Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858.Stammes Kandich und Strom, ersteres wahrscheinlich von Die Penne oder Spiesse ist die Vereinigung alles moralischen 1) Die Etymologie von Beskarge ist zweifelhaft. Wahrscheinlich kommt
es von [fremdsprachliches Material - fehlt] (korach), welches im Chaldäischen und Syrischen umhüllen, um- wickeln bedeutet, also geheimes, verstecktes Haus, Winkelbordell. Jn analoger Weise findet man namentlich in den ehemaligen Reichsstädten treffende Be- zeichnungen der Häuser für den geheimen, versteckten oder auch schmuzigen Verkehr. So hieß noch im vorigen Jahrhundert in Hamburg ein am Ende der Wallstraße belegenes Haus Slykuth (Schleich aus). Vgl. Richey, "Ham- burger Jdiotikon", S. 262. Noch jetzt wird in Lübeck ein Haus de swatte Pott (schwarzer Topf), ein anderes de Smutt (der Schmuz), ein drittes de Höll (die Hölle), ein viertes dat fette Elend, ein fünftes Halsen- twei (Hals entzwei), und endlich ein im Februar 1857 zusammengestürztes Haus, eine frühere Bettlerherberge, de Pulterböhn (Polterboden) genannt. Jn Basel heißt noch heute, wie schon erwähnt, eine Gasse die Lottergasse. Stammes Kandich und Strom, erſteres wahrſcheinlich von Die Penne oder Spieſſe iſt die Vereinigung alles moraliſchen 1) Die Etymologie von Beskarge iſt zweifelhaft. Wahrſcheinlich kommt
es von [fremdsprachliches Material – fehlt] (korach), welches im Chaldäiſchen und Syriſchen umhüllen, um- wickeln bedeutet, alſo geheimes, verſtecktes Haus, Winkelbordell. Jn analoger Weiſe findet man namentlich in den ehemaligen Reichsſtädten treffende Be- zeichnungen der Häuſer für den geheimen, verſteckten oder auch ſchmuzigen Verkehr. So hieß noch im vorigen Jahrhundert in Hamburg ein am Ende der Wallſtraße belegenes Haus Slykuth (Schleich aus). Vgl. Richey, „Ham- burger Jdiotikon“, S. 262. Noch jetzt wird in Lübeck ein Haus de ſwatte Pott (ſchwarzer Topf), ein anderes de Smutt (der Schmuz), ein drittes de Höll (die Hölle), ein viertes dat fette Elend, ein fünftes Halsen- twei (Hals entzwei), und endlich ein im Februar 1857 zuſammengeſtürztes Haus, eine frühere Bettlerherberge, de Pulterböhn (Polterboden) genannt. Jn Baſel heißt noch heute, wie ſchon erwähnt, eine Gaſſe die Lottergaſſe. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0344" n="332"/> Stammes <hi rendition="#g">Kandich</hi> und <hi rendition="#g">Strom,</hi> erſteres wahrſcheinlich von<lb/><hi rendition="#g">Kante, kantig,</hi> von der Lage der Freudenhäuſer an den Enden<lb/> oder Kanten der Städte, wie im Franzöſiſchen <hi rendition="#aq">le bordel</hi> von <hi rendition="#aq">le<lb/> bord</hi> abgeleitet ſein mag; letzteres von <hi rendition="#g">ſtrömen, Strömer,</hi> <hi rendition="#aq">vagari,<lb/> vagabundus.</hi> Mit dem jüdiſch-deutſchen <hi rendition="#g">Beth</hi> und <hi rendition="#g">Bos,</hi> Haus,<lb/> zuſammengeſetzt hat der <hi rendition="#aq">Liber Vagatorum</hi> <hi rendition="#g">Gliedenbeth</hi> (bos),<lb/><hi rendition="#g">Sonnebeth</hi> (bos), <hi rendition="#g">Schrefenbeth</hi> (bos). Specifiſch jüdiſch-deutſch<lb/> iſt <gap reason="fm" unit="words"/>, <hi rendition="#g">Kübbe</hi> oder <hi rendition="#g">Kauwo</hi> (vgl. <gap reason="fm" unit="words"/>, Kippe, oben bei dem<lb/><hi rendition="#g">Makkenen,</hi> Kap. 47.) Außerdem wird im Jüdiſch-Deutſchen der<lb/> Ausdruck <hi rendition="#g">Bestifle</hi> von <gap reason="fm" unit="words"/> (<hi rendition="#aq">tofel</hi>), ungeſalzen, ungereimt, thö-<lb/> richt; <hi rendition="#g">Schofelbajis</hi> von <gap reason="fm" unit="words"/> (<hi rendition="#aq">schofel</hi>), niedrig gemein, und<lb/><hi rendition="#g">Beskarge</hi> <note place="foot" n="1)">Die Etymologie von <hi rendition="#g">Beskarge</hi> iſt zweifelhaft. Wahrſcheinlich kommt<lb/> es von <gap reason="fm" unit="words"/> (<hi rendition="#aq">korach</hi>), welches im Chaldäiſchen und Syriſchen <hi rendition="#g">umhüllen, um-<lb/> wickeln</hi> bedeutet, alſo geheimes, verſtecktes Haus, Winkelbordell. Jn analoger<lb/> Weiſe findet man namentlich in den ehemaligen Reichsſtädten treffende Be-<lb/> zeichnungen der Häuſer für den geheimen, verſteckten oder auch ſchmuzigen<lb/> Verkehr. So hieß noch im vorigen Jahrhundert in Hamburg ein am Ende<lb/> der Wallſtraße belegenes Haus <hi rendition="#g">Slykuth</hi> (Schleich aus). Vgl. Richey, „Ham-<lb/> burger Jdiotikon“, S. 262. Noch jetzt wird in Lübeck ein Haus <hi rendition="#g">de ſwatte<lb/> Pott</hi> (ſchwarzer Topf), ein anderes <hi rendition="#g">de Smutt</hi> (der Schmuz), ein drittes<lb/><hi rendition="#g">de Höll</hi> (die Hölle), ein viertes <hi rendition="#g">dat fette Elend,</hi> ein fünftes <hi rendition="#g">Halsen-<lb/> twei</hi> (Hals entzwei), und endlich ein im Februar 1857 zuſammengeſtürztes<lb/> Haus, eine frühere Bettlerherberge, <hi rendition="#g">de Pulterböhn</hi> (Polterboden) genannt.<lb/> Jn Baſel heißt noch heute, wie ſchon erwähnt, eine Gaſſe <hi rendition="#g">die Lottergaſſe.</hi></note> gebraucht.</p><lb/> <p>Die Penne oder Spieſſe iſt die Vereinigung alles moraliſchen<lb/> Elends, aller maßloſen Leidenſchaft. Spiel, Hochzeitmachen, Buh-<lb/> lerei, Säuferei, Erzählungen verworfener Abenteuer und Händel,<lb/> Theilung und Verſchärfung der Diebsbeute, Entwürfe neuer Pläne,<lb/> Zänkereien, Gewaltthaten und Raufereien wechſeln in den dumpfen,<lb/> qualmenden, verſteckten Räumen miteinander ab. Die wilden<lb/> Leidenſchaften drängen ſich, wie nach einer innern Nothwendigkeit,<lb/> zuſammen auf dem Ruin aller Sitte und Zucht, ſodaß ſie ſich<lb/> mit tödlicher Gewalt in die eine Richtung — zur Vernichtung<lb/> der phyſiſchen Exiſtenz — vereinigt zu haben ſcheinen. Wer es<lb/> nicht von ſich gewieſen hat, mit eigener perſönlicher Gefahr das<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [332/0344]
Stammes Kandich und Strom, erſteres wahrſcheinlich von
Kante, kantig, von der Lage der Freudenhäuſer an den Enden
oder Kanten der Städte, wie im Franzöſiſchen le bordel von le
bord abgeleitet ſein mag; letzteres von ſtrömen, Strömer, vagari,
vagabundus. Mit dem jüdiſch-deutſchen Beth und Bos, Haus,
zuſammengeſetzt hat der Liber Vagatorum Gliedenbeth (bos),
Sonnebeth (bos), Schrefenbeth (bos). Specifiſch jüdiſch-deutſch
iſt _ , Kübbe oder Kauwo (vgl. _ , Kippe, oben bei dem
Makkenen, Kap. 47.) Außerdem wird im Jüdiſch-Deutſchen der
Ausdruck Bestifle von _ (tofel), ungeſalzen, ungereimt, thö-
richt; Schofelbajis von _ (schofel), niedrig gemein, und
Beskarge 1) gebraucht.
Die Penne oder Spieſſe iſt die Vereinigung alles moraliſchen
Elends, aller maßloſen Leidenſchaft. Spiel, Hochzeitmachen, Buh-
lerei, Säuferei, Erzählungen verworfener Abenteuer und Händel,
Theilung und Verſchärfung der Diebsbeute, Entwürfe neuer Pläne,
Zänkereien, Gewaltthaten und Raufereien wechſeln in den dumpfen,
qualmenden, verſteckten Räumen miteinander ab. Die wilden
Leidenſchaften drängen ſich, wie nach einer innern Nothwendigkeit,
zuſammen auf dem Ruin aller Sitte und Zucht, ſodaß ſie ſich
mit tödlicher Gewalt in die eine Richtung — zur Vernichtung
der phyſiſchen Exiſtenz — vereinigt zu haben ſcheinen. Wer es
nicht von ſich gewieſen hat, mit eigener perſönlicher Gefahr das
1) Die Etymologie von Beskarge iſt zweifelhaft. Wahrſcheinlich kommt
es von _ (korach), welches im Chaldäiſchen und Syriſchen umhüllen, um-
wickeln bedeutet, alſo geheimes, verſtecktes Haus, Winkelbordell. Jn analoger
Weiſe findet man namentlich in den ehemaligen Reichsſtädten treffende Be-
zeichnungen der Häuſer für den geheimen, verſteckten oder auch ſchmuzigen
Verkehr. So hieß noch im vorigen Jahrhundert in Hamburg ein am Ende
der Wallſtraße belegenes Haus Slykuth (Schleich aus). Vgl. Richey, „Ham-
burger Jdiotikon“, S. 262. Noch jetzt wird in Lübeck ein Haus de ſwatte
Pott (ſchwarzer Topf), ein anderes de Smutt (der Schmuz), ein drittes
de Höll (die Hölle), ein viertes dat fette Elend, ein fünftes Halsen-
twei (Hals entzwei), und endlich ein im Februar 1857 zuſammengeſtürztes
Haus, eine frühere Bettlerherberge, de Pulterböhn (Polterboden) genannt.
Jn Baſel heißt noch heute, wie ſchon erwähnt, eine Gaſſe die Lottergaſſe.
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