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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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der feinsten Action zu Werke gegangene Polizeimann gerade in
der Katastrophe seiner feinen geistigen, mühsamen Thätigkeit die
Untersuchung zur "förmlichen Untersuchung" an das Gericht ab-
geben muß. Gerade auf dieser intricaten Grenze, über welche die
Polizei den verdächtigen Verbrecher dem Gerichte entgegenschieben
muß, entspringen die meisten Verbrecher. Jst auch der Richter
fertig und geübt, so ist er doch nicht gleich in der Frische der That
an Ort und Stelle heimisch mit seinem Blicke geworden. Der
Bericht mit seiner ihn oft nicht ansprechenden frischen originellen
Auffassung ist ihm ein untergeschobener fremder Grund, den er
selten mit gleicher Geistigkeit weiter führt, sondern auf dem er mit
seinem geistigen Material meistens einen neuen Anfang macht,
ohne eine vollkommene Verbindung mit dem bereits Gegebenen her-
zustellen. Die beengenden feierlichen Formen des Gerichtsganges
erdrücken dazu noch oft das, was an beweglichem Leben von der
ersten Wahrnehmung auf das Gericht mit übergegangen war; der
scharfblickende, geübte und erfahrene Gauner, dessen goldener Hand-
werksboden nur die Schwäche anderer ist, durchschaut auch diese
Schwächen; er, welcher die behende Polizei nicht fürchtet, spottet
der ihm genau bekannten förmlichen Gerichtsprocedur, und nimmt
sogar vielfach vor Gericht zurück, was er vor der Polizei bereits
eingeräumt hatte. Das ist der Grundsatz: "Nichts zu gestehen!"
Nie sollte eine Gauneruntersuchung, bei welcher die That in ihrer
ersten genauen Auffassung eine so feine geheimnißvolle Sprache
für den Geweihten hat, vor der vollen Ueberführung aus den
Händen der zuerst entdeckenden Polizei gegeben werden. Die poli-
zeiliche plassenburger Untersuchung durch Stuhlmüller, die von
Pfeiffer dargestellte Untersuchung des frankfurter Polizeiamts sind
überzeugende Beweise, welche große Resultate auf solchem Wege
erreicht werden können. Jn allen Gauneruntersuchungen von Er-
giebigkeit war es nicht das Gericht, sondern die bewegliche
Polizei, welche, wenn sie den von ihr gemachten Anfang nicht
aufgab, neben dem Gerichte, für dasselbe, ein Ende herbeiführte
mit gründlichern und reichern Resultaten, als sogar selbst die
traurige um den Preis des Genossenverraths mehrfach versuchte

der feinſten Action zu Werke gegangene Polizeimann gerade in
der Kataſtrophe ſeiner feinen geiſtigen, mühſamen Thätigkeit die
Unterſuchung zur „förmlichen Unterſuchung“ an das Gericht ab-
geben muß. Gerade auf dieſer intricaten Grenze, über welche die
Polizei den verdächtigen Verbrecher dem Gerichte entgegenſchieben
muß, entſpringen die meiſten Verbrecher. Jſt auch der Richter
fertig und geübt, ſo iſt er doch nicht gleich in der Friſche der That
an Ort und Stelle heimiſch mit ſeinem Blicke geworden. Der
Bericht mit ſeiner ihn oft nicht anſprechenden friſchen originellen
Auffaſſung iſt ihm ein untergeſchobener fremder Grund, den er
ſelten mit gleicher Geiſtigkeit weiter führt, ſondern auf dem er mit
ſeinem geiſtigen Material meiſtens einen neuen Anfang macht,
ohne eine vollkommene Verbindung mit dem bereits Gegebenen her-
zuſtellen. Die beengenden feierlichen Formen des Gerichtsganges
erdrücken dazu noch oft das, was an beweglichem Leben von der
erſten Wahrnehmung auf das Gericht mit übergegangen war; der
ſcharfblickende, geübte und erfahrene Gauner, deſſen goldener Hand-
werksboden nur die Schwäche anderer iſt, durchſchaut auch dieſe
Schwächen; er, welcher die behende Polizei nicht fürchtet, ſpottet
der ihm genau bekannten förmlichen Gerichtsprocedur, und nimmt
ſogar vielfach vor Gericht zurück, was er vor der Polizei bereits
eingeräumt hatte. Das iſt der Grundſatz: „Nichts zu geſtehen!“
Nie ſollte eine Gaunerunterſuchung, bei welcher die That in ihrer
erſten genauen Auffaſſung eine ſo feine geheimnißvolle Sprache
für den Geweihten hat, vor der vollen Ueberführung aus den
Händen der zuerſt entdeckenden Polizei gegeben werden. Die poli-
zeiliche plaſſenburger Unterſuchung durch Stuhlmüller, die von
Pfeiffer dargeſtellte Unterſuchung des frankfurter Polizeiamts ſind
überzeugende Beweiſe, welche große Reſultate auf ſolchem Wege
erreicht werden können. Jn allen Gaunerunterſuchungen von Er-
giebigkeit war es nicht das Gericht, ſondern die bewegliche
Polizei, welche, wenn ſie den von ihr gemachten Anfang nicht
aufgab, neben dem Gerichte, für daſſelbe, ein Ende herbeiführte
mit gründlichern und reichern Reſultaten, als ſogar ſelbſt die
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[379/0391] der feinſten Action zu Werke gegangene Polizeimann gerade in der Kataſtrophe ſeiner feinen geiſtigen, mühſamen Thätigkeit die Unterſuchung zur „förmlichen Unterſuchung“ an das Gericht ab- geben muß. Gerade auf dieſer intricaten Grenze, über welche die Polizei den verdächtigen Verbrecher dem Gerichte entgegenſchieben muß, entſpringen die meiſten Verbrecher. Jſt auch der Richter fertig und geübt, ſo iſt er doch nicht gleich in der Friſche der That an Ort und Stelle heimiſch mit ſeinem Blicke geworden. Der Bericht mit ſeiner ihn oft nicht anſprechenden friſchen originellen Auffaſſung iſt ihm ein untergeſchobener fremder Grund, den er ſelten mit gleicher Geiſtigkeit weiter führt, ſondern auf dem er mit ſeinem geiſtigen Material meiſtens einen neuen Anfang macht, ohne eine vollkommene Verbindung mit dem bereits Gegebenen her- zuſtellen. Die beengenden feierlichen Formen des Gerichtsganges erdrücken dazu noch oft das, was an beweglichem Leben von der erſten Wahrnehmung auf das Gericht mit übergegangen war; der ſcharfblickende, geübte und erfahrene Gauner, deſſen goldener Hand- werksboden nur die Schwäche anderer iſt, durchſchaut auch dieſe Schwächen; er, welcher die behende Polizei nicht fürchtet, ſpottet der ihm genau bekannten förmlichen Gerichtsprocedur, und nimmt ſogar vielfach vor Gericht zurück, was er vor der Polizei bereits eingeräumt hatte. Das iſt der Grundſatz: „Nichts zu geſtehen!“ Nie ſollte eine Gaunerunterſuchung, bei welcher die That in ihrer erſten genauen Auffaſſung eine ſo feine geheimnißvolle Sprache für den Geweihten hat, vor der vollen Ueberführung aus den Händen der zuerſt entdeckenden Polizei gegeben werden. Die poli- zeiliche plaſſenburger Unterſuchung durch Stuhlmüller, die von Pfeiffer dargeſtellte Unterſuchung des frankfurter Polizeiamts ſind überzeugende Beweiſe, welche große Reſultate auf ſolchem Wege erreicht werden können. Jn allen Gaunerunterſuchungen von Er- giebigkeit war es nicht das Gericht, ſondern die bewegliche Polizei, welche, wenn ſie den von ihr gemachten Anfang nicht aufgab, neben dem Gerichte, für daſſelbe, ein Ende herbeiführte mit gründlichern und reichern Reſultaten, als ſogar ſelbſt die traurige um den Preis des Genoſſenverraths mehrfach verſuchte

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 379. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858/391>, abgerufen am 26.11.2024.