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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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Das Jadzinkenen ist die optische Telegraphie des Gaunerthums,
welche der Polizeimann genau kennen muß, um sie beobachten und
verhindern zu können. Auf umstehender Tafel ist daher das gewöhn-
liche Taubstummenhandalphabet dargestellt, das sich selbstverständ-
lich mit der rechten und linken Hand geben und sehr leicht erler-
nen läßt. Weiterer Bemerkungen bedarf es nicht. Jn meiner
Polizeipraxis hat mir diese Kenntniß manchen Nutzen, namentlich
bei Entlarvung von Simulanten gebracht, welche nicht auf diese
Verständigungsform eingehen konnten. Auch die ganze Menge
der mit eigenthümlicher Lebendigkeit und mit scharfer Form vor-
gebrachten Gesten und Manipulationen der Taubstummen ist dem
raffinirten Gauner bekannt. 1) Besonders wird noch als Zinken
ausgebeutet das Schreiben von Wörtern mit dem Finger in die
Luft, sodaß der Genosse die Buchstaben als Spiegelschrift er-
blickt, oder auch das Schreiben mit dem Finger in die offene
Hand des Genossen, in welche die Buchstaben streifend hineinge-
schrieben und durch das Gefühl aufgefaßt werden, was besonders
im Dunkeln und in Gegenwart dritter ein vollkommen ausreichen-
des Communicationsmittel ist.



Funfzehntes Kapitel.
b) Die Kenzinken.

Von der Kenntniß des Handalphabets der Taubstummen,
welche das heutige Gaunerthum besitzt, ist ein Beweis der allge-
mein gewordene Kenzinken 2) oder Kundezinken, der besonders

1) Unter den neuerlichen Simulanten dieser Art tritt der erst 25 Jahr
alte Heinrich Dittrich aus Klein-Borowitz, Bezirk Trautenau in Böhmen, mit
so großer Virtuosität auf, daß er selbst die ärztlichen Beobachtungen zu pa-
ralysiren gewußt hat. Vgl. Eberhardt, "Allgemeiner Polizei-Anzeiger", Bd. 43,
Nr. 42, Nr. 1649 vom J. 1856.
2) Ken, jüdisch-deutsch bejahende Partikel; ist also nicht etwa vom deut-
schen Kennen abzuleiten.

Das Jadzinkenen iſt die optiſche Telegraphie des Gaunerthums,
welche der Polizeimann genau kennen muß, um ſie beobachten und
verhindern zu können. Auf umſtehender Tafel iſt daher das gewöhn-
liche Taubſtummenhandalphabet dargeſtellt, das ſich ſelbſtverſtänd-
lich mit der rechten und linken Hand geben und ſehr leicht erler-
nen läßt. Weiterer Bemerkungen bedarf es nicht. Jn meiner
Polizeipraxis hat mir dieſe Kenntniß manchen Nutzen, namentlich
bei Entlarvung von Simulanten gebracht, welche nicht auf dieſe
Verſtändigungsform eingehen konnten. Auch die ganze Menge
der mit eigenthümlicher Lebendigkeit und mit ſcharfer Form vor-
gebrachten Geſten und Manipulationen der Taubſtummen iſt dem
raffinirten Gauner bekannt. 1) Beſonders wird noch als Zinken
ausgebeutet das Schreiben von Wörtern mit dem Finger in die
Luft, ſodaß der Genoſſe die Buchſtaben als Spiegelſchrift er-
blickt, oder auch das Schreiben mit dem Finger in die offene
Hand des Genoſſen, in welche die Buchſtaben ſtreifend hineinge-
ſchrieben und durch das Gefühl aufgefaßt werden, was beſonders
im Dunkeln und in Gegenwart dritter ein vollkommen ausreichen-
des Communicationsmittel iſt.



Funfzehntes Kapitel.
β) Die Kenzinken.

Von der Kenntniß des Handalphabets der Taubſtummen,
welche das heutige Gaunerthum beſitzt, iſt ein Beweis der allge-
mein gewordene Kenzinken 2) oder Kundezinken, der beſonders

1) Unter den neuerlichen Simulanten dieſer Art tritt der erſt 25 Jahr
alte Heinrich Dittrich aus Klein-Borowitz, Bezirk Trautenau in Böhmen, mit
ſo großer Virtuoſität auf, daß er ſelbſt die ärztlichen Beobachtungen zu pa-
ralyſiren gewußt hat. Vgl. Eberhardt, „Allgemeiner Polizei-Anzeiger“, Bd. 43,
Nr. 42, Nr. 1649 vom J. 1856.
2) Ken, jüdiſch-deutſch bejahende Partikel; iſt alſo nicht etwa vom deut-
ſchen Kennen abzuleiten.
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[55/0067] Das Jadzinkenen iſt die optiſche Telegraphie des Gaunerthums, welche der Polizeimann genau kennen muß, um ſie beobachten und verhindern zu können. Auf umſtehender Tafel iſt daher das gewöhn- liche Taubſtummenhandalphabet dargeſtellt, das ſich ſelbſtverſtänd- lich mit der rechten und linken Hand geben und ſehr leicht erler- nen läßt. Weiterer Bemerkungen bedarf es nicht. Jn meiner Polizeipraxis hat mir dieſe Kenntniß manchen Nutzen, namentlich bei Entlarvung von Simulanten gebracht, welche nicht auf dieſe Verſtändigungsform eingehen konnten. Auch die ganze Menge der mit eigenthümlicher Lebendigkeit und mit ſcharfer Form vor- gebrachten Geſten und Manipulationen der Taubſtummen iſt dem raffinirten Gauner bekannt. 1) Beſonders wird noch als Zinken ausgebeutet das Schreiben von Wörtern mit dem Finger in die Luft, ſodaß der Genoſſe die Buchſtaben als Spiegelſchrift er- blickt, oder auch das Schreiben mit dem Finger in die offene Hand des Genoſſen, in welche die Buchſtaben ſtreifend hineinge- ſchrieben und durch das Gefühl aufgefaßt werden, was beſonders im Dunkeln und in Gegenwart dritter ein vollkommen ausreichen- des Communicationsmittel iſt. Funfzehntes Kapitel. β) Die Kenzinken. Von der Kenntniß des Handalphabets der Taubſtummen, welche das heutige Gaunerthum beſitzt, iſt ein Beweis der allge- mein gewordene Kenzinken 2) oder Kundezinken, der beſonders 1) Unter den neuerlichen Simulanten dieſer Art tritt der erſt 25 Jahr alte Heinrich Dittrich aus Klein-Borowitz, Bezirk Trautenau in Böhmen, mit ſo großer Virtuoſität auf, daß er ſelbſt die ärztlichen Beobachtungen zu pa- ralyſiren gewußt hat. Vgl. Eberhardt, „Allgemeiner Polizei-Anzeiger“, Bd. 43, Nr. 42, Nr. 1649 vom J. 1856. 2) Ken, jüdiſch-deutſch bejahende Partikel; iſt alſo nicht etwa vom deut- ſchen Kennen abzuleiten.

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858/67>, abgerufen am 25.11.2024.