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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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überdies noch als Händelmacher zur Haft und Untersuchung
gezogen wird. Der Dieb kann aber auch selbst, ohne Beihülfe
eines Dritten, Vertuss machen, z. B. durch Simulation von
Trunkenheit oder Albernheit, oder durch Provocation sonstiger
Auffälligkeiten, welche die lebhafte Aufmerksamkeit nach einer be-
stimmten Richtung lenken, wie dies z. B. durch Feuerruf in Thea-
tern und zahlreichen Versammlungen geschieht. Auf alle Fälle ist
es klug und geboten, jeden, der öffentliches Aufsehen erregende
auffällige Handlungen begeht, oder Händel anstiftet, sofort anzu-
halten, zu untersuchen, und nach Befinden zu strafen, wozu schon
der bloße Bruch des Friedens auf Märkten und offenen Wegen
und Stegen genugsame Veranlassung gibt, wenn man auch nicht
immer im Stande ist, die öffentlich dargelegten Affecte und Ge-
brechen gleich auf der Stelle als Simulation und Vertuss zu
unterscheiden. Jn dieser Beziehung zählt schon der Liber Vaga-
torum
eine Menge Vertussarten auf, die auch noch heutiges Tages
in Anwendung kommen. Mehr als einmal hat wol jeder Polizei-
mann verfolgte Bettler und Hauseinschleicher die Krücken weg-
werfen und eiligst davon laufen sehen, daß, wie der Liber Vaga-
torum
sagt, "ein Pferd ihn nicht möcht erreichen". Ein fast
täglich und besonders von Kindern gemachter und immer noch
nicht sogleich richtig gewürdigter Vertuss ist das laute Weinen
und Jammern auf den Straßen unter dem Vorgeben, Geld ver-
loren oder ein Geräth zerbrochen zu haben, um die Vorüber-
gehenden zum Mitleid zu bewegen, die meistens auch sehr rasch
eine oft überreichliche Collecte veranstalten. Jn dieser Weise gibt
es noch unzählige Vertussarten, die zumeist auf das Mitleid be-
rechnet sind, und gegen die man sich nur durch kalte Besonnen-
heit schützen kann.



überdies noch als Händelmacher zur Haft und Unterſuchung
gezogen wird. Der Dieb kann aber auch ſelbſt, ohne Beihülfe
eines Dritten, Vertuſſ machen, z. B. durch Simulation von
Trunkenheit oder Albernheit, oder durch Provocation ſonſtiger
Auffälligkeiten, welche die lebhafte Aufmerkſamkeit nach einer be-
ſtimmten Richtung lenken, wie dies z. B. durch Feuerruf in Thea-
tern und zahlreichen Verſammlungen geſchieht. Auf alle Fälle iſt
es klug und geboten, jeden, der öffentliches Aufſehen erregende
auffällige Handlungen begeht, oder Händel anſtiftet, ſofort anzu-
halten, zu unterſuchen, und nach Befinden zu ſtrafen, wozu ſchon
der bloße Bruch des Friedens auf Märkten und offenen Wegen
und Stegen genugſame Veranlaſſung gibt, wenn man auch nicht
immer im Stande iſt, die öffentlich dargelegten Affecte und Ge-
brechen gleich auf der Stelle als Simulation und Vertuſſ zu
unterſcheiden. Jn dieſer Beziehung zählt ſchon der Liber Vaga-
torum
eine Menge Vertuſſarten auf, die auch noch heutiges Tages
in Anwendung kommen. Mehr als einmal hat wol jeder Polizei-
mann verfolgte Bettler und Hauseinſchleicher die Krücken weg-
werfen und eiligſt davon laufen ſehen, daß, wie der Liber Vaga-
torum
ſagt, „ein Pferd ihn nicht möcht erreichen“. Ein faſt
täglich und beſonders von Kindern gemachter und immer noch
nicht ſogleich richtig gewürdigter Vertuſſ iſt das laute Weinen
und Jammern auf den Straßen unter dem Vorgeben, Geld ver-
loren oder ein Geräth zerbrochen zu haben, um die Vorüber-
gehenden zum Mitleid zu bewegen, die meiſtens auch ſehr raſch
eine oft überreichliche Collecte veranſtalten. Jn dieſer Weiſe gibt
es noch unzählige Vertuſſarten, die zumeiſt auf das Mitleid be-
rechnet ſind, und gegen die man ſich nur durch kalte Beſonnen-
heit ſchützen kann.



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[75/0087] überdies noch als Händelmacher zur Haft und Unterſuchung gezogen wird. Der Dieb kann aber auch ſelbſt, ohne Beihülfe eines Dritten, Vertuſſ machen, z. B. durch Simulation von Trunkenheit oder Albernheit, oder durch Provocation ſonſtiger Auffälligkeiten, welche die lebhafte Aufmerkſamkeit nach einer be- ſtimmten Richtung lenken, wie dies z. B. durch Feuerruf in Thea- tern und zahlreichen Verſammlungen geſchieht. Auf alle Fälle iſt es klug und geboten, jeden, der öffentliches Aufſehen erregende auffällige Handlungen begeht, oder Händel anſtiftet, ſofort anzu- halten, zu unterſuchen, und nach Befinden zu ſtrafen, wozu ſchon der bloße Bruch des Friedens auf Märkten und offenen Wegen und Stegen genugſame Veranlaſſung gibt, wenn man auch nicht immer im Stande iſt, die öffentlich dargelegten Affecte und Ge- brechen gleich auf der Stelle als Simulation und Vertuſſ zu unterſcheiden. Jn dieſer Beziehung zählt ſchon der Liber Vaga- torum eine Menge Vertuſſarten auf, die auch noch heutiges Tages in Anwendung kommen. Mehr als einmal hat wol jeder Polizei- mann verfolgte Bettler und Hauseinſchleicher die Krücken weg- werfen und eiligſt davon laufen ſehen, daß, wie der Liber Vaga- torum ſagt, „ein Pferd ihn nicht möcht erreichen“. Ein faſt täglich und beſonders von Kindern gemachter und immer noch nicht ſogleich richtig gewürdigter Vertuſſ iſt das laute Weinen und Jammern auf den Straßen unter dem Vorgeben, Geld ver- loren oder ein Geräth zerbrochen zu haben, um die Vorüber- gehenden zum Mitleid zu bewegen, die meiſtens auch ſehr raſch eine oft überreichliche Collecte veranſtalten. Jn dieſer Weiſe gibt es noch unzählige Vertuſſarten, die zumeiſt auf das Mitleid be- rechnet ſind, und gegen die man ſich nur durch kalte Beſonnen- heit ſchützen kann.

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858/87>, abgerufen am 24.04.2024.