Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858.bezeichnen, so ist doch die mit dieser geheimen Prostitution ver- So verderblich nun auch diese geheime Prostitution auf die 1) So habe ich z. B. gerade jetzt, während vorliegendes Werk gedruckt
wird, in einer schweren Untersuchung beiläufig die trübselige Entdeckung gemacht, daß ein vom Bordellwirth zum Commissionär heruntergekommener Ehemann aus einer benachbarten großen Stadt sein neun Jahre mit ihm verhei- rathetes Weib mit falschen Legitimationen und Namen als Bordelldirne bei einem hiesigen Bordellwirth untergebracht, und diesem dabei eine beträchtliche Geldsumme als angebliche "Schulden" der verworfenen Person "im vorigen Bordell" abgeschwindelt, auch wenige Wochen darauf seine Schwiegerin mit gleichem Betruge in dasselbe Bordell untergebracht hatte! bezeichnen, ſo iſt doch die mit dieſer geheimen Proſtitution ver- So verderblich nun auch dieſe geheime Proſtitution auf die 1) So habe ich z. B. gerade jetzt, während vorliegendes Werk gedruckt
wird, in einer ſchweren Unterſuchung beiläufig die trübſelige Entdeckung gemacht, daß ein vom Bordellwirth zum Commiſſionär heruntergekommener Ehemann aus einer benachbarten großen Stadt ſein neun Jahre mit ihm verhei- rathetes Weib mit falſchen Legitimationen und Namen als Bordelldirne bei einem hieſigen Bordellwirth untergebracht, und dieſem dabei eine beträchtliche Geldſumme als angebliche „Schulden“ der verworfenen Perſon „im vorigen Bordell“ abgeſchwindelt, auch wenige Wochen darauf ſeine Schwiegerin mit gleichem Betruge in daſſelbe Bordell untergebracht hatte! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0346" n="334"/> bezeichnen, ſo iſt doch die mit dieſer geheimen Proſtitution ver-<lb/> bundene Gefahr der ſyphilitiſchen Anſteckung ſehr groß, und deſto<lb/> bedenklicher, da der Jnficirte den Herd der Jnfection nur ſelten<lb/> nachzuweiſen weiß oder wagt. Alle ſanitätspolizeiliche Aufſicht<lb/> und Strenge in den conceſſionirten Bordells iſt überall da para-<lb/> lyſirt, wo nicht die ſtrengſte Aufſicht und Ausrottung des ſoge-<lb/> nannten <hi rendition="#g">Striches</hi> gelingt. Die Syphilis wird bei weitem mehr<lb/><hi rendition="#g">in</hi> die Bordells getragen, als <hi rendition="#g">aus</hi> denſelben heraus.</p><lb/> <p>So verderblich nun auch dieſe geheime Proſtitution auf die<lb/> bürgerliche Geſellſchaft einwirkt, ſo hat doch die conceſſionirte<lb/> Proſtitution, mit welcher die Sittenloſigkeit ſo gut ſtatuirt, wie in<lb/> eine, freilich nur ſehr trügeriſche, äußere Schranke gebannt iſt, ebenſo<lb/> gefährliche Folgen. Die <hi rendition="#g">Bordellwirthſchaft</hi> iſt unbedingt <hi rendition="#g">als<lb/> ein integrirender Jnduſtriezweig des Gaunerthums</hi><lb/> anzuſehen. Die Bordellwirthe treiben unter den Augen der „Sitten-<lb/> polizei“ einen lucrativen Handel, der ſich kaum vom Sklavenhandel<lb/> unterſcheidet, und für deſſen Zufuhr Kuppler, Commiſſionäre,<lb/> Mäkler, Verſchickfrauen und Reiſende mit den infamſten, meiſtens<lb/> von den Wirthen angegebenen und bezahlten Jntriguen und<lb/> Künſten ſorgen. <note place="foot" n="1)">So habe ich z. B. gerade jetzt, während vorliegendes Werk gedruckt<lb/> wird, in einer ſchweren Unterſuchung beiläufig die trübſelige Entdeckung gemacht,<lb/> daß ein vom Bordellwirth zum Commiſſionär heruntergekommener Ehemann<lb/> aus einer benachbarten großen Stadt <hi rendition="#g">ſein neun Jahre mit ihm verhei-<lb/> rathetes Weib</hi> mit falſchen Legitimationen und Namen als Bordelldirne<lb/> bei einem hieſigen Bordellwirth untergebracht, und dieſem dabei eine beträchtliche<lb/> Geldſumme als angebliche „Schulden“ der verworfenen Perſon „im vorigen<lb/> Bordell“ abgeſchwindelt, auch wenige Wochen darauf ſeine Schwiegerin mit<lb/> gleichem Betruge in daſſelbe Bordell untergebracht hatte!</note> Die Verworfenheit der Proſtitution liegt viel<lb/> mehr in ihrer künſtlichen Beförderung, als in der Preisgebung<lb/> ſelbſt, bei welcher doch immer die Gewalt irgendeiner menſchlichen<lb/> Leidenſchaft zu Grunde liegt, während jene nur mit kalter Be-<lb/> rechnung ſpeculirt. Bei aller Sinnlichkeit, Täuſchung, Leichtfertig-<lb/> keit, Verführung und Noth, welche ein weibliches Geſchöpf in das<lb/> Bordell geführt hat, läßt ſich doch noch ein Ziel und Ende hoffen:<lb/> alles ſcheitert aber an der <hi rendition="#g">künſtlichen materiellen Noth und<lb/></hi></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [334/0346]
bezeichnen, ſo iſt doch die mit dieſer geheimen Proſtitution ver-
bundene Gefahr der ſyphilitiſchen Anſteckung ſehr groß, und deſto
bedenklicher, da der Jnficirte den Herd der Jnfection nur ſelten
nachzuweiſen weiß oder wagt. Alle ſanitätspolizeiliche Aufſicht
und Strenge in den conceſſionirten Bordells iſt überall da para-
lyſirt, wo nicht die ſtrengſte Aufſicht und Ausrottung des ſoge-
nannten Striches gelingt. Die Syphilis wird bei weitem mehr
in die Bordells getragen, als aus denſelben heraus.
So verderblich nun auch dieſe geheime Proſtitution auf die
bürgerliche Geſellſchaft einwirkt, ſo hat doch die conceſſionirte
Proſtitution, mit welcher die Sittenloſigkeit ſo gut ſtatuirt, wie in
eine, freilich nur ſehr trügeriſche, äußere Schranke gebannt iſt, ebenſo
gefährliche Folgen. Die Bordellwirthſchaft iſt unbedingt als
ein integrirender Jnduſtriezweig des Gaunerthums
anzuſehen. Die Bordellwirthe treiben unter den Augen der „Sitten-
polizei“ einen lucrativen Handel, der ſich kaum vom Sklavenhandel
unterſcheidet, und für deſſen Zufuhr Kuppler, Commiſſionäre,
Mäkler, Verſchickfrauen und Reiſende mit den infamſten, meiſtens
von den Wirthen angegebenen und bezahlten Jntriguen und
Künſten ſorgen. 1) Die Verworfenheit der Proſtitution liegt viel
mehr in ihrer künſtlichen Beförderung, als in der Preisgebung
ſelbſt, bei welcher doch immer die Gewalt irgendeiner menſchlichen
Leidenſchaft zu Grunde liegt, während jene nur mit kalter Be-
rechnung ſpeculirt. Bei aller Sinnlichkeit, Täuſchung, Leichtfertig-
keit, Verführung und Noth, welche ein weibliches Geſchöpf in das
Bordell geführt hat, läßt ſich doch noch ein Ziel und Ende hoffen:
alles ſcheitert aber an der künſtlichen materiellen Noth und
1) So habe ich z. B. gerade jetzt, während vorliegendes Werk gedruckt
wird, in einer ſchweren Unterſuchung beiläufig die trübſelige Entdeckung gemacht,
daß ein vom Bordellwirth zum Commiſſionär heruntergekommener Ehemann
aus einer benachbarten großen Stadt ſein neun Jahre mit ihm verhei-
rathetes Weib mit falſchen Legitimationen und Namen als Bordelldirne
bei einem hieſigen Bordellwirth untergebracht, und dieſem dabei eine beträchtliche
Geldſumme als angebliche „Schulden“ der verworfenen Perſon „im vorigen
Bordell“ abgeſchwindelt, auch wenige Wochen darauf ſeine Schwiegerin mit
gleichem Betruge in daſſelbe Bordell untergebracht hatte!
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