Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858.

Bild:
<< vorherige Seite

Moses u. s. w. 1), zu deren Aufsuchung und Ankauf der Schatz-
gräber mit dem zusammengeschossenen Gelde fortreist, um nicht
wiederzukommen. Bleibt der Schatzgräber zur Stelle, weil er
das zusammengebrachte Geld nicht eher als bei der Beschwörung
selbst in die Hand bekommen kann, so geht er erst bei oder gleich
nach der Beschwörung mit dem Gelde durch, während die Be-
trogenen mit sauerer Mühe nach dem Schatze graben müssen. Be-
schwörungsformeln, mit Zeichnungen und Beschreibungen der Zau-
berkreise und Amulette dabei, findet man in Horst's "Zauber-
bibliothek" und Scheible's "Kloster" in reicher Menge und
Auswahl.

So platt, lästerlich und betrüglich alle diese widerlichen For-
meln sind, und so bestimmt jedesmal der Betrug aufgedeckt
wurde, so ist doch die Sefelgräberei noch immer ein oft und mit
Glück versuchtes Unternehmen des Gaunerthums. Gerade die
aufklärenden, fast täglich neu zum Vorschein kommenden Ent-
deckungen auf dem Gebiete der Chemie und Naturwissenschaften 2),
welche dem gemeinen Manne unbekannt bleiben, geben dem Be-

Christophelesgebets wird der heilige Christoph "als guter Geist und Schatz-
hüter" beschworen, dem Beschwörer 99,000 Dukaten zu bringen. Man findet
das frömmelnde schändliche Gebet mit allen Formeln und dem dreifachen Zau-
berkreis vollständig bei Scheible, "Kloster", Bd. 3, Abth. 1, S. 343 fg.,
abgedruckt. Vgl. dazu Schäffer, "Abriß", S. 126 fg.
1) Vgl. Schäffer, a. a. O., S. 125, Note, wo von einer aus 30--40
Personen bestehenden Gaunergesellschaft die Rede ist, welche mit dem Suchen
der Weimarischen Bibel und Faust's Höllenzwang so bedeutende Geschäfte
machte, daß sie in einem kurzen Zeitraum gegen 200 Bauern im Schwarz-
walde jeden auf einmal um 50 bis 300 Gulden betrog, indem sie ihnen vor-
spiegelte, daß der heilige Christoph ihnen 500,000 Gulden herbeitragen müsse.
2) Denn nicht allein mehr die als Engel, Geister, Teufel, Zauberer und
Hexen vermummten Gauner geben die citirte Erscheinung ab: seit dem Fort-
schreiten der Wissenschaft, aber auch seit der praktischen Erfahrung, daß man-
cher citirte Geist von beherzter Hand durchgeprügelt oder lebensgefährlich mis-
handelt wurde, wie solche Beispiele bei Schäffer, a. a. O., S. 102--132,
genug aufgezählt werden, sind auch die optischen Täuschungen durch die
magische Laterne und durch cylinderische und konische Spiegel zur Hervorbrin-
gung katoptrischer Anamorphosen in Praxis und Flor gekommen.

Moſes u. ſ. w. 1), zu deren Aufſuchung und Ankauf der Schatz-
gräber mit dem zuſammengeſchoſſenen Gelde fortreiſt, um nicht
wiederzukommen. Bleibt der Schatzgräber zur Stelle, weil er
das zuſammengebrachte Geld nicht eher als bei der Beſchwörung
ſelbſt in die Hand bekommen kann, ſo geht er erſt bei oder gleich
nach der Beſchwörung mit dem Gelde durch, während die Be-
trogenen mit ſauerer Mühe nach dem Schatze graben müſſen. Be-
ſchwörungsformeln, mit Zeichnungen und Beſchreibungen der Zau-
berkreiſe und Amulette dabei, findet man in Horſt’s „Zauber-
bibliothek“ und Scheible’s „Kloſter“ in reicher Menge und
Auswahl.

So platt, läſterlich und betrüglich alle dieſe widerlichen For-
meln ſind, und ſo beſtimmt jedesmal der Betrug aufgedeckt
wurde, ſo iſt doch die Sefelgräberei noch immer ein oft und mit
Glück verſuchtes Unternehmen des Gaunerthums. Gerade die
aufklärenden, faſt täglich neu zum Vorſchein kommenden Ent-
deckungen auf dem Gebiete der Chemie und Naturwiſſenſchaften 2),
welche dem gemeinen Manne unbekannt bleiben, geben dem Be-

Chriſtophelesgebets wird der heilige Chriſtoph „als guter Geiſt und Schatz-
hüter“ beſchworen, dem Beſchwörer 99,000 Dukaten zu bringen. Man findet
das frömmelnde ſchändliche Gebet mit allen Formeln und dem dreifachen Zau-
berkreis vollſtändig bei Scheible, „Kloſter“, Bd. 3, Abth. 1, S. 343 fg.,
abgedruckt. Vgl. dazu Schäffer, „Abriß“, S. 126 fg.
1) Vgl. Schäffer, a. a. O., S. 125, Note, wo von einer aus 30—40
Perſonen beſtehenden Gaunergeſellſchaft die Rede iſt, welche mit dem Suchen
der Weimariſchen Bibel und Fauſt’s Höllenzwang ſo bedeutende Geſchäfte
machte, daß ſie in einem kurzen Zeitraum gegen 200 Bauern im Schwarz-
walde jeden auf einmal um 50 bis 300 Gulden betrog, indem ſie ihnen vor-
ſpiegelte, daß der heilige Chriſtoph ihnen 500,000 Gulden herbeitragen müſſe.
2) Denn nicht allein mehr die als Engel, Geiſter, Teufel, Zauberer und
Hexen vermummten Gauner geben die citirte Erſcheinung ab: ſeit dem Fort-
ſchreiten der Wiſſenſchaft, aber auch ſeit der praktiſchen Erfahrung, daß man-
cher citirte Geiſt von beherzter Hand durchgeprügelt oder lebensgefährlich mis-
handelt wurde, wie ſolche Beiſpiele bei Schäffer, a. a. O., S. 102—132,
genug aufgezählt werden, ſind auch die optiſchen Täuſchungen durch die
magiſche Laterne und durch cylinderiſche und koniſche Spiegel zur Hervorbrin-
gung katoptriſcher Anamorphoſen in Praxis und Flor gekommen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0279" n="267"/>
Mo&#x017F;es u. &#x017F;. w. <note place="foot" n="1)">Vgl. Schäffer, a. a. O., S. 125, Note, wo von einer aus 30&#x2014;40<lb/>
Per&#x017F;onen be&#x017F;tehenden Gaunerge&#x017F;ell&#x017F;chaft die Rede i&#x017F;t, welche mit dem Suchen<lb/>
der Weimari&#x017F;chen Bibel und Fau&#x017F;t&#x2019;s Höllenzwang &#x017F;o bedeutende Ge&#x017F;chäfte<lb/>
machte, daß &#x017F;ie in einem kurzen Zeitraum gegen 200 Bauern im Schwarz-<lb/>
walde jeden auf einmal um 50 bis 300 Gulden betrog, indem &#x017F;ie ihnen vor-<lb/>
&#x017F;piegelte, daß der heilige Chri&#x017F;toph ihnen 500,000 Gulden herbeitragen mü&#x017F;&#x017F;e.</note>, zu deren Auf&#x017F;uchung und Ankauf der Schatz-<lb/>
gräber mit dem zu&#x017F;ammenge&#x017F;cho&#x017F;&#x017F;enen Gelde fortrei&#x017F;t, um nicht<lb/>
wiederzukommen. Bleibt der Schatzgräber zur Stelle, weil er<lb/>
das zu&#x017F;ammengebrachte Geld nicht eher als bei der Be&#x017F;chwörung<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t in die Hand bekommen kann, &#x017F;o geht er er&#x017F;t bei oder gleich<lb/>
nach der Be&#x017F;chwörung mit dem Gelde durch, während die Be-<lb/>
trogenen mit &#x017F;auerer Mühe nach dem Schatze graben mü&#x017F;&#x017F;en. Be-<lb/>
&#x017F;chwörungsformeln, mit Zeichnungen und Be&#x017F;chreibungen der Zau-<lb/>
berkrei&#x017F;e und Amulette dabei, findet man in Hor&#x017F;t&#x2019;s &#x201E;Zauber-<lb/>
bibliothek&#x201C; und Scheible&#x2019;s &#x201E;Klo&#x017F;ter&#x201C; in reicher Menge und<lb/>
Auswahl.</p><lb/>
              <p>So platt, lä&#x017F;terlich und betrüglich alle die&#x017F;e widerlichen For-<lb/>
meln &#x017F;ind, und &#x017F;o be&#x017F;timmt jedesmal der Betrug aufgedeckt<lb/>
wurde, &#x017F;o i&#x017F;t doch die Sefelgräberei noch immer ein oft und mit<lb/>
Glück ver&#x017F;uchtes Unternehmen des Gaunerthums. Gerade die<lb/>
aufklärenden, fa&#x017F;t täglich neu zum Vor&#x017F;chein kommenden Ent-<lb/>
deckungen auf dem Gebiete der Chemie und Naturwi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften <note place="foot" n="2)">Denn nicht allein mehr die als Engel, Gei&#x017F;ter, Teufel, Zauberer und<lb/>
Hexen vermummten Gauner geben die citirte Er&#x017F;cheinung ab: &#x017F;eit dem Fort-<lb/>
&#x017F;chreiten der Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft, aber auch &#x017F;eit der prakti&#x017F;chen Erfahrung, daß man-<lb/>
cher citirte Gei&#x017F;t von beherzter Hand durchgeprügelt oder lebensgefährlich mis-<lb/>
handelt wurde, wie &#x017F;olche Bei&#x017F;piele bei Schäffer, a. a. O., S. 102&#x2014;132,<lb/>
genug aufgezählt werden, &#x017F;ind auch die <hi rendition="#g">opti&#x017F;chen</hi> Täu&#x017F;chungen durch die<lb/>
magi&#x017F;che Laterne und durch cylinderi&#x017F;che und koni&#x017F;che Spiegel zur Hervorbrin-<lb/>
gung katoptri&#x017F;cher Anamorpho&#x017F;en in Praxis und Flor gekommen.</note>,<lb/>
welche dem gemeinen Manne unbekannt bleiben, geben dem Be-<lb/><note xml:id="seg2pn_35_2" prev="#seg2pn_35_1" place="foot" n="2)">Chri&#x017F;tophelesgebets wird der heilige Chri&#x017F;toph &#x201E;als guter Gei&#x017F;t und Schatz-<lb/>
hüter&#x201C; be&#x017F;chworen, dem Be&#x017F;chwörer 99,000 Dukaten zu bringen. Man findet<lb/>
das frömmelnde &#x017F;chändliche Gebet mit allen Formeln und dem dreifachen Zau-<lb/>
berkreis voll&#x017F;tändig bei Scheible, &#x201E;Klo&#x017F;ter&#x201C;, Bd. 3, Abth. 1, S. 343 fg.,<lb/>
abgedruckt. Vgl. dazu Schäffer, &#x201E;Abriß&#x201C;, S. 126 fg.</note><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[267/0279] Moſes u. ſ. w. 1), zu deren Aufſuchung und Ankauf der Schatz- gräber mit dem zuſammengeſchoſſenen Gelde fortreiſt, um nicht wiederzukommen. Bleibt der Schatzgräber zur Stelle, weil er das zuſammengebrachte Geld nicht eher als bei der Beſchwörung ſelbſt in die Hand bekommen kann, ſo geht er erſt bei oder gleich nach der Beſchwörung mit dem Gelde durch, während die Be- trogenen mit ſauerer Mühe nach dem Schatze graben müſſen. Be- ſchwörungsformeln, mit Zeichnungen und Beſchreibungen der Zau- berkreiſe und Amulette dabei, findet man in Horſt’s „Zauber- bibliothek“ und Scheible’s „Kloſter“ in reicher Menge und Auswahl. So platt, läſterlich und betrüglich alle dieſe widerlichen For- meln ſind, und ſo beſtimmt jedesmal der Betrug aufgedeckt wurde, ſo iſt doch die Sefelgräberei noch immer ein oft und mit Glück verſuchtes Unternehmen des Gaunerthums. Gerade die aufklärenden, faſt täglich neu zum Vorſchein kommenden Ent- deckungen auf dem Gebiete der Chemie und Naturwiſſenſchaften 2), welche dem gemeinen Manne unbekannt bleiben, geben dem Be- 2) 1) Vgl. Schäffer, a. a. O., S. 125, Note, wo von einer aus 30—40 Perſonen beſtehenden Gaunergeſellſchaft die Rede iſt, welche mit dem Suchen der Weimariſchen Bibel und Fauſt’s Höllenzwang ſo bedeutende Geſchäfte machte, daß ſie in einem kurzen Zeitraum gegen 200 Bauern im Schwarz- walde jeden auf einmal um 50 bis 300 Gulden betrog, indem ſie ihnen vor- ſpiegelte, daß der heilige Chriſtoph ihnen 500,000 Gulden herbeitragen müſſe. 2) Denn nicht allein mehr die als Engel, Geiſter, Teufel, Zauberer und Hexen vermummten Gauner geben die citirte Erſcheinung ab: ſeit dem Fort- ſchreiten der Wiſſenſchaft, aber auch ſeit der praktiſchen Erfahrung, daß man- cher citirte Geiſt von beherzter Hand durchgeprügelt oder lebensgefährlich mis- handelt wurde, wie ſolche Beiſpiele bei Schäffer, a. a. O., S. 102—132, genug aufgezählt werden, ſind auch die optiſchen Täuſchungen durch die magiſche Laterne und durch cylinderiſche und koniſche Spiegel zur Hervorbrin- gung katoptriſcher Anamorphoſen in Praxis und Flor gekommen. 2) Chriſtophelesgebets wird der heilige Chriſtoph „als guter Geiſt und Schatz- hüter“ beſchworen, dem Beſchwörer 99,000 Dukaten zu bringen. Man findet das frömmelnde ſchändliche Gebet mit allen Formeln und dem dreifachen Zau- berkreis vollſtändig bei Scheible, „Kloſter“, Bd. 3, Abth. 1, S. 343 fg., abgedruckt. Vgl. dazu Schäffer, „Abriß“, S. 126 fg.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858/279
Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858/279>, abgerufen am 26.04.2024.