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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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Volks wuchernden Sittenlosigkeit, zu welcher König und Adel
freilich das ärgerlichste Beispiel gab, und welche auch, wie ein
Gifthauch, über die Grenzen Frankreichs nach Deutschland hinaus-
drang, an ihrem Herde einigermaßen entgegentreten; sie konnte
nicht die grenzenlose materielle Noth des Volks lindern, konnte
nicht seine spätere Erhebung zur Revolution, nicht den Königs-
mord verhindern, und wußte nach ihrer Wiedereinsetzung auch
nicht den spätern Revolutionen vorzubauen, weil sie niemals
gerade und tief mit der Stammwurzel in den Boden der Volks-
thümlichkeit gefaßt hatte, sondern statt dessen sich dazu verstehen
mußte, mit den tausendfach feinen dürren Wurzeln der geheimen
politischen Polizei unter der Oberfläche des kahlen Bodens entlang
zu kriechen, der bei jedem rasch hingeworfenen Zündstoff wie bei
einem Heidebrand in Flammen geräth, die ganze Strecke ver-
sengt und doch nicht einmal durch die Asche den Boden frucht-
barer macht!



Dreiundneunzigstes Kapitel.
b) Das Verständniß des deutschen Bürgerthums
mit der Polizeigewalt
.

Ein ganz anderes Bild bietet Deutschland dar, in welchem
die natürliche Ausbildung des deutschen Volkswesens, wenn auch
vielfach gestört, doch niemals ganz unterdrückt worden ist. Durch
das Wiederaufblühen der herzoglichen Macht, welche, an Stelle
der absoluten Lehnsmonarchie Karl's des Großen, unter seinen
Nachfolgern wesentlich die Umwandlung dieser monarchischen
Regierungsform in eine aristokratisch-monarchische förderte, und
sich theils durch Bedürfniß des Schutzes gegen die Grenzfeinde,
theils durch die in der Verschiedenheit der Stämme gegründete
Anhänglichkeit an einen Stammfürsten als nothwendig und natur-
gemäß herausstellte 1), sowie besonders durch das Recht der Her-

1) Vgl. Dittmar, "Geschichte", Bd. 3, Heft 2, S. 36.

Volks wuchernden Sittenloſigkeit, zu welcher König und Adel
freilich das ärgerlichſte Beiſpiel gab, und welche auch, wie ein
Gifthauch, über die Grenzen Frankreichs nach Deutſchland hinaus-
drang, an ihrem Herde einigermaßen entgegentreten; ſie konnte
nicht die grenzenloſe materielle Noth des Volks lindern, konnte
nicht ſeine ſpätere Erhebung zur Revolution, nicht den Königs-
mord verhindern, und wußte nach ihrer Wiedereinſetzung auch
nicht den ſpätern Revolutionen vorzubauen, weil ſie niemals
gerade und tief mit der Stammwurzel in den Boden der Volks-
thümlichkeit gefaßt hatte, ſondern ſtatt deſſen ſich dazu verſtehen
mußte, mit den tauſendfach feinen dürren Wurzeln der geheimen
politiſchen Polizei unter der Oberfläche des kahlen Bodens entlang
zu kriechen, der bei jedem raſch hingeworfenen Zündſtoff wie bei
einem Heidebrand in Flammen geräth, die ganze Strecke ver-
ſengt und doch nicht einmal durch die Aſche den Boden frucht-
barer macht!



Dreiundneunzigſtes Kapitel.
b) Das Verſtändniß des deutſchen Bürgerthums
mit der Polizeigewalt
.

Ein ganz anderes Bild bietet Deutſchland dar, in welchem
die natürliche Ausbildung des deutſchen Volksweſens, wenn auch
vielfach geſtört, doch niemals ganz unterdrückt worden iſt. Durch
das Wiederaufblühen der herzoglichen Macht, welche, an Stelle
der abſoluten Lehnsmonarchie Karl’s des Großen, unter ſeinen
Nachfolgern weſentlich die Umwandlung dieſer monarchiſchen
Regierungsform in eine ariſtokratiſch-monarchiſche förderte, und
ſich theils durch Bedürfniß des Schutzes gegen die Grenzfeinde,
theils durch die in der Verſchiedenheit der Stämme gegründete
Anhänglichkeit an einen Stammfürſten als nothwendig und natur-
gemäß herausſtellte 1), ſowie beſonders durch das Recht der Her-

1) Vgl. Dittmar, „Geſchichte“, Bd. 3, Heft 2, S. 36.
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[347/0359] Volks wuchernden Sittenloſigkeit, zu welcher König und Adel freilich das ärgerlichſte Beiſpiel gab, und welche auch, wie ein Gifthauch, über die Grenzen Frankreichs nach Deutſchland hinaus- drang, an ihrem Herde einigermaßen entgegentreten; ſie konnte nicht die grenzenloſe materielle Noth des Volks lindern, konnte nicht ſeine ſpätere Erhebung zur Revolution, nicht den Königs- mord verhindern, und wußte nach ihrer Wiedereinſetzung auch nicht den ſpätern Revolutionen vorzubauen, weil ſie niemals gerade und tief mit der Stammwurzel in den Boden der Volks- thümlichkeit gefaßt hatte, ſondern ſtatt deſſen ſich dazu verſtehen mußte, mit den tauſendfach feinen dürren Wurzeln der geheimen politiſchen Polizei unter der Oberfläche des kahlen Bodens entlang zu kriechen, der bei jedem raſch hingeworfenen Zündſtoff wie bei einem Heidebrand in Flammen geräth, die ganze Strecke ver- ſengt und doch nicht einmal durch die Aſche den Boden frucht- barer macht! Dreiundneunzigſtes Kapitel. b) Das Verſtändniß des deutſchen Bürgerthums mit der Polizeigewalt. Ein ganz anderes Bild bietet Deutſchland dar, in welchem die natürliche Ausbildung des deutſchen Volksweſens, wenn auch vielfach geſtört, doch niemals ganz unterdrückt worden iſt. Durch das Wiederaufblühen der herzoglichen Macht, welche, an Stelle der abſoluten Lehnsmonarchie Karl’s des Großen, unter ſeinen Nachfolgern weſentlich die Umwandlung dieſer monarchiſchen Regierungsform in eine ariſtokratiſch-monarchiſche förderte, und ſich theils durch Bedürfniß des Schutzes gegen die Grenzfeinde, theils durch die in der Verſchiedenheit der Stämme gegründete Anhänglichkeit an einen Stammfürſten als nothwendig und natur- gemäß herausſtellte 1), ſowie beſonders durch das Recht der Her- 1) Vgl. Dittmar, „Geſchichte“, Bd. 3, Heft 2, S. 36.

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 347. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858/359>, abgerufen am 23.11.2024.