sehr stark abgeschliffen sind, was aber doch schon leicht in die Augen fällt.
Zweiundachtzigstes Kapitel. b) Das Jung und Alt.
Eine zweite Art der Würfelfälschung ist das Futtern der Würfel, in der Gaunersprache Jung und Alt genannt. Das Futtern geschieht auf zweifache Weise. Die eine, welche wol des- halb in Abgang gerathen ist, weil die Würfel meistens nicht mehr aus dem Becher, sondern unmittelbar aus der Hand geworfen werden, besteht darin, daß um die Ecken der Fehler- oder Treffer- seiten kurze schwarze Schweinsborsten 1) eingebohrt und eingekittet sind, sodaß diese jedoch nur zum Gebrauch auf Mänteln, Billardtafeln oder Teppichen bestimmten Würfel durch die Bor- sten beim Rollen aufgehalten und auf die berechnete Seite gesetzt werden. Diese Fälschung, welche jetzt nur noch selten vorkommt, ist leicht zu entdecken, wenn man mit den Fingerspitzen zart gegen die Ecken des Würfels, oder auch mit dem Würfel über die Wange streicht, wobei sich die Borsten durch ihr Stechen verrathen.
Desto häufiger ist aber die zweite Art des Jung und Alt. Sie erscheint um so unverdächtiger, da sie nur bei massiv aus Knochen oder Elfenbein u. dgl. gearbeiteten Würfeln vorkommt. Die Würfel werden ebenfalls auf zweierlei Weise gefälscht, für die Treffer und für die Fehler. Legt man einen Würfel auf die Eins, sodaß die Sechs oben und die Drei gerade vor dem Blicke steht, so hat man links die Fünf und rechts die Zwei. Gewöhn- lich wird nun von dem untern Auge der Zwei, nahe unter der Fläche der Eins hindurch, nach dem schrägen gegenüberliegenden untern Auge der Fünf ein röhrenförmiges Loch, Kanal, gebohrt
1)Liber Vagatorum, Notabilien 11: "vff dem Reger mit dem Ge- bursten".
ſehr ſtark abgeſchliffen ſind, was aber doch ſchon leicht in die Augen fällt.
Zweiundachtzigſtes Kapitel. ב) Das Jung und Alt.
Eine zweite Art der Würfelfälſchung iſt das Futtern der Würfel, in der Gaunerſprache Jung und Alt genannt. Das Futtern geſchieht auf zweifache Weiſe. Die eine, welche wol des- halb in Abgang gerathen iſt, weil die Würfel meiſtens nicht mehr aus dem Becher, ſondern unmittelbar aus der Hand geworfen werden, beſteht darin, daß um die Ecken der Fehler- oder Treffer- ſeiten kurze ſchwarze Schweinsborſten 1) eingebohrt und eingekittet ſind, ſodaß dieſe jedoch nur zum Gebrauch auf Mänteln, Billardtafeln oder Teppichen beſtimmten Würfel durch die Bor- ſten beim Rollen aufgehalten und auf die berechnete Seite geſetzt werden. Dieſe Fälſchung, welche jetzt nur noch ſelten vorkommt, iſt leicht zu entdecken, wenn man mit den Fingerſpitzen zart gegen die Ecken des Würfels, oder auch mit dem Würfel über die Wange ſtreicht, wobei ſich die Borſten durch ihr Stechen verrathen.
Deſto häufiger iſt aber die zweite Art des Jung und Alt. Sie erſcheint um ſo unverdächtiger, da ſie nur bei maſſiv aus Knochen oder Elfenbein u. dgl. gearbeiteten Würfeln vorkommt. Die Würfel werden ebenfalls auf zweierlei Weiſe gefälſcht, für die Treffer und für die Fehler. Legt man einen Würfel auf die Eins, ſodaß die Sechs oben und die Drei gerade vor dem Blicke ſteht, ſo hat man links die Fünf und rechts die Zwei. Gewöhn- lich wird nun von dem untern Auge der Zwei, nahe unter der Fläche der Eins hindurch, nach dem ſchrägen gegenüberliegenden untern Auge der Fünf ein röhrenförmiges Loch, Kanal, gebohrt
1)Liber Vagatorum, Notabilien 11: „vff dem Reger mit dem Ge- burſten“.
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ſehr ſtark abgeſchliffen ſind, was aber doch ſchon leicht in die
Augen fällt.
Zweiundachtzigſtes Kapitel.
ב) Das Jung und Alt.
Eine zweite Art der Würfelfälſchung iſt das Futtern der
Würfel, in der Gaunerſprache Jung und Alt genannt. Das
Futtern geſchieht auf zweifache Weiſe. Die eine, welche wol des-
halb in Abgang gerathen iſt, weil die Würfel meiſtens nicht mehr
aus dem Becher, ſondern unmittelbar aus der Hand geworfen
werden, beſteht darin, daß um die Ecken der Fehler- oder Treffer-
ſeiten kurze ſchwarze Schweinsborſten 1) eingebohrt und eingekittet
ſind, ſodaß dieſe jedoch nur zum Gebrauch auf Mänteln,
Billardtafeln oder Teppichen beſtimmten Würfel durch die Bor-
ſten beim Rollen aufgehalten und auf die berechnete Seite geſetzt
werden. Dieſe Fälſchung, welche jetzt nur noch ſelten vorkommt,
iſt leicht zu entdecken, wenn man mit den Fingerſpitzen zart gegen
die Ecken des Würfels, oder auch mit dem Würfel über die Wange
ſtreicht, wobei ſich die Borſten durch ihr Stechen verrathen.
Deſto häufiger iſt aber die zweite Art des Jung und Alt.
Sie erſcheint um ſo unverdächtiger, da ſie nur bei maſſiv aus
Knochen oder Elfenbein u. dgl. gearbeiteten Würfeln vorkommt.
Die Würfel werden ebenfalls auf zweierlei Weiſe gefälſcht, für
die Treffer und für die Fehler. Legt man einen Würfel auf die
Eins, ſodaß die Sechs oben und die Drei gerade vor dem Blicke
ſteht, ſo hat man links die Fünf und rechts die Zwei. Gewöhn-
lich wird nun von dem untern Auge der Zwei, nahe unter der
Fläche der Eins hindurch, nach dem ſchrägen gegenüberliegenden
untern Auge der Fünf ein röhrenförmiges Loch, Kanal, gebohrt
1) Liber Vagatorum, Notabilien 11: „vff dem Reger mit dem Ge-
burſten“.
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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858/298>, abgerufen am 22.11.2024.
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