefhalchener mit dem Stock unten in
die Glocke faßt, ſie auf die Seite drückt und dadurch auch ihren
1) Von _ (erew), Abend und _ (halach), gehen.
2) Von _ (techillo), der Anfang, nämlich des Abends, der Nacht.
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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858/199>, abgerufen am 16.02.2025.
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