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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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Fälschung vor, welcher mindestens eine genauere Prüfung der
ganzen Urkunde erfordert.

Beklagt man sich in Deutschland über die sowol in ihrer
großen Masse als in ihrer peinlichen Kleinlichkeit gleich drückende
Paßgesetzgebung und über die lästige Controle aller Reisenden ohne
Ausnahme, so ist der Grund des Uebels wesentlich in dem
Mangel an Umsicht, Genauigkeit und Aufmerksamkeit
in den Bureaux
zu suchen 1), welcher den praktischen, außerhalb
der Bureaux vigilirenden Beamten soviel saure und undankbare
Mühe macht und gerade bei den vielen sichtlich hervorgetretenen
Uebelständen die Gesetzgebung zu jener Menge von einzelnen Be-
stimmungen veranlassen mußte, von welcher sie sich neuerlich durch
Einführung der einfachen und behenden Paßkarten emancipirt,
und wobei sie zugleich deutlich und treffend angezeigt hat, daß
allein in der Aufmerksamkeit, Genauigkeit und Verantwortlichkeit
der ausstellenden Beamten, also in den Bureaux, die Sicherheit
und Verlässigkeit der Personenlegitimation zu suchen ist.

Jn Wirklichkeit wird aber auch hierin eine Reform der
Bureaux und eine tüchtige Heranbildung und Anleitung der
subalternen Beamten (vgl. Kap. 95--103) von directem glück-
lichen Einfluß auf die gesammte öffentliche Sicherheit sein, und

1) Wie z. B. ist nur möglich, daß man noch heutzutage zu den an sich
schon so unseligen Zwangs- oder Laufpässen, die man doch wissentlich nur
schlechten Subjecten ertheilt, das ordinärste Schreibpapier, ohne Blanketdruck,
ohne Grundirung, ohne irgendeine sonstige Sicherung gegen Fälschung hergibt,
und von der Hand des ersten besten Schreibers (es kommen ja derartige
Schreibereien erwiesen von Frauen- und Kinderhand vor), vollschreiben und
hastig und schlecht untersiegeln läßt. Nicht nur aus fast allen kleinen Bureaux,
welche, bei dem Mangel eines allgemeinen Landesformulars und einer Centrali-
sation der Landespolizei, die Druck- und andere Kosten aus ihrer Separatkasse
scheuen, sondern sogar auch aus Gefangenanstalten kommen jene Subjecte mit
solchen Papieren zum Vorschein, mit denen sie alle möglichen Fälschungen vor-
nehmen, und lange Zeit in Kreuz und Quer vagiren, um das Mitleid und das
Eigenthum des Städters und Landmanns in Contribution und ernste Gefahr
zu setzen.

Fälſchung vor, welcher mindeſtens eine genauere Prüfung der
ganzen Urkunde erfordert.

Beklagt man ſich in Deutſchland über die ſowol in ihrer
großen Maſſe als in ihrer peinlichen Kleinlichkeit gleich drückende
Paßgeſetzgebung und über die läſtige Controle aller Reiſenden ohne
Ausnahme, ſo iſt der Grund des Uebels weſentlich in dem
Mangel an Umſicht, Genauigkeit und Aufmerkſamkeit
in den Bureaux
zu ſuchen 1), welcher den praktiſchen, außerhalb
der Bureaux vigilirenden Beamten ſoviel ſaure und undankbare
Mühe macht und gerade bei den vielen ſichtlich hervorgetretenen
Uebelſtänden die Geſetzgebung zu jener Menge von einzelnen Be-
ſtimmungen veranlaſſen mußte, von welcher ſie ſich neuerlich durch
Einführung der einfachen und behenden Paßkarten emancipirt,
und wobei ſie zugleich deutlich und treffend angezeigt hat, daß
allein in der Aufmerkſamkeit, Genauigkeit und Verantwortlichkeit
der ausſtellenden Beamten, alſo in den Bureaux, die Sicherheit
und Verläſſigkeit der Perſonenlegitimation zu ſuchen iſt.

Jn Wirklichkeit wird aber auch hierin eine Reform der
Bureaux und eine tüchtige Heranbildung und Anleitung der
ſubalternen Beamten (vgl. Kap. 95—103) von directem glück-
lichen Einfluß auf die geſammte öffentliche Sicherheit ſein, und

1) Wie z. B. iſt nur möglich, daß man noch heutzutage zu den an ſich
ſchon ſo unſeligen Zwangs- oder Laufpäſſen, die man doch wiſſentlich nur
ſchlechten Subjecten ertheilt, das ordinärſte Schreibpapier, ohne Blanketdruck,
ohne Grundirung, ohne irgendeine ſonſtige Sicherung gegen Fälſchung hergibt,
und von der Hand des erſten beſten Schreibers (es kommen ja derartige
Schreibereien erwieſen von Frauen- und Kinderhand vor), vollſchreiben und
haſtig und ſchlecht unterſiegeln läßt. Nicht nur aus faſt allen kleinen Bureaux,
welche, bei dem Mangel eines allgemeinen Landesformulars und einer Centrali-
ſation der Landespolizei, die Druck- und andere Koſten aus ihrer Separatkaſſe
ſcheuen, ſondern ſogar auch aus Gefangenanſtalten kommen jene Subjecte mit
ſolchen Papieren zum Vorſchein, mit denen ſie alle möglichen Fälſchungen vor-
nehmen, und lange Zeit in Kreuz und Quer vagiren, um das Mitleid und das
Eigenthum des Städters und Landmanns in Contribution und ernſte Gefahr
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[314/0326] Fälſchung vor, welcher mindeſtens eine genauere Prüfung der ganzen Urkunde erfordert. Beklagt man ſich in Deutſchland über die ſowol in ihrer großen Maſſe als in ihrer peinlichen Kleinlichkeit gleich drückende Paßgeſetzgebung und über die läſtige Controle aller Reiſenden ohne Ausnahme, ſo iſt der Grund des Uebels weſentlich in dem Mangel an Umſicht, Genauigkeit und Aufmerkſamkeit in den Bureaux zu ſuchen 1), welcher den praktiſchen, außerhalb der Bureaux vigilirenden Beamten ſoviel ſaure und undankbare Mühe macht und gerade bei den vielen ſichtlich hervorgetretenen Uebelſtänden die Geſetzgebung zu jener Menge von einzelnen Be- ſtimmungen veranlaſſen mußte, von welcher ſie ſich neuerlich durch Einführung der einfachen und behenden Paßkarten emancipirt, und wobei ſie zugleich deutlich und treffend angezeigt hat, daß allein in der Aufmerkſamkeit, Genauigkeit und Verantwortlichkeit der ausſtellenden Beamten, alſo in den Bureaux, die Sicherheit und Verläſſigkeit der Perſonenlegitimation zu ſuchen iſt. Jn Wirklichkeit wird aber auch hierin eine Reform der Bureaux und eine tüchtige Heranbildung und Anleitung der ſubalternen Beamten (vgl. Kap. 95—103) von directem glück- lichen Einfluß auf die geſammte öffentliche Sicherheit ſein, und 1) Wie z. B. iſt nur möglich, daß man noch heutzutage zu den an ſich ſchon ſo unſeligen Zwangs- oder Laufpäſſen, die man doch wiſſentlich nur ſchlechten Subjecten ertheilt, das ordinärſte Schreibpapier, ohne Blanketdruck, ohne Grundirung, ohne irgendeine ſonſtige Sicherung gegen Fälſchung hergibt, und von der Hand des erſten beſten Schreibers (es kommen ja derartige Schreibereien erwieſen von Frauen- und Kinderhand vor), vollſchreiben und haſtig und ſchlecht unterſiegeln läßt. Nicht nur aus faſt allen kleinen Bureaux, welche, bei dem Mangel eines allgemeinen Landesformulars und einer Centrali- ſation der Landespolizei, die Druck- und andere Koſten aus ihrer Separatkaſſe ſcheuen, ſondern ſogar auch aus Gefangenanſtalten kommen jene Subjecte mit ſolchen Papieren zum Vorſchein, mit denen ſie alle möglichen Fälſchungen vor- nehmen, und lange Zeit in Kreuz und Quer vagiren, um das Mitleid und das Eigenthum des Städters und Landmanns in Contribution und ernſte Gefahr zu ſetzen.

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 314. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858/326>, abgerufen am 25.04.2024.