Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858.Neunundachtzigstes Kapitel. n) Das Schärfen und Paschen. Das Wort Schärfen ist vom niederdeutschen scherven, Schon aus der Definition des Wortes Schärfen ersieht man, mung, diese oder jene Farbe bei den Färbesiegeln in Anwendung zu bringen. Die Durchführung dieses Vorschlags ist jedoch schwierig und könnte den recht- mäßigen und ehrlichen Jnhaber eines Documents in arge Verlegenheit bringen, wenn ein unaufmerksamer Beamter einmal eine andere Farbe benutzen sollte, als die für die einfallende Zeit vertragsmäßig bestimmt gewesene. 1) Von Stoßen, welches gleichbedeutend mit Schärfen ist und mit dem Jüdisch-Deutschen in keiner Verbindung steht. Es ist vielleicht vom deutschen Stoß, niederdeutsch Stoot, herzuleiten, welches auch eine ungezählte Menge, eine Anzahl in Pausch und Bogen, bedeutet. Die Ableitung vom jüdisch- deutschen Stuß oder Schtuß, Narrheit, Scherz, Possen, Bagatelle, scheint gesucht und ohne rechten Sinn. 2) Die Gleichmäßigkeit dieses Erwerbs mit dem Erwerbe des Diebes ist
treffend durch den gemeinsamen Ausdruck verdienen bezeichnet, den sowol Neunundachtzigſtes Kapitel. n) Das Schärfen und Paſchen. Das Wort Schärfen iſt vom niederdeutſchen ſcherven, Schon aus der Definition des Wortes Schärfen erſieht man, mung, dieſe oder jene Farbe bei den Färbeſiegeln in Anwendung zu bringen. Die Durchführung dieſes Vorſchlags iſt jedoch ſchwierig und könnte den recht- mäßigen und ehrlichen Jnhaber eines Documents in arge Verlegenheit bringen, wenn ein unaufmerkſamer Beamter einmal eine andere Farbe benutzen ſollte, als die für die einfallende Zeit vertragsmäßig beſtimmt geweſene. 1) Von Stoßen, welches gleichbedeutend mit Schärfen iſt und mit dem Jüdiſch-Deutſchen in keiner Verbindung ſteht. Es iſt vielleicht vom deutſchen Stoß, niederdeutſch Stoot, herzuleiten, welches auch eine ungezählte Menge, eine Anzahl in Pauſch und Bogen, bedeutet. Die Ableitung vom jüdiſch- deutſchen Stuß oder Schtuß, Narrheit, Scherz, Poſſen, Bagatelle, ſcheint geſucht und ohne rechten Sinn. 2) Die Gleichmäßigkeit dieſes Erwerbs mit dem Erwerbe des Diebes iſt
treffend durch den gemeinſamen Ausdruck verdienen bezeichnet, den ſowol <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0328" n="316"/> <div n="4"> <head><hi rendition="#fr">Neunundachtzigſtes Kapitel.</hi><lb/><hi rendition="#aq">n</hi>) <hi rendition="#fr">Das Schärfen und Paſchen.</hi></head><lb/> <p>Das Wort <hi rendition="#g">Schärfen</hi> iſt vom niederdeutſchen <hi rendition="#g">ſcherven,<lb/> ſcharben</hi> (durch Transpoſition: <hi rendition="#g">ſchraben, ſchrapen</hi>), hacken,<lb/> klein hacken, klein machen, herzuleiten, und hängt mit <hi rendition="#g">Scherf,<lb/> Scherflein</hi> (ein halber Heller, <hi rendition="#aq">uncia, aereolus,</hi> Schottelius, a. a. O.,<lb/> S. 1397, u. Stieler, a. a. O., S. 1737) zuſammen. <hi rendition="#g">Schärfen</hi><lb/> heißt in der Gaunerſprache die geſtohlenen Sachen im großen<lb/> Ganzen (im Stooß) ankaufen und im einzelnen wieder verkaufen,<lb/> zu Gelde machen, beſonders aber <hi rendition="#g">ankaufen,</hi> während für das<lb/> Verkaufen ſolcher Sachen der Ausdruck <hi rendition="#g">verſchärfen</hi> ſprach-<lb/> gebräuchlich iſt. Der Ankäufer wird <hi rendition="#g">Schärfenſpieler,</hi> nach<lb/> neuerm Ausdrucke <hi rendition="#g">Stoßenſpieler</hi> <note place="foot" n="1)">Von <hi rendition="#g">Stoßen,</hi> welches gleichbedeutend mit <hi rendition="#g">Schärfen</hi> iſt und mit dem<lb/> Jüdiſch-Deutſchen in keiner Verbindung ſteht. Es iſt vielleicht vom deutſchen<lb/><hi rendition="#g">Stoß,</hi> niederdeutſch <hi rendition="#g">Stoot,</hi> herzuleiten, welches auch eine ungezählte Menge,<lb/> eine Anzahl in Pauſch und Bogen, bedeutet. Die Ableitung vom jüdiſch-<lb/> deutſchen <hi rendition="#g">Stuß</hi> oder <hi rendition="#g">Schtuß,</hi> Narrheit, Scherz, Poſſen, Bagatelle, ſcheint<lb/> geſucht und ohne rechten Sinn.</note> genannt. Vorausgeſetzt<lb/> beim Schärfen oder Stoßen wird immer, daß der Schärfenſpieler<lb/> oder Stoßenſpieler das gekaufte Gut als <hi rendition="#g">geſtohlen kennt.</hi></p><lb/> <p>Schon aus der Definition des Wortes Schärfen erſieht man,<lb/> daß die Schärfenſpieler <hi rendition="#g">platte Leute,</hi> d. h. vertraute Genoſſen<lb/> der Gauner ſind. Sie bilden in der That die allergefährlichſte<lb/> Klaſſe der Gauner, da ſie durch Abnahme und Verwerthung der<lb/> geſtohlenen Sachen dem Diebſtahl erſt Werth und Jntereſſe ver-<lb/> leihen. <note xml:id="seg2pn_43_1" next="#seg2pn_43_2" place="foot" n="2)">Die Gleichmäßigkeit dieſes Erwerbs mit dem Erwerbe des Diebes iſt<lb/> treffend durch den gemeinſamen Ausdruck <hi rendition="#g">verdienen</hi> bezeichnet, den ſowol</note> Die meiſten Schärfenſpieler ſind Gauner, welche früher<lb/><note xml:id="seg2pn_42_2" prev="#seg2pn_42_1" place="foot" n="2)">mung, dieſe oder jene Farbe bei den Färbeſiegeln in Anwendung zu bringen.<lb/> Die Durchführung dieſes Vorſchlags iſt jedoch ſchwierig und könnte den recht-<lb/> mäßigen und ehrlichen Jnhaber eines Documents in arge Verlegenheit bringen,<lb/> wenn ein unaufmerkſamer Beamter einmal eine andere Farbe benutzen ſollte,<lb/> als die für die einfallende Zeit vertragsmäßig beſtimmt geweſene.</note><lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [316/0328]
Neunundachtzigſtes Kapitel.
n) Das Schärfen und Paſchen.
Das Wort Schärfen iſt vom niederdeutſchen ſcherven,
ſcharben (durch Transpoſition: ſchraben, ſchrapen), hacken,
klein hacken, klein machen, herzuleiten, und hängt mit Scherf,
Scherflein (ein halber Heller, uncia, aereolus, Schottelius, a. a. O.,
S. 1397, u. Stieler, a. a. O., S. 1737) zuſammen. Schärfen
heißt in der Gaunerſprache die geſtohlenen Sachen im großen
Ganzen (im Stooß) ankaufen und im einzelnen wieder verkaufen,
zu Gelde machen, beſonders aber ankaufen, während für das
Verkaufen ſolcher Sachen der Ausdruck verſchärfen ſprach-
gebräuchlich iſt. Der Ankäufer wird Schärfenſpieler, nach
neuerm Ausdrucke Stoßenſpieler 1) genannt. Vorausgeſetzt
beim Schärfen oder Stoßen wird immer, daß der Schärfenſpieler
oder Stoßenſpieler das gekaufte Gut als geſtohlen kennt.
Schon aus der Definition des Wortes Schärfen erſieht man,
daß die Schärfenſpieler platte Leute, d. h. vertraute Genoſſen
der Gauner ſind. Sie bilden in der That die allergefährlichſte
Klaſſe der Gauner, da ſie durch Abnahme und Verwerthung der
geſtohlenen Sachen dem Diebſtahl erſt Werth und Jntereſſe ver-
leihen. 2) Die meiſten Schärfenſpieler ſind Gauner, welche früher
2)
1) Von Stoßen, welches gleichbedeutend mit Schärfen iſt und mit dem
Jüdiſch-Deutſchen in keiner Verbindung ſteht. Es iſt vielleicht vom deutſchen
Stoß, niederdeutſch Stoot, herzuleiten, welches auch eine ungezählte Menge,
eine Anzahl in Pauſch und Bogen, bedeutet. Die Ableitung vom jüdiſch-
deutſchen Stuß oder Schtuß, Narrheit, Scherz, Poſſen, Bagatelle, ſcheint
geſucht und ohne rechten Sinn.
2) Die Gleichmäßigkeit dieſes Erwerbs mit dem Erwerbe des Diebes iſt
treffend durch den gemeinſamen Ausdruck verdienen bezeichnet, den ſowol
2) mung, dieſe oder jene Farbe bei den Färbeſiegeln in Anwendung zu bringen.
Die Durchführung dieſes Vorſchlags iſt jedoch ſchwierig und könnte den recht-
mäßigen und ehrlichen Jnhaber eines Documents in arge Verlegenheit bringen,
wenn ein unaufmerkſamer Beamter einmal eine andere Farbe benutzen ſollte,
als die für die einfallende Zeit vertragsmäßig beſtimmt geweſene.
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