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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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kunst und Gaunerpolitik kennen, sich für jeden folgenden Tag
rüften und wahrhaft demüthigen und vor allem einsehen lernt,
daß die gesammte Polizei eine so durchaus untheil-
bare Wissenschaft ist, daß sie niemals vollständig in
einem Zweige begriffen werden kann, wenn man sie
nicht zugleich in allen Zweigen auf das genaueste und
sorgfältigste durchdringt,
und daß es mithin eine vollstän-
dige Lähmung aller polizeilichen Thätigkeit ist, wenn man ver-
schiedene Polizeibehörden in einem Orte nebeneinander bestehen
läßt und jeder einzelne bestimmte Zweige zuweist.

Es existiren keine Lehrbücher über Gauneruntersuchungskunde.
Mit derselben dankbaren Pietät, mit welcher man auf ein Ele-
mentarbuch zurückblickt, aus welchem man die ersten Denkübungen
gelernt hat, muß der zu Gaunerinquisitionen berufene Jnquirent
auf Handbücher, wie z. B. Jagemann's "Handbuch der Unter-
suchungskunde" zurückblicken, in denen er den ersten Rath und
Anhalt fand. Aber diese Handbücher genügen nicht, wo nur ein
genaues geschichtliches Studium, die Kenntniß der gesammten
Gaunerliteratur auch in ihrem reichen linguistischen Theile, eine
tiefeingehende Kenntniß aller Gaunerkünste und praktische Uebung
und Erfahrung im Jnquiriren überhaupt die nöthige Belehrung
und Befähigung geben kann. Es hilft daher nichts, daß man
dicke Bände vollschreibt, wie im Verhör dem Gauner beizukommen
sei. Nur ganz allgemeine Grundzüge lassen sich geben, wie man
das durch eifriges Studiren und Forschen und durch mannichfache
Uebung im Jnquiriren Gewonnene dem Gauner gegenüber in
Anwendung bringen muß.

Jn den drei vorhergegangenen Abschnitten von der Reprä-
sentation,
dem Geheimniß und der Praxis des Gaunerthums
sind die Mittel und Wege angegeben, die gaunerische That und
den Thäter zu erkennen und zu ermitteln. Selten gelingt es, den
Gauner in flagranti zu ertappen. Er wird fast immer nur als
der That mehr oder minder verdächtig dem Jnquirenten gegenüber-
gestellt, an dem es nun ist, ihn zu überführen. Groß ist von
jeher die Verzweifelung der Jnquirenten über diese Aufgabe ge-

kunſt und Gaunerpolitik kennen, ſich für jeden folgenden Tag
rüften und wahrhaft demüthigen und vor allem einſehen lernt,
daß die geſammte Polizei eine ſo durchaus untheil-
bare Wiſſenſchaft iſt, daß ſie niemals vollſtändig in
einem Zweige begriffen werden kann, wenn man ſie
nicht zugleich in allen Zweigen auf das genaueſte und
ſorgfältigſte durchdringt,
und daß es mithin eine vollſtän-
dige Lähmung aller polizeilichen Thätigkeit iſt, wenn man ver-
ſchiedene Polizeibehörden in einem Orte nebeneinander beſtehen
läßt und jeder einzelne beſtimmte Zweige zuweiſt.

Es exiſtiren keine Lehrbücher über Gaunerunterſuchungskunde.
Mit derſelben dankbaren Pietät, mit welcher man auf ein Ele-
mentarbuch zurückblickt, aus welchem man die erſten Denkübungen
gelernt hat, muß der zu Gaunerinquiſitionen berufene Jnquirent
auf Handbücher, wie z. B. Jagemann’s „Handbuch der Unter-
ſuchungskunde“ zurückblicken, in denen er den erſten Rath und
Anhalt fand. Aber dieſe Handbücher genügen nicht, wo nur ein
genaues geſchichtliches Studium, die Kenntniß der geſammten
Gaunerliteratur auch in ihrem reichen linguiſtiſchen Theile, eine
tiefeingehende Kenntniß aller Gaunerkünſte und praktiſche Uebung
und Erfahrung im Jnquiriren überhaupt die nöthige Belehrung
und Befähigung geben kann. Es hilft daher nichts, daß man
dicke Bände vollſchreibt, wie im Verhör dem Gauner beizukommen
ſei. Nur ganz allgemeine Grundzüge laſſen ſich geben, wie man
das durch eifriges Studiren und Forſchen und durch mannichfache
Uebung im Jnquiriren Gewonnene dem Gauner gegenüber in
Anwendung bringen muß.

Jn den drei vorhergegangenen Abſchnitten von der Reprä-
ſentation,
dem Geheimniß und der Praxis des Gaunerthums
ſind die Mittel und Wege angegeben, die gauneriſche That und
den Thäter zu erkennen und zu ermitteln. Selten gelingt es, den
Gauner in flagranti zu ertappen. Er wird faſt immer nur als
der That mehr oder minder verdächtig dem Jnquirenten gegenüber-
geſtellt, an dem es nun iſt, ihn zu überführen. Groß iſt von
jeher die Verzweifelung der Jnquirenten über dieſe Aufgabe ge-

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[377/0389] kunſt und Gaunerpolitik kennen, ſich für jeden folgenden Tag rüften und wahrhaft demüthigen und vor allem einſehen lernt, daß die geſammte Polizei eine ſo durchaus untheil- bare Wiſſenſchaft iſt, daß ſie niemals vollſtändig in einem Zweige begriffen werden kann, wenn man ſie nicht zugleich in allen Zweigen auf das genaueſte und ſorgfältigſte durchdringt, und daß es mithin eine vollſtän- dige Lähmung aller polizeilichen Thätigkeit iſt, wenn man ver- ſchiedene Polizeibehörden in einem Orte nebeneinander beſtehen läßt und jeder einzelne beſtimmte Zweige zuweiſt. Es exiſtiren keine Lehrbücher über Gaunerunterſuchungskunde. Mit derſelben dankbaren Pietät, mit welcher man auf ein Ele- mentarbuch zurückblickt, aus welchem man die erſten Denkübungen gelernt hat, muß der zu Gaunerinquiſitionen berufene Jnquirent auf Handbücher, wie z. B. Jagemann’s „Handbuch der Unter- ſuchungskunde“ zurückblicken, in denen er den erſten Rath und Anhalt fand. Aber dieſe Handbücher genügen nicht, wo nur ein genaues geſchichtliches Studium, die Kenntniß der geſammten Gaunerliteratur auch in ihrem reichen linguiſtiſchen Theile, eine tiefeingehende Kenntniß aller Gaunerkünſte und praktiſche Uebung und Erfahrung im Jnquiriren überhaupt die nöthige Belehrung und Befähigung geben kann. Es hilft daher nichts, daß man dicke Bände vollſchreibt, wie im Verhör dem Gauner beizukommen ſei. Nur ganz allgemeine Grundzüge laſſen ſich geben, wie man das durch eifriges Studiren und Forſchen und durch mannichfache Uebung im Jnquiriren Gewonnene dem Gauner gegenüber in Anwendung bringen muß. Jn den drei vorhergegangenen Abſchnitten von der Reprä- ſentation, dem Geheimniß und der Praxis des Gaunerthums ſind die Mittel und Wege angegeben, die gauneriſche That und den Thäter zu erkennen und zu ermitteln. Selten gelingt es, den Gauner in flagranti zu ertappen. Er wird faſt immer nur als der That mehr oder minder verdächtig dem Jnquirenten gegenüber- geſtellt, an dem es nun iſt, ihn zu überführen. Groß iſt von jeher die Verzweifelung der Jnquirenten über dieſe Aufgabe ge-

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 377. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858/389>, abgerufen am 26.11.2024.