Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858.

Bild:
<< vorherige Seite
Neunundachtzigstes Kapitel.
n) Das Schärfen und Paschen.

Das Wort Schärfen ist vom niederdeutschen scherven,
scharben
(durch Transposition: schraben, schrapen), hacken,
klein hacken, klein machen, herzuleiten, und hängt mit Scherf,
Scherflein
(ein halber Heller, uncia, aereolus, Schottelius, a. a. O.,
S. 1397, u. Stieler, a. a. O., S. 1737) zusammen. Schärfen
heißt in der Gaunersprache die gestohlenen Sachen im großen
Ganzen (im Stooß) ankaufen und im einzelnen wieder verkaufen,
zu Gelde machen, besonders aber ankaufen, während für das
Verkaufen solcher Sachen der Ausdruck verschärfen sprach-
gebräuchlich ist. Der Ankäufer wird Schärfenspieler, nach
neuerm Ausdrucke Stoßenspieler 1) genannt. Vorausgesetzt
beim Schärfen oder Stoßen wird immer, daß der Schärfenspieler
oder Stoßenspieler das gekaufte Gut als gestohlen kennt.

Schon aus der Definition des Wortes Schärfen ersieht man,
daß die Schärfenspieler platte Leute, d. h. vertraute Genossen
der Gauner sind. Sie bilden in der That die allergefährlichste
Klasse der Gauner, da sie durch Abnahme und Verwerthung der
gestohlenen Sachen dem Diebstahl erst Werth und Jnteresse ver-
leihen. 2) Die meisten Schärfenspieler sind Gauner, welche früher

mung, diese oder jene Farbe bei den Färbesiegeln in Anwendung zu bringen.
Die Durchführung dieses Vorschlags ist jedoch schwierig und könnte den recht-
mäßigen und ehrlichen Jnhaber eines Documents in arge Verlegenheit bringen,
wenn ein unaufmerksamer Beamter einmal eine andere Farbe benutzen sollte,
als die für die einfallende Zeit vertragsmäßig bestimmt gewesene.
1) Von Stoßen, welches gleichbedeutend mit Schärfen ist und mit dem
Jüdisch-Deutschen in keiner Verbindung steht. Es ist vielleicht vom deutschen
Stoß, niederdeutsch Stoot, herzuleiten, welches auch eine ungezählte Menge,
eine Anzahl in Pausch und Bogen, bedeutet. Die Ableitung vom jüdisch-
deutschen Stuß oder Schtuß, Narrheit, Scherz, Possen, Bagatelle, scheint
gesucht und ohne rechten Sinn.
2) Die Gleichmäßigkeit dieses Erwerbs mit dem Erwerbe des Diebes ist
treffend durch den gemeinsamen Ausdruck verdienen bezeichnet, den sowol
Neunundachtzigſtes Kapitel.
n) Das Schärfen und Paſchen.

Das Wort Schärfen iſt vom niederdeutſchen ſcherven,
ſcharben
(durch Transpoſition: ſchraben, ſchrapen), hacken,
klein hacken, klein machen, herzuleiten, und hängt mit Scherf,
Scherflein
(ein halber Heller, uncia, aereolus, Schottelius, a. a. O.,
S. 1397, u. Stieler, a. a. O., S. 1737) zuſammen. Schärfen
heißt in der Gaunerſprache die geſtohlenen Sachen im großen
Ganzen (im Stooß) ankaufen und im einzelnen wieder verkaufen,
zu Gelde machen, beſonders aber ankaufen, während für das
Verkaufen ſolcher Sachen der Ausdruck verſchärfen ſprach-
gebräuchlich iſt. Der Ankäufer wird Schärfenſpieler, nach
neuerm Ausdrucke Stoßenſpieler 1) genannt. Vorausgeſetzt
beim Schärfen oder Stoßen wird immer, daß der Schärfenſpieler
oder Stoßenſpieler das gekaufte Gut als geſtohlen kennt.

Schon aus der Definition des Wortes Schärfen erſieht man,
daß die Schärfenſpieler platte Leute, d. h. vertraute Genoſſen
der Gauner ſind. Sie bilden in der That die allergefährlichſte
Klaſſe der Gauner, da ſie durch Abnahme und Verwerthung der
geſtohlenen Sachen dem Diebſtahl erſt Werth und Jntereſſe ver-
leihen. 2) Die meiſten Schärfenſpieler ſind Gauner, welche früher

mung, dieſe oder jene Farbe bei den Färbeſiegeln in Anwendung zu bringen.
Die Durchführung dieſes Vorſchlags iſt jedoch ſchwierig und könnte den recht-
mäßigen und ehrlichen Jnhaber eines Documents in arge Verlegenheit bringen,
wenn ein unaufmerkſamer Beamter einmal eine andere Farbe benutzen ſollte,
als die für die einfallende Zeit vertragsmäßig beſtimmt geweſene.
1) Von Stoßen, welches gleichbedeutend mit Schärfen iſt und mit dem
Jüdiſch-Deutſchen in keiner Verbindung ſteht. Es iſt vielleicht vom deutſchen
Stoß, niederdeutſch Stoot, herzuleiten, welches auch eine ungezählte Menge,
eine Anzahl in Pauſch und Bogen, bedeutet. Die Ableitung vom jüdiſch-
deutſchen Stuß oder Schtuß, Narrheit, Scherz, Poſſen, Bagatelle, ſcheint
geſucht und ohne rechten Sinn.
2) Die Gleichmäßigkeit dieſes Erwerbs mit dem Erwerbe des Diebes iſt
treffend durch den gemeinſamen Ausdruck verdienen bezeichnet, den ſowol
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0328" n="316"/>
            <div n="4">
              <head><hi rendition="#fr">Neunundachtzig&#x017F;tes Kapitel.</hi><lb/><hi rendition="#aq">n</hi>) <hi rendition="#fr">Das Schärfen und Pa&#x017F;chen.</hi></head><lb/>
              <p>Das Wort <hi rendition="#g">Schärfen</hi> i&#x017F;t vom niederdeut&#x017F;chen <hi rendition="#g">&#x017F;cherven,<lb/>
&#x017F;charben</hi> (durch Transpo&#x017F;ition: <hi rendition="#g">&#x017F;chraben, &#x017F;chrapen</hi>), hacken,<lb/>
klein hacken, klein machen, herzuleiten, und hängt mit <hi rendition="#g">Scherf,<lb/>
Scherflein</hi> (ein halber Heller, <hi rendition="#aq">uncia, aereolus,</hi> Schottelius, a. a. O.,<lb/>
S. 1397, u. Stieler, a. a. O., S. 1737) zu&#x017F;ammen. <hi rendition="#g">Schärfen</hi><lb/>
heißt in der Gauner&#x017F;prache die ge&#x017F;tohlenen Sachen im großen<lb/>
Ganzen (im Stooß) ankaufen und im einzelnen wieder verkaufen,<lb/>
zu Gelde machen, be&#x017F;onders aber <hi rendition="#g">ankaufen,</hi> während für das<lb/>
Verkaufen &#x017F;olcher Sachen der Ausdruck <hi rendition="#g">ver&#x017F;chärfen</hi> &#x017F;prach-<lb/>
gebräuchlich i&#x017F;t. Der Ankäufer wird <hi rendition="#g">Schärfen&#x017F;pieler,</hi> nach<lb/>
neuerm Ausdrucke <hi rendition="#g">Stoßen&#x017F;pieler</hi> <note place="foot" n="1)">Von <hi rendition="#g">Stoßen,</hi> welches gleichbedeutend mit <hi rendition="#g">Schärfen</hi> i&#x017F;t und mit dem<lb/>
Jüdi&#x017F;ch-Deut&#x017F;chen in keiner Verbindung &#x017F;teht. Es i&#x017F;t vielleicht vom deut&#x017F;chen<lb/><hi rendition="#g">Stoß,</hi> niederdeut&#x017F;ch <hi rendition="#g">Stoot,</hi> herzuleiten, welches auch eine ungezählte Menge,<lb/>
eine Anzahl in Pau&#x017F;ch und Bogen, bedeutet. Die Ableitung vom jüdi&#x017F;ch-<lb/>
deut&#x017F;chen <hi rendition="#g">Stuß</hi> oder <hi rendition="#g">Schtuß,</hi> Narrheit, Scherz, Po&#x017F;&#x017F;en, Bagatelle, &#x017F;cheint<lb/>
ge&#x017F;ucht und ohne rechten Sinn.</note> genannt. Vorausge&#x017F;etzt<lb/>
beim Schärfen oder Stoßen wird immer, daß der Schärfen&#x017F;pieler<lb/>
oder Stoßen&#x017F;pieler das gekaufte Gut als <hi rendition="#g">ge&#x017F;tohlen kennt.</hi></p><lb/>
              <p>Schon aus der Definition des Wortes Schärfen er&#x017F;ieht man,<lb/>
daß die Schärfen&#x017F;pieler <hi rendition="#g">platte Leute,</hi> d. h. vertraute Geno&#x017F;&#x017F;en<lb/>
der Gauner &#x017F;ind. Sie bilden in der That die allergefährlich&#x017F;te<lb/>
Kla&#x017F;&#x017F;e der Gauner, da &#x017F;ie durch Abnahme und Verwerthung der<lb/>
ge&#x017F;tohlenen Sachen dem Dieb&#x017F;tahl er&#x017F;t Werth und Jntere&#x017F;&#x017F;e ver-<lb/>
leihen. <note xml:id="seg2pn_43_1" next="#seg2pn_43_2" place="foot" n="2)">Die Gleichmäßigkeit die&#x017F;es Erwerbs mit dem Erwerbe des Diebes i&#x017F;t<lb/>
treffend durch den gemein&#x017F;amen Ausdruck <hi rendition="#g">verdienen</hi> bezeichnet, den &#x017F;owol</note> Die mei&#x017F;ten Schärfen&#x017F;pieler &#x017F;ind Gauner, welche früher<lb/><note xml:id="seg2pn_42_2" prev="#seg2pn_42_1" place="foot" n="2)">mung, die&#x017F;e oder jene Farbe bei den Färbe&#x017F;iegeln in Anwendung zu bringen.<lb/>
Die Durchführung die&#x017F;es Vor&#x017F;chlags i&#x017F;t jedoch &#x017F;chwierig und könnte den recht-<lb/>
mäßigen und ehrlichen Jnhaber eines Documents in arge Verlegenheit bringen,<lb/>
wenn ein unaufmerk&#x017F;amer Beamter einmal eine andere Farbe benutzen &#x017F;ollte,<lb/>
als die für die einfallende Zeit vertragsmäßig be&#x017F;timmt gewe&#x017F;ene.</note><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[316/0328] Neunundachtzigſtes Kapitel. n) Das Schärfen und Paſchen. Das Wort Schärfen iſt vom niederdeutſchen ſcherven, ſcharben (durch Transpoſition: ſchraben, ſchrapen), hacken, klein hacken, klein machen, herzuleiten, und hängt mit Scherf, Scherflein (ein halber Heller, uncia, aereolus, Schottelius, a. a. O., S. 1397, u. Stieler, a. a. O., S. 1737) zuſammen. Schärfen heißt in der Gaunerſprache die geſtohlenen Sachen im großen Ganzen (im Stooß) ankaufen und im einzelnen wieder verkaufen, zu Gelde machen, beſonders aber ankaufen, während für das Verkaufen ſolcher Sachen der Ausdruck verſchärfen ſprach- gebräuchlich iſt. Der Ankäufer wird Schärfenſpieler, nach neuerm Ausdrucke Stoßenſpieler 1) genannt. Vorausgeſetzt beim Schärfen oder Stoßen wird immer, daß der Schärfenſpieler oder Stoßenſpieler das gekaufte Gut als geſtohlen kennt. Schon aus der Definition des Wortes Schärfen erſieht man, daß die Schärfenſpieler platte Leute, d. h. vertraute Genoſſen der Gauner ſind. Sie bilden in der That die allergefährlichſte Klaſſe der Gauner, da ſie durch Abnahme und Verwerthung der geſtohlenen Sachen dem Diebſtahl erſt Werth und Jntereſſe ver- leihen. 2) Die meiſten Schärfenſpieler ſind Gauner, welche früher 2) 1) Von Stoßen, welches gleichbedeutend mit Schärfen iſt und mit dem Jüdiſch-Deutſchen in keiner Verbindung ſteht. Es iſt vielleicht vom deutſchen Stoß, niederdeutſch Stoot, herzuleiten, welches auch eine ungezählte Menge, eine Anzahl in Pauſch und Bogen, bedeutet. Die Ableitung vom jüdiſch- deutſchen Stuß oder Schtuß, Narrheit, Scherz, Poſſen, Bagatelle, ſcheint geſucht und ohne rechten Sinn. 2) Die Gleichmäßigkeit dieſes Erwerbs mit dem Erwerbe des Diebes iſt treffend durch den gemeinſamen Ausdruck verdienen bezeichnet, den ſowol 2) mung, dieſe oder jene Farbe bei den Färbeſiegeln in Anwendung zu bringen. Die Durchführung dieſes Vorſchlags iſt jedoch ſchwierig und könnte den recht- mäßigen und ehrlichen Jnhaber eines Documents in arge Verlegenheit bringen, wenn ein unaufmerkſamer Beamter einmal eine andere Farbe benutzen ſollte, als die für die einfallende Zeit vertragsmäßig beſtimmt geweſene.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858/328
Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858/328>, abgerufen am 19.04.2024.