Schnelligkeit gefertigten Nachstiche in Messing, Schiefer und Zinn fast immer zum vollständigen Betruge, und es kommt dabei nicht einmal groß auf die Sauberkeit und Schärfe der Umrisse und Jnschriften an. So werden denn nicht selten solche Siegel in Holz, ja sogar in Kork ausgeschnitten, und geben kaum schlech- tere Abdrücke als die nachgeahmten Originale selbst.
Zum Copiren der Färbesiegel nehmen die Fleppenmelochner auch oft noch ein Stückchen geöltes Papier, befestigen es mit einigen kleinen Streifchen sogenannten englischen Pflasters auf das zu copirende Färbesiegel, und zeichnen mit Bleistift das Siegel genau durch. Nach Abnahme des Oelpapiers wird auf dem Rücken desselben mittels einer Schwärze von Kienruß, Leinöl oder dünnen Talg, oder mit einer fettigen schwarzen Kreide, auch wol mit feiner Lindenholzkohle, die in Spiegelschrift durchscheinende Zeichnung nachgezeichnet, darauf das Oelpapier mit der Rückseite der Zeich- nung auf das gefälschte Document gelegt, und mittels eines Glätt- kolbens aufgerieben, oder mittels eines starken Drucks oder Schlags aufgepreßt. 1) Dem geschickten Fleppenmelochner, welcher gut zeichnet und sich Zeit läßt, gelingen diese Siegel sehr gut; auch kann er sie durch neue Schwärzung des Oelpapiers vervielfältigen. Mei- stens werden aber diese Durchzeichnungen in den Herbergen und Spiessen ziemlich hastig vorgenommen, und glücken dann oft nicht durchaus. Erfahrene Fleppenmelochner lassen jedoch diese nicht überall gleichmäßig ausgedrückten Siegel ohne Retouche. Un- geschickte dagegen zeichnen zuweilen die zurückgebliebenen Buch- staben mit Bleistift oder Tinte nach. Dadurch kommen aber die Buchstaben undeutlicher zu stehen, und verrathen sich durch ihre ungleiche Färbung, namentlich wenn man das Papier gegen das Licht hält. Findet man auf dem Documente keinen Eindruck des Stempels im Papier, und läßt sich beim Reiben mit der Finger- spitze die Farbe des Siegels wischen, so liegt schon Verdacht einer
1) Jn dieser Weise hatte der obenerwähnte, hier in Lübeck im August 1858 angehaltene Kittenschieber das Stadtsiegel des Städtchens, wo ihm sein falscher Paß ausgestellt sein sollte, recht gut copirt.
Schnelligkeit gefertigten Nachſtiche in Meſſing, Schiefer und Zinn faſt immer zum vollſtändigen Betruge, und es kommt dabei nicht einmal groß auf die Sauberkeit und Schärfe der Umriſſe und Jnſchriften an. So werden denn nicht ſelten ſolche Siegel in Holz, ja ſogar in Kork ausgeſchnitten, und geben kaum ſchlech- tere Abdrücke als die nachgeahmten Originale ſelbſt.
Zum Copiren der Färbeſiegel nehmen die Fleppenmelochner auch oft noch ein Stückchen geöltes Papier, befeſtigen es mit einigen kleinen Streifchen ſogenannten engliſchen Pflaſters auf das zu copirende Färbeſiegel, und zeichnen mit Bleiſtift das Siegel genau durch. Nach Abnahme des Oelpapiers wird auf dem Rücken deſſelben mittels einer Schwärze von Kienruß, Leinöl oder dünnen Talg, oder mit einer fettigen ſchwarzen Kreide, auch wol mit feiner Lindenholzkohle, die in Spiegelſchrift durchſcheinende Zeichnung nachgezeichnet, darauf das Oelpapier mit der Rückſeite der Zeich- nung auf das gefälſchte Document gelegt, und mittels eines Glätt- kolbens aufgerieben, oder mittels eines ſtarken Drucks oder Schlags aufgepreßt. 1) Dem geſchickten Fleppenmelochner, welcher gut zeichnet und ſich Zeit läßt, gelingen dieſe Siegel ſehr gut; auch kann er ſie durch neue Schwärzung des Oelpapiers vervielfältigen. Mei- ſtens werden aber dieſe Durchzeichnungen in den Herbergen und Spieſſen ziemlich haſtig vorgenommen, und glücken dann oft nicht durchaus. Erfahrene Fleppenmelochner laſſen jedoch dieſe nicht überall gleichmäßig ausgedrückten Siegel ohne Retouche. Un- geſchickte dagegen zeichnen zuweilen die zurückgebliebenen Buch- ſtaben mit Bleiſtift oder Tinte nach. Dadurch kommen aber die Buchſtaben undeutlicher zu ſtehen, und verrathen ſich durch ihre ungleiche Färbung, namentlich wenn man das Papier gegen das Licht hält. Findet man auf dem Documente keinen Eindruck des Stempels im Papier, und läßt ſich beim Reiben mit der Finger- ſpitze die Farbe des Siegels wiſchen, ſo liegt ſchon Verdacht einer
1) Jn dieſer Weiſe hatte der obenerwähnte, hier in Lübeck im Auguſt 1858 angehaltene Kittenſchieber das Stadtſiegel des Städtchens, wo ihm ſein falſcher Paß ausgeſtellt ſein ſollte, recht gut copirt.
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Schnelligkeit gefertigten Nachſtiche in Meſſing, Schiefer und
Zinn faſt immer zum vollſtändigen Betruge, und es kommt dabei
nicht einmal groß auf die Sauberkeit und Schärfe der Umriſſe
und Jnſchriften an. So werden denn nicht ſelten ſolche Siegel
in Holz, ja ſogar in Kork ausgeſchnitten, und geben kaum ſchlech-
tere Abdrücke als die nachgeahmten Originale ſelbſt.
Zum Copiren der Färbeſiegel nehmen die Fleppenmelochner
auch oft noch ein Stückchen geöltes Papier, befeſtigen es mit
einigen kleinen Streifchen ſogenannten engliſchen Pflaſters auf das
zu copirende Färbeſiegel, und zeichnen mit Bleiſtift das Siegel
genau durch. Nach Abnahme des Oelpapiers wird auf dem Rücken
deſſelben mittels einer Schwärze von Kienruß, Leinöl oder dünnen
Talg, oder mit einer fettigen ſchwarzen Kreide, auch wol mit feiner
Lindenholzkohle, die in Spiegelſchrift durchſcheinende Zeichnung
nachgezeichnet, darauf das Oelpapier mit der Rückſeite der Zeich-
nung auf das gefälſchte Document gelegt, und mittels eines Glätt-
kolbens aufgerieben, oder mittels eines ſtarken Drucks oder Schlags
aufgepreßt. 1) Dem geſchickten Fleppenmelochner, welcher gut zeichnet
und ſich Zeit läßt, gelingen dieſe Siegel ſehr gut; auch kann er
ſie durch neue Schwärzung des Oelpapiers vervielfältigen. Mei-
ſtens werden aber dieſe Durchzeichnungen in den Herbergen und
Spieſſen ziemlich haſtig vorgenommen, und glücken dann oft nicht
durchaus. Erfahrene Fleppenmelochner laſſen jedoch dieſe nicht
überall gleichmäßig ausgedrückten Siegel ohne Retouche. Un-
geſchickte dagegen zeichnen zuweilen die zurückgebliebenen Buch-
ſtaben mit Bleiſtift oder Tinte nach. Dadurch kommen aber die
Buchſtaben undeutlicher zu ſtehen, und verrathen ſich durch ihre
ungleiche Färbung, namentlich wenn man das Papier gegen das
Licht hält. Findet man auf dem Documente keinen Eindruck des
Stempels im Papier, und läßt ſich beim Reiben mit der Finger-
ſpitze die Farbe des Siegels wiſchen, ſo liegt ſchon Verdacht einer
1) Jn dieſer Weiſe hatte der obenerwähnte, hier in Lübeck im Auguſt
1858 angehaltene Kittenſchieber das Stadtſiegel des Städtchens, wo ihm ſein
falſcher Paß ausgeſtellt ſein ſollte, recht gut copirt.
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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 313. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858/325>, abgerufen am 25.04.2024.
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