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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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anfänglich kümmerlichen Bewegung dieser neuen königlichen Polizei,
der Umstand unbeachtet, daß diese Polizei mit der freilich schon
lange arg verkümmerten, aber immer noch rettungsfähigen fran-
zösischen Volksthümlichkeit in ebenso grellem Widerspruch stand,
als sie dem absoluten Königthum zu entsprechen schien, und daß
die Stellung des güterärmern Adels, welcher besonders mit der
Verwaltung bedacht wurde, nichts anderes war, als die Ministeria-
lität der alten fränkischen Könige in einer neuen gefährlichen
Auflage. So trat die französische Polizei nicht als befreundete
segensvolle Ordnung in das Volk hinein, sondern fremd und
feindlich dem Volke gegenüber 1), wie im Jahre 1852 ein deut-
scher Polizeimann, so unwahr wie schmachvoll, auch von der deut-
schen Polizei sagte, daß "die Polizei nun einmal ihrer Natur
nach in stetem Kriege mit jedem Einzelnen im Staate lebe!"
Diese Verwaltung Ludwig's XIV. war nicht anders vorgebildet
und nothwendig geworden als durch das mehrhundertjährige
Streben der Könige nach absoluter Gewalt. Diese Verwaltungs-
form war eine rationell construirte Erfindung der Politik; sie
hatte bei ihrer Einsetzung kein anderes Leben als das königliche
Werde, und keinen weitern Lebensunterhalt, als im geheimen
Wucher der Bureaukratie, die wie ein giftiges Gewächs heimlich
durch alle Fugen und Mauern des Staatsgebäudes schlich und
den Verband des ganzen Gebäudes lockerte. So konnte diese
Polizei nicht einmal der vor ihren Augen in allen Schichten des

1) Auf die Zerrüttung im französischen Staatswesen wies Helvetius in
seinem Buche "De l'homme" hin, behauptend, Frankreich könne nur durch
eine Eroberung gerettet werden, denn die Form der Verwaltung und der Po-
lizei führe unfehlbar a un abrutissement total. Vgl. Schlosser, "Geschichte
des 18. Jahrhunderts", II, 534. -- Rousseau schrieb 1760: "Nous appro-
chons de l'etat de crise et du siecle des revolutions.
" Vgl. B. J. B.
Buchez und P. C. Roux, "Histoire de la revolution francaise", I, 161.
-- Der frivole Voltaire, im Gefühl des Ruins, den er selbst so gewaltig her-
beiführen half, schrieb am 2. April 1764 an Chauvelin: "Tout ce que je
vois, jete les semences d'une revolution, qui arrivera immanquablement,
et dont je n'aurai pas le plaisir (!) d'etre temoin.
" Vgl. Wachsmuth, "Ge-
schichte Frankreichs im Revolutions-Zeitalter", I, 4.

anfänglich kümmerlichen Bewegung dieſer neuen königlichen Polizei,
der Umſtand unbeachtet, daß dieſe Polizei mit der freilich ſchon
lange arg verkümmerten, aber immer noch rettungsfähigen fran-
zöſiſchen Volksthümlichkeit in ebenſo grellem Widerſpruch ſtand,
als ſie dem abſoluten Königthum zu entſprechen ſchien, und daß
die Stellung des güterärmern Adels, welcher beſonders mit der
Verwaltung bedacht wurde, nichts anderes war, als die Miniſteria-
lität der alten fränkiſchen Könige in einer neuen gefährlichen
Auflage. So trat die franzöſiſche Polizei nicht als befreundete
ſegensvolle Ordnung in das Volk hinein, ſondern fremd und
feindlich dem Volke gegenüber 1), wie im Jahre 1852 ein deut-
ſcher Polizeimann, ſo unwahr wie ſchmachvoll, auch von der deut-
ſchen Polizei ſagte, daß „die Polizei nun einmal ihrer Natur
nach in ſtetem Kriege mit jedem Einzelnen im Staate lebe!“
Dieſe Verwaltung Ludwig’s XIV. war nicht anders vorgebildet
und nothwendig geworden als durch das mehrhundertjährige
Streben der Könige nach abſoluter Gewalt. Dieſe Verwaltungs-
form war eine rationell conſtruirte Erfindung der Politik; ſie
hatte bei ihrer Einſetzung kein anderes Leben als das königliche
Werde, und keinen weitern Lebensunterhalt, als im geheimen
Wucher der Bureaukratie, die wie ein giftiges Gewächs heimlich
durch alle Fugen und Mauern des Staatsgebäudes ſchlich und
den Verband des ganzen Gebäudes lockerte. So konnte dieſe
Polizei nicht einmal der vor ihren Augen in allen Schichten des

1) Auf die Zerrüttung im franzöſiſchen Staatsweſen wies Helvetius in
ſeinem Buche „De l’homme“ hin, behauptend, Frankreich könne nur durch
eine Eroberung gerettet werden, denn die Form der Verwaltung und der Po-
lizei führe unfehlbar à un abrutissement total. Vgl. Schloſſer, „Geſchichte
des 18. Jahrhunderts“, II, 534. — Rouſſeau ſchrieb 1760: „Nous appro-
chons de l’état de crise et du siècle des revolutions.
“ Vgl. B. J. B.
Buchez und P. C. Roux, „Histoire de la revolution française“, I, 161.
— Der frivole Voltaire, im Gefühl des Ruins, den er ſelbſt ſo gewaltig her-
beiführen half, ſchrieb am 2. April 1764 an Chauvelin: „Tout ce que je
vois, jète les semences d’une revolution, qui arrivera immanquablement,
et dont je n’aurai pas le plaisir (!) d’être témoin.
“ Vgl. Wachsmuth, „Ge-
ſchichte Frankreichs im Revolutions-Zeitalter“, I, 4.
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[346/0358] anfänglich kümmerlichen Bewegung dieſer neuen königlichen Polizei, der Umſtand unbeachtet, daß dieſe Polizei mit der freilich ſchon lange arg verkümmerten, aber immer noch rettungsfähigen fran- zöſiſchen Volksthümlichkeit in ebenſo grellem Widerſpruch ſtand, als ſie dem abſoluten Königthum zu entſprechen ſchien, und daß die Stellung des güterärmern Adels, welcher beſonders mit der Verwaltung bedacht wurde, nichts anderes war, als die Miniſteria- lität der alten fränkiſchen Könige in einer neuen gefährlichen Auflage. So trat die franzöſiſche Polizei nicht als befreundete ſegensvolle Ordnung in das Volk hinein, ſondern fremd und feindlich dem Volke gegenüber 1), wie im Jahre 1852 ein deut- ſcher Polizeimann, ſo unwahr wie ſchmachvoll, auch von der deut- ſchen Polizei ſagte, daß „die Polizei nun einmal ihrer Natur nach in ſtetem Kriege mit jedem Einzelnen im Staate lebe!“ Dieſe Verwaltung Ludwig’s XIV. war nicht anders vorgebildet und nothwendig geworden als durch das mehrhundertjährige Streben der Könige nach abſoluter Gewalt. Dieſe Verwaltungs- form war eine rationell conſtruirte Erfindung der Politik; ſie hatte bei ihrer Einſetzung kein anderes Leben als das königliche Werde, und keinen weitern Lebensunterhalt, als im geheimen Wucher der Bureaukratie, die wie ein giftiges Gewächs heimlich durch alle Fugen und Mauern des Staatsgebäudes ſchlich und den Verband des ganzen Gebäudes lockerte. So konnte dieſe Polizei nicht einmal der vor ihren Augen in allen Schichten des 1) Auf die Zerrüttung im franzöſiſchen Staatsweſen wies Helvetius in ſeinem Buche „De l’homme“ hin, behauptend, Frankreich könne nur durch eine Eroberung gerettet werden, denn die Form der Verwaltung und der Po- lizei führe unfehlbar à un abrutissement total. Vgl. Schloſſer, „Geſchichte des 18. Jahrhunderts“, II, 534. — Rouſſeau ſchrieb 1760: „Nous appro- chons de l’état de crise et du siècle des revolutions.“ Vgl. B. J. B. Buchez und P. C. Roux, „Histoire de la revolution française“, I, 161. — Der frivole Voltaire, im Gefühl des Ruins, den er ſelbſt ſo gewaltig her- beiführen half, ſchrieb am 2. April 1764 an Chauvelin: „Tout ce que je vois, jète les semences d’une revolution, qui arrivera immanquablement, et dont je n’aurai pas le plaisir (!) d’être témoin.“ Vgl. Wachsmuth, „Ge- ſchichte Frankreichs im Revolutions-Zeitalter“, I, 4.

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 346. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858/358>, abgerufen am 23.11.2024.