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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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kommen jedoch häufiger Simulationen geistiger Störungen vor 1),
welche durchaus von Experten sorgfältig beobachtet, und von wirk-
lichen Störungen unterschieden werden müssen, die leider eine
ebenso häufige wie traurige Folge strenger Jsolirhaft sind. 2)



Elftes Kapitel.
e) Affecte.

Affecte endlich werden sehr häufig von Gaunern in Ver-
abredung mit ihren Genossen simulirt, besonders um bei Markt-
diebstählen die Aufmerksamkeit der Menge auf einen Punkt und
von den handelnden Gaunern abzulenken (s. Vertuss, Kap. 21).
Besonders aber im Verhöre und in der Gefangenschaft spielt der
Gauner mit allen Affecten, und läßt keine Rolle und keine Situa-
tion unversucht, um dem Jnquirenten zu imponiren und ihn irre

1) So wußte der berüchtigte Johann Andreas Bamberg durch verstellten
Wahnsinn seine Untersuchung und Hinrichtung acht Monate länger hinzuhalten,
als seine Complicen Voigt, Rehman und Hahn schon hingerichtet waren. S.
die Literatur "Actenmäßiger Verlauf der Peinlichen Untersuchung gegen die
Kunzische u. s. w. Bande", S. 219--260. -- Johann Schäfer von der Neu-
wieder Bande spielte mehrere Monate lang so geschickt den Wahnsinnigen, daß
er am 20. März 1802 vom Specialgericht des Ruhrdepartements freigespro-
chen wurde, ungeachtet die Doctoren Best und Dahmen entschieden das Ge-
bahren des Schäfer für Simulation erklärt hatten. Vgl. "Geschichte der
Rheinischen Räuberbanden", II, 333. Aehnliche Beispiele kommen bis auf
die neueste Zeit vor.
2) Vgl. hierüber Schürmayer, "Lehrbuch der gerichtlichen Medicin",
S. 341--412; Bergmann, "Lehrbuch der med. for.", S. 318--368; Bö-
cker, "Memoranda'", S. 63--72. Vorzüglich Friedreich, "System der ge-
richtlichen Psychologie", S. 149--163. Minder bedeutend ist Schnitzer, "Die
Lehre von der Zurechnungsfähigkeit bei zweifelhaftem Gemüthszustande" (Ber-
lin 1840). Ausgezeichnetes liefert die "Vierteljahrsschrift für gerichtliche und
öffentliche Medizin" von Joh. Ludw. Casper, und die "Allgemeine Zeitschrift
für Psychiatrie und psychisch gerichtliche Medicin" von Damerow, Flemming
und Roller.

kommen jedoch häufiger Simulationen geiſtiger Störungen vor 1),
welche durchaus von Experten ſorgfältig beobachtet, und von wirk-
lichen Störungen unterſchieden werden müſſen, die leider eine
ebenſo häufige wie traurige Folge ſtrenger Jſolirhaft ſind. 2)



Elftes Kapitel.
η) Affecte.

Affecte endlich werden ſehr häufig von Gaunern in Ver-
abredung mit ihren Genoſſen ſimulirt, beſonders um bei Markt-
diebſtählen die Aufmerkſamkeit der Menge auf einen Punkt und
von den handelnden Gaunern abzulenken (ſ. Vertuſſ, Kap. 21).
Beſonders aber im Verhöre und in der Gefangenſchaft ſpielt der
Gauner mit allen Affecten, und läßt keine Rolle und keine Situa-
tion unverſucht, um dem Jnquirenten zu imponiren und ihn irre

1) So wußte der berüchtigte Johann Andreas Bamberg durch verſtellten
Wahnſinn ſeine Unterſuchung und Hinrichtung acht Monate länger hinzuhalten,
als ſeine Complicen Voigt, Rehman und Hahn ſchon hingerichtet waren. S.
die Literatur „Actenmäßiger Verlauf der Peinlichen Unterſuchung gegen die
Kunziſche u. ſ. w. Bande“, S. 219—260. — Johann Schäfer von der Neu-
wieder Bande ſpielte mehrere Monate lang ſo geſchickt den Wahnſinnigen, daß
er am 20. März 1802 vom Specialgericht des Ruhrdepartements freigeſpro-
chen wurde, ungeachtet die Doctoren Beſt und Dahmen entſchieden das Ge-
bahren des Schäfer für Simulation erklärt hatten. Vgl. „Geſchichte der
Rheiniſchen Räuberbanden“, II, 333. Aehnliche Beiſpiele kommen bis auf
die neueſte Zeit vor.
2) Vgl. hierüber Schürmayer, „Lehrbuch der gerichtlichen Medicin“,
S. 341—412; Bergmann, „Lehrbuch der med. for.“, S. 318—368; Bö-
cker, „Memoranda’“, S. 63—72. Vorzüglich Friedreich, „Syſtem der ge-
richtlichen Pſychologie“, S. 149—163. Minder bedeutend iſt Schnitzer, „Die
Lehre von der Zurechnungsfähigkeit bei zweifelhaftem Gemüthszuſtande“ (Ber-
lin 1840). Ausgezeichnetes liefert die „Vierteljahrsſchrift für gerichtliche und
öffentliche Medizin“ von Joh. Ludw. Casper, und die „Allgemeine Zeitſchrift
für Pſychiatrie und pſychiſch gerichtliche Medicin“ von Damerow, Flemming
und Roller.
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[50/0062] kommen jedoch häufiger Simulationen geiſtiger Störungen vor 1), welche durchaus von Experten ſorgfältig beobachtet, und von wirk- lichen Störungen unterſchieden werden müſſen, die leider eine ebenſo häufige wie traurige Folge ſtrenger Jſolirhaft ſind. 2) Elftes Kapitel. η) Affecte. Affecte endlich werden ſehr häufig von Gaunern in Ver- abredung mit ihren Genoſſen ſimulirt, beſonders um bei Markt- diebſtählen die Aufmerkſamkeit der Menge auf einen Punkt und von den handelnden Gaunern abzulenken (ſ. Vertuſſ, Kap. 21). Beſonders aber im Verhöre und in der Gefangenſchaft ſpielt der Gauner mit allen Affecten, und läßt keine Rolle und keine Situa- tion unverſucht, um dem Jnquirenten zu imponiren und ihn irre 1) So wußte der berüchtigte Johann Andreas Bamberg durch verſtellten Wahnſinn ſeine Unterſuchung und Hinrichtung acht Monate länger hinzuhalten, als ſeine Complicen Voigt, Rehman und Hahn ſchon hingerichtet waren. S. die Literatur „Actenmäßiger Verlauf der Peinlichen Unterſuchung gegen die Kunziſche u. ſ. w. Bande“, S. 219—260. — Johann Schäfer von der Neu- wieder Bande ſpielte mehrere Monate lang ſo geſchickt den Wahnſinnigen, daß er am 20. März 1802 vom Specialgericht des Ruhrdepartements freigeſpro- chen wurde, ungeachtet die Doctoren Beſt und Dahmen entſchieden das Ge- bahren des Schäfer für Simulation erklärt hatten. Vgl. „Geſchichte der Rheiniſchen Räuberbanden“, II, 333. Aehnliche Beiſpiele kommen bis auf die neueſte Zeit vor. 2) Vgl. hierüber Schürmayer, „Lehrbuch der gerichtlichen Medicin“, S. 341—412; Bergmann, „Lehrbuch der med. for.“, S. 318—368; Bö- cker, „Memoranda’“, S. 63—72. Vorzüglich Friedreich, „Syſtem der ge- richtlichen Pſychologie“, S. 149—163. Minder bedeutend iſt Schnitzer, „Die Lehre von der Zurechnungsfähigkeit bei zweifelhaftem Gemüthszuſtande“ (Ber- lin 1840). Ausgezeichnetes liefert die „Vierteljahrsſchrift für gerichtliche und öffentliche Medizin“ von Joh. Ludw. Casper, und die „Allgemeine Zeitſchrift für Pſychiatrie und pſychiſch gerichtliche Medicin“ von Damerow, Flemming und Roller.

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858/62>, abgerufen am 24.11.2024.