und überzeugt sich durch einen Schlag mit der Peitsche, oder auf sonstige Weise, durch lustiges Rufen und Jauchzen, ob ein Hund in oder bei dem Wagen sich befindet. Jn letzterm Falle wird eine Strecke voraus auch wol der Peiger (vgl. Kap. 38) für den Hund ausgeworfen. Das dunkle, regnichte Wetter, das Klappern und Rasseln des schwerfälligen Frachtwagens, namentlich auf gepfla- sterten Dämmen oder neu oder schlecht gebesserten Chausseen, er- leichtert das Golehopsen und Goleschächten ganz bedeutend, nament- lich in solchen Gegenden, wo der Weg durch ein coupirtes oder waldiges Terrain läuft.
Jn solchen Gegenden, und besonders noch, wo wenig Kunst- straßen sind, beschränkt sich das Golehopsen und Goleschächten nicht allein auf die Latschen, sondern erstreckt sich auch auf alle Reisewagen. Jm Dunkeln wissen die Golehopser bei waldigen und schlechten Wegestellen geschickt hinten auf die Packbreter und Koffer zu springen, und die letztern entweder ganz abzuschneiden oder doch aufzubrechen, und den Jnhalt auf die Chaussee ihren nachfolgenden Genossen zuzuwerfen. An Postwagen werden diese, im vorigen Jahrhunderte sehr viel und verwegen versuchten Dieb- stähle jetzt weniger verübt, weil die hinter den Wagen angebrach- ten Magazine gewöhnlich durch Blechfutterung und starkes Stan- gen- und Schließwerk gut gesichert sind, was bei anderm Reise- fuhrwerk, selbst bei den Extraposten und Beichaisen, keineswegs immer der Fall ist. Desto häufiger kommen jedoch diese Dieb- stähle bei Privatfuhrwerk vor, namentlich bei Equipagen von Gutsbesitzern, sobald sie von den immer doch durch den lebhaften Verkehr geschütztern Chausseen auf die Seitenwege abfahren.
Auch die vor den Wirthshäusern haltenden Latschen sind vorzugsweise dem Goleschächten ausgesetzt. Der Fuhrmann hat meistens einen eigenen Hund, den er des Nachts unter den Frachtwagen anbindet, oder auch in den Frachtwagen selbst placirt. Sehr oft muß aber auch der unter den Frachtwagen gebundene Hund des Wirths den Wachtdienst verrichten. Die Latsche wird gewöhnlich dicht vor die Fenster der zur ebenen Erde befindlichen Gaststube, deren Schalter offen bleiben, und in welcher der Fuhr-
und überzeugt ſich durch einen Schlag mit der Peitſche, oder auf ſonſtige Weiſe, durch luſtiges Rufen und Jauchzen, ob ein Hund in oder bei dem Wagen ſich befindet. Jn letzterm Falle wird eine Strecke voraus auch wol der Peiger (vgl. Kap. 38) für den Hund ausgeworfen. Das dunkle, regnichte Wetter, das Klappern und Raſſeln des ſchwerfälligen Frachtwagens, namentlich auf gepfla- ſterten Dämmen oder neu oder ſchlecht gebeſſerten Chauſſeen, er- leichtert das Golehopſen und Goleſchächten ganz bedeutend, nament- lich in ſolchen Gegenden, wo der Weg durch ein coupirtes oder waldiges Terrain läuft.
Jn ſolchen Gegenden, und beſonders noch, wo wenig Kunſt- ſtraßen ſind, beſchränkt ſich das Golehopſen und Goleſchächten nicht allein auf die Latſchen, ſondern erſtreckt ſich auch auf alle Reiſewagen. Jm Dunkeln wiſſen die Golehopſer bei waldigen und ſchlechten Wegeſtellen geſchickt hinten auf die Packbreter und Koffer zu ſpringen, und die letztern entweder ganz abzuſchneiden oder doch aufzubrechen, und den Jnhalt auf die Chauſſee ihren nachfolgenden Genoſſen zuzuwerfen. An Poſtwagen werden dieſe, im vorigen Jahrhunderte ſehr viel und verwegen verſuchten Dieb- ſtähle jetzt weniger verübt, weil die hinter den Wagen angebrach- ten Magazine gewöhnlich durch Blechfutterung und ſtarkes Stan- gen- und Schließwerk gut geſichert ſind, was bei anderm Reiſe- fuhrwerk, ſelbſt bei den Extrapoſten und Beichaiſen, keineswegs immer der Fall iſt. Deſto häufiger kommen jedoch dieſe Dieb- ſtähle bei Privatfuhrwerk vor, namentlich bei Equipagen von Gutsbeſitzern, ſobald ſie von den immer doch durch den lebhaften Verkehr geſchütztern Chauſſeen auf die Seitenwege abfahren.
Auch die vor den Wirthshäuſern haltenden Latſchen ſind vorzugsweiſe dem Goleſchächten ausgeſetzt. Der Fuhrmann hat meiſtens einen eigenen Hund, den er des Nachts unter den Frachtwagen anbindet, oder auch in den Frachtwagen ſelbſt placirt. Sehr oft muß aber auch der unter den Frachtwagen gebundene Hund des Wirths den Wachtdienſt verrichten. Die Latſche wird gewöhnlich dicht vor die Fenſter der zur ebenen Erde befindlichen Gaſtſtube, deren Schalter offen bleiben, und in welcher der Fuhr-
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und überzeugt ſich durch einen Schlag mit der Peitſche, oder auf
ſonſtige Weiſe, durch luſtiges Rufen und Jauchzen, ob ein Hund
in oder bei dem Wagen ſich befindet. Jn letzterm Falle wird eine
Strecke voraus auch wol der Peiger (vgl. Kap. 38) für den Hund
ausgeworfen. Das dunkle, regnichte Wetter, das Klappern und
Raſſeln des ſchwerfälligen Frachtwagens, namentlich auf gepfla-
ſterten Dämmen oder neu oder ſchlecht gebeſſerten Chauſſeen, er-
leichtert das Golehopſen und Goleſchächten ganz bedeutend, nament-
lich in ſolchen Gegenden, wo der Weg durch ein coupirtes oder
waldiges Terrain läuft.
Jn ſolchen Gegenden, und beſonders noch, wo wenig Kunſt-
ſtraßen ſind, beſchränkt ſich das Golehopſen und Goleſchächten
nicht allein auf die Latſchen, ſondern erſtreckt ſich auch auf alle
Reiſewagen. Jm Dunkeln wiſſen die Golehopſer bei waldigen
und ſchlechten Wegeſtellen geſchickt hinten auf die Packbreter und
Koffer zu ſpringen, und die letztern entweder ganz abzuſchneiden
oder doch aufzubrechen, und den Jnhalt auf die Chauſſee ihren
nachfolgenden Genoſſen zuzuwerfen. An Poſtwagen werden dieſe,
im vorigen Jahrhunderte ſehr viel und verwegen verſuchten Dieb-
ſtähle jetzt weniger verübt, weil die hinter den Wagen angebrach-
ten Magazine gewöhnlich durch Blechfutterung und ſtarkes Stan-
gen- und Schließwerk gut geſichert ſind, was bei anderm Reiſe-
fuhrwerk, ſelbſt bei den Extrapoſten und Beichaiſen, keineswegs
immer der Fall iſt. Deſto häufiger kommen jedoch dieſe Dieb-
ſtähle bei Privatfuhrwerk vor, namentlich bei Equipagen von
Gutsbeſitzern, ſobald ſie von den immer doch durch den lebhaften
Verkehr geſchütztern Chauſſeen auf die Seitenwege abfahren.
Auch die vor den Wirthshäuſern haltenden Latſchen ſind
vorzugsweiſe dem Goleſchächten ausgeſetzt. Der Fuhrmann hat
meiſtens einen eigenen Hund, den er des Nachts unter den
Frachtwagen anbindet, oder auch in den Frachtwagen ſelbſt placirt.
Sehr oft muß aber auch der unter den Frachtwagen gebundene
Hund des Wirths den Wachtdienſt verrichten. Die Latſche wird
gewöhnlich dicht vor die Fenſter der zur ebenen Erde befindlichen
Gaſtſtube, deren Schalter offen bleiben, und in welcher der Fuhr-
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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858/251>, abgerufen am 27.11.2024.
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