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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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bei der Polizei zu melden, während sie dabei den Bordellwirth, in
dessen Hause der Verbrecher in ungestörter Ruhe schläft, von der
Meldung befreit. 1) Das leider einmal als schmähliche Nothwen-
digkeit statuirte Uebel muß aber auch mindestens als Uebel erkannt
und strenge in den Grenzen der so statuirten Nothwendigkeit
gehalten und behandelt werden. Auch muß das Uebel und sein
Walten mindestens dem in allen seinen Formen und Consequenzen
bekannt sein, welcher das Uebel überwachen soll, nicht allein dem
Wirth und der Dirne, welche das Uebel repräsentiren und aus-
beuten, und bei ihren wöchentlichen Abrechnungen mit großer Ge-
nauigkeit jeden Gast nennen und den Betrag seiner Zahlung
gegeneinander aufrechnen können. Die Bereitschaft der Wirthe
vor der Behörde, sei es infolge von Streitigkeiten, oder infolge
einer kategorischen Aufforderung, ihre geheimen Listen vorzulegen,
hat schon manche große Ueberraschung bereitet, und endlich doch
überzeugt, daß gerade in den Bordells die allergeringste Discretion
waltet, an welche der liederliche verhüllte Gast so sicher glaubte.
Für den erfahrenen Polizeimann, welcher in den Bordells mehr
als den bloßen Herd der Liederlichkeit findet, muß daher endlich
die bisher geübte, ohnehin bei der ganzen bestehenden Bordellein-
richtung, und namentlich bei der herrschenden leichtfertigen Toleranz
der ganzen modernen materiellen Richtung gar keine Geltung mehr
habende, bis zur Erniedrigung gefällige und servile Discretion von
Seiten der Polizei als eine arge Schwäche erscheinen, und dagegen
sich die Nothwendigkeit einer ganz andern Einrichtung und Con-
trole der Bordells aufdrängen, um das leider geduldete Uebel in
fester Beschränkung und Bändigung zu halten. 2)

1) Sehr strenge ist Art. 73 des Code penal gegen die aubergistes und
hoteliers. Welche Resultate würde eine analoge Strenge gegen die Bordell-
wirthe liefern! Vgl. Art. 154 des Code.
2) Vgl. Dr. Wichern in der "Evangelischen Kirchenzeitung" (Berlin 1851,
Nr. 55), besonders S. 518 u. 519; Dr. Phil. Loewe, "Die Prostitution
aller Zeiten und Völker" (Berlin 1852); Th. Bade, "Ueber den Verfall der
Sitten in den großen Städten" (Berlin 1857). Vgl. noch: Dr. A. W. F.
Schultz, "Die Stellung des Staates zur Prostitution" (Berlin 1857). Wie
doch ganz anders ist das Verhältniß des christlichen Staats zur Prostitution,
Ave-Lallemant, Gaunerthum. II. 22

bei der Polizei zu melden, während ſie dabei den Bordellwirth, in
deſſen Hauſe der Verbrecher in ungeſtörter Ruhe ſchläft, von der
Meldung befreit. 1) Das leider einmal als ſchmähliche Nothwen-
digkeit ſtatuirte Uebel muß aber auch mindeſtens als Uebel erkannt
und ſtrenge in den Grenzen der ſo ſtatuirten Nothwendigkeit
gehalten und behandelt werden. Auch muß das Uebel und ſein
Walten mindeſtens dem in allen ſeinen Formen und Conſequenzen
bekannt ſein, welcher das Uebel überwachen ſoll, nicht allein dem
Wirth und der Dirne, welche das Uebel repräſentiren und aus-
beuten, und bei ihren wöchentlichen Abrechnungen mit großer Ge-
nauigkeit jeden Gaſt nennen und den Betrag ſeiner Zahlung
gegeneinander aufrechnen können. Die Bereitſchaft der Wirthe
vor der Behörde, ſei es infolge von Streitigkeiten, oder infolge
einer kategoriſchen Aufforderung, ihre geheimen Liſten vorzulegen,
hat ſchon manche große Ueberraſchung bereitet, und endlich doch
überzeugt, daß gerade in den Bordells die allergeringſte Discretion
waltet, an welche der liederliche verhüllte Gaſt ſo ſicher glaubte.
Für den erfahrenen Polizeimann, welcher in den Bordells mehr
als den bloßen Herd der Liederlichkeit findet, muß daher endlich
die bisher geübte, ohnehin bei der ganzen beſtehenden Bordellein-
richtung, und namentlich bei der herrſchenden leichtfertigen Toleranz
der ganzen modernen materiellen Richtung gar keine Geltung mehr
habende, bis zur Erniedrigung gefällige und ſervile Discretion von
Seiten der Polizei als eine arge Schwäche erſcheinen, und dagegen
ſich die Nothwendigkeit einer ganz andern Einrichtung und Con-
trole der Bordells aufdrängen, um das leider geduldete Uebel in
feſter Beſchränkung und Bändigung zu halten. 2)

1) Sehr ſtrenge iſt Art. 73 des Code pénal gegen die aubergistes und
hôteliers. Welche Reſultate würde eine analoge Strenge gegen die Bordell-
wirthe liefern! Vgl. Art. 154 des Code.
2) Vgl. Dr. Wichern in der „Evangeliſchen Kirchenzeitung“ (Berlin 1851,
Nr. 55), beſonders S. 518 u. 519; Dr. Phil. Loewe, „Die Proſtitution
aller Zeiten und Völker“ (Berlin 1852); Th. Bade, „Ueber den Verfall der
Sitten in den großen Städten“ (Berlin 1857). Vgl. noch: Dr. A. W. F.
Schultz, „Die Stellung des Staates zur Proſtitution“ (Berlin 1857). Wie
doch ganz anders iſt das Verhältniß des chriſtlichen Staats zur Proſtitution,
Avé-Lallemant, Gaunerthum. II. 22
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[337/0349] bei der Polizei zu melden, während ſie dabei den Bordellwirth, in deſſen Hauſe der Verbrecher in ungeſtörter Ruhe ſchläft, von der Meldung befreit. 1) Das leider einmal als ſchmähliche Nothwen- digkeit ſtatuirte Uebel muß aber auch mindeſtens als Uebel erkannt und ſtrenge in den Grenzen der ſo ſtatuirten Nothwendigkeit gehalten und behandelt werden. Auch muß das Uebel und ſein Walten mindeſtens dem in allen ſeinen Formen und Conſequenzen bekannt ſein, welcher das Uebel überwachen ſoll, nicht allein dem Wirth und der Dirne, welche das Uebel repräſentiren und aus- beuten, und bei ihren wöchentlichen Abrechnungen mit großer Ge- nauigkeit jeden Gaſt nennen und den Betrag ſeiner Zahlung gegeneinander aufrechnen können. Die Bereitſchaft der Wirthe vor der Behörde, ſei es infolge von Streitigkeiten, oder infolge einer kategoriſchen Aufforderung, ihre geheimen Liſten vorzulegen, hat ſchon manche große Ueberraſchung bereitet, und endlich doch überzeugt, daß gerade in den Bordells die allergeringſte Discretion waltet, an welche der liederliche verhüllte Gaſt ſo ſicher glaubte. Für den erfahrenen Polizeimann, welcher in den Bordells mehr als den bloßen Herd der Liederlichkeit findet, muß daher endlich die bisher geübte, ohnehin bei der ganzen beſtehenden Bordellein- richtung, und namentlich bei der herrſchenden leichtfertigen Toleranz der ganzen modernen materiellen Richtung gar keine Geltung mehr habende, bis zur Erniedrigung gefällige und ſervile Discretion von Seiten der Polizei als eine arge Schwäche erſcheinen, und dagegen ſich die Nothwendigkeit einer ganz andern Einrichtung und Con- trole der Bordells aufdrängen, um das leider geduldete Uebel in feſter Beſchränkung und Bändigung zu halten. 2) 1) Sehr ſtrenge iſt Art. 73 des Code pénal gegen die aubergistes und hôteliers. Welche Reſultate würde eine analoge Strenge gegen die Bordell- wirthe liefern! Vgl. Art. 154 des Code. 2) Vgl. Dr. Wichern in der „Evangeliſchen Kirchenzeitung“ (Berlin 1851, Nr. 55), beſonders S. 518 u. 519; Dr. Phil. Loewe, „Die Proſtitution aller Zeiten und Völker“ (Berlin 1852); Th. Bade, „Ueber den Verfall der Sitten in den großen Städten“ (Berlin 1857). Vgl. noch: Dr. A. W. F. Schultz, „Die Stellung des Staates zur Proſtitution“ (Berlin 1857). Wie doch ganz anders iſt das Verhältniß des chriſtlichen Staats zur Proſtitution, Avé-Lallemant, Gaunerthum. II. 22

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 337. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858/349>, abgerufen am 21.11.2024.