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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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Stammes Kandich und Strom, ersteres wahrscheinlich von
Kante, kantig, von der Lage der Freudenhäuser an den Enden
oder Kanten der Städte, wie im Französischen le bordel von le
bord
abgeleitet sein mag; letzteres von strömen, Strömer, vagari,
vagabundus.
Mit dem jüdisch-deutschen Beth und Bos, Haus,
zusammengesetzt hat der Liber Vagatorum Gliedenbeth (bos),
Sonnebeth (bos), Schrefenbeth (bos). Specifisch jüdisch-deutsch
ist [fremdsprachliches Material - fehlt], Kübbe oder Kauwo (vgl. [fremdsprachliches Material - fehlt], Kippe, oben bei dem
Makkenen, Kap. 47.) Außerdem wird im Jüdisch-Deutschen der
Ausdruck Bestifle von [fremdsprachliches Material - fehlt] (tofel), ungesalzen, ungereimt, thö-
richt; Schofelbajis von [fremdsprachliches Material - fehlt] (schofel), niedrig gemein, und
Beskarge 1) gebraucht.

Die Penne oder Spiesse ist die Vereinigung alles moralischen
Elends, aller maßlosen Leidenschaft. Spiel, Hochzeitmachen, Buh-
lerei, Säuferei, Erzählungen verworfener Abenteuer und Händel,
Theilung und Verschärfung der Diebsbeute, Entwürfe neuer Pläne,
Zänkereien, Gewaltthaten und Raufereien wechseln in den dumpfen,
qualmenden, versteckten Räumen miteinander ab. Die wilden
Leidenschaften drängen sich, wie nach einer innern Nothwendigkeit,
zusammen auf dem Ruin aller Sitte und Zucht, sodaß sie sich
mit tödlicher Gewalt in die eine Richtung -- zur Vernichtung
der physischen Existenz -- vereinigt zu haben scheinen. Wer es
nicht von sich gewiesen hat, mit eigener persönlicher Gefahr das

1) Die Etymologie von Beskarge ist zweifelhaft. Wahrscheinlich kommt
es von [fremdsprachliches Material - fehlt] (korach), welches im Chaldäischen und Syrischen umhüllen, um-
wickeln
bedeutet, also geheimes, verstecktes Haus, Winkelbordell. Jn analoger
Weise findet man namentlich in den ehemaligen Reichsstädten treffende Be-
zeichnungen der Häuser für den geheimen, versteckten oder auch schmuzigen
Verkehr. So hieß noch im vorigen Jahrhundert in Hamburg ein am Ende
der Wallstraße belegenes Haus Slykuth (Schleich aus). Vgl. Richey, "Ham-
burger Jdiotikon", S. 262. Noch jetzt wird in Lübeck ein Haus de swatte
Pott
(schwarzer Topf), ein anderes de Smutt (der Schmuz), ein drittes
de Höll (die Hölle), ein viertes dat fette Elend, ein fünftes Halsen-
twei
(Hals entzwei), und endlich ein im Februar 1857 zusammengestürztes
Haus, eine frühere Bettlerherberge, de Pulterböhn (Polterboden) genannt.
Jn Basel heißt noch heute, wie schon erwähnt, eine Gasse die Lottergasse.

Stammes Kandich und Strom, erſteres wahrſcheinlich von
Kante, kantig, von der Lage der Freudenhäuſer an den Enden
oder Kanten der Städte, wie im Franzöſiſchen le bordel von le
bord
abgeleitet ſein mag; letzteres von ſtrömen, Strömer, vagari,
vagabundus.
Mit dem jüdiſch-deutſchen Beth und Bos, Haus,
zuſammengeſetzt hat der Liber Vagatorum Gliedenbeth (bos),
Sonnebeth (bos), Schrefenbeth (bos). Specifiſch jüdiſch-deutſch
iſt [fremdsprachliches Material – fehlt], Kübbe oder Kauwo (vgl. [fremdsprachliches Material – fehlt], Kippe, oben bei dem
Makkenen, Kap. 47.) Außerdem wird im Jüdiſch-Deutſchen der
Ausdruck Bestifle von [fremdsprachliches Material – fehlt] (tofel), ungeſalzen, ungereimt, thö-
richt; Schofelbajis von [fremdsprachliches Material – fehlt] (schofel), niedrig gemein, und
Beskarge 1) gebraucht.

Die Penne oder Spieſſe iſt die Vereinigung alles moraliſchen
Elends, aller maßloſen Leidenſchaft. Spiel, Hochzeitmachen, Buh-
lerei, Säuferei, Erzählungen verworfener Abenteuer und Händel,
Theilung und Verſchärfung der Diebsbeute, Entwürfe neuer Pläne,
Zänkereien, Gewaltthaten und Raufereien wechſeln in den dumpfen,
qualmenden, verſteckten Räumen miteinander ab. Die wilden
Leidenſchaften drängen ſich, wie nach einer innern Nothwendigkeit,
zuſammen auf dem Ruin aller Sitte und Zucht, ſodaß ſie ſich
mit tödlicher Gewalt in die eine Richtung — zur Vernichtung
der phyſiſchen Exiſtenz — vereinigt zu haben ſcheinen. Wer es
nicht von ſich gewieſen hat, mit eigener perſönlicher Gefahr das

1) Die Etymologie von Beskarge iſt zweifelhaft. Wahrſcheinlich kommt
es von [fremdsprachliches Material – fehlt] (korach), welches im Chaldäiſchen und Syriſchen umhüllen, um-
wickeln
bedeutet, alſo geheimes, verſtecktes Haus, Winkelbordell. Jn analoger
Weiſe findet man namentlich in den ehemaligen Reichsſtädten treffende Be-
zeichnungen der Häuſer für den geheimen, verſteckten oder auch ſchmuzigen
Verkehr. So hieß noch im vorigen Jahrhundert in Hamburg ein am Ende
der Wallſtraße belegenes Haus Slykuth (Schleich aus). Vgl. Richey, „Ham-
burger Jdiotikon“, S. 262. Noch jetzt wird in Lübeck ein Haus de ſwatte
Pott
(ſchwarzer Topf), ein anderes de Smutt (der Schmuz), ein drittes
de Höll (die Hölle), ein viertes dat fette Elend, ein fünftes Halsen-
twei
(Hals entzwei), und endlich ein im Februar 1857 zuſammengeſtürztes
Haus, eine frühere Bettlerherberge, de Pulterböhn (Polterboden) genannt.
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[332/0344] Stammes Kandich und Strom, erſteres wahrſcheinlich von Kante, kantig, von der Lage der Freudenhäuſer an den Enden oder Kanten der Städte, wie im Franzöſiſchen le bordel von le bord abgeleitet ſein mag; letzteres von ſtrömen, Strömer, vagari, vagabundus. Mit dem jüdiſch-deutſchen Beth und Bos, Haus, zuſammengeſetzt hat der Liber Vagatorum Gliedenbeth (bos), Sonnebeth (bos), Schrefenbeth (bos). Specifiſch jüdiſch-deutſch iſt _ , Kübbe oder Kauwo (vgl. _ , Kippe, oben bei dem Makkenen, Kap. 47.) Außerdem wird im Jüdiſch-Deutſchen der Ausdruck Bestifle von _ (tofel), ungeſalzen, ungereimt, thö- richt; Schofelbajis von _ (schofel), niedrig gemein, und Beskarge 1) gebraucht. Die Penne oder Spieſſe iſt die Vereinigung alles moraliſchen Elends, aller maßloſen Leidenſchaft. Spiel, Hochzeitmachen, Buh- lerei, Säuferei, Erzählungen verworfener Abenteuer und Händel, Theilung und Verſchärfung der Diebsbeute, Entwürfe neuer Pläne, Zänkereien, Gewaltthaten und Raufereien wechſeln in den dumpfen, qualmenden, verſteckten Räumen miteinander ab. Die wilden Leidenſchaften drängen ſich, wie nach einer innern Nothwendigkeit, zuſammen auf dem Ruin aller Sitte und Zucht, ſodaß ſie ſich mit tödlicher Gewalt in die eine Richtung — zur Vernichtung der phyſiſchen Exiſtenz — vereinigt zu haben ſcheinen. Wer es nicht von ſich gewieſen hat, mit eigener perſönlicher Gefahr das 1) Die Etymologie von Beskarge iſt zweifelhaft. Wahrſcheinlich kommt es von _ (korach), welches im Chaldäiſchen und Syriſchen umhüllen, um- wickeln bedeutet, alſo geheimes, verſtecktes Haus, Winkelbordell. Jn analoger Weiſe findet man namentlich in den ehemaligen Reichsſtädten treffende Be- zeichnungen der Häuſer für den geheimen, verſteckten oder auch ſchmuzigen Verkehr. So hieß noch im vorigen Jahrhundert in Hamburg ein am Ende der Wallſtraße belegenes Haus Slykuth (Schleich aus). Vgl. Richey, „Ham- burger Jdiotikon“, S. 262. Noch jetzt wird in Lübeck ein Haus de ſwatte Pott (ſchwarzer Topf), ein anderes de Smutt (der Schmuz), ein drittes de Höll (die Hölle), ein viertes dat fette Elend, ein fünftes Halsen- twei (Hals entzwei), und endlich ein im Februar 1857 zuſammengeſtürztes Haus, eine frühere Bettlerherberge, de Pulterböhn (Polterboden) genannt. Jn Baſel heißt noch heute, wie ſchon erwähnt, eine Gaſſe die Lottergaſſe.

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 332. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858/344>, abgerufen am 22.11.2024.