eine Menge althochdeutscher, altniederdeutscher und mittelhochdeut- scher Wörter mit zum Theil nur wenig verschobener Bedeutung in der deutschen Gaunersprache erhalten, und in dieser oft über- raschend treuen Bewahrung alter Formen blicken sogar auch ein- zelne reine gothische Formen heraus, wie sich z. B. der gothische "Hauhns" bis zur Stunde im vollen geläufigen Gaunergebrauch erhalten hat. Meistens nur in neuhochdeutschen Wörtern tritt die Aehnlichkeit der deutschen Gaunersprache mit den romanischen Gaunersprachen am schärfsten hervor, deren wesentlichster Grund- zug nicht etwa die Modulation der Wurzelformen und Flexionen ist, sondern vorzugsweise die Verschiebung der logischen Bedeutung zu frivolen Metaphern.
Einen ungemein reichen und durchaus eigenthümlichen Bei- satz hat aber die deutsche Gaunersprache durch die jüdischdeutsche Sprache gewonnen, jene gewaltsame unnatürliche Zusammen- schiebung indogermanischer und semitischer Sprachtypen, welche für alle Zeit als trübes Denkmal unmenschlicher Verfolgung und Er- niedrigung des alten Gottesvolkes bleiben wird und welche so tief eingeätzt steht auf dem deutschen Cultur- und Sprachboden, wie Blutspuren auf einer Folterbank. Das in seiner Ausbildung fort- schreitende Gaunerthum fand bei seiner Verfolgung und bei seiner Flucht in die niedrigsten Volksschichten das von der rohen allge- meinen Verachtung in ebendieselbe niedrige Sphäre hinabgedrückte Volk der Juden und mit ihm das wunderliche Sprachgeschiebe vor, dessen exotische Stoffe und Formen es mit Begierde für seine geheime Kunstsprache ausbeutete. Dieses Judendeutsch mit seinen fremdartig erscheinenden bunten Typen gewährte der deutschen Gaunersprache eine durchaus eigenthümliche Bereicherung, wie in keiner andern Volkssprache eine auch nur ähnliche Zusammen- schiebung möglich werden konnte, ungeachtet seit dem 16. Jahr- hundert die eine entfernte Analogie darbietende maccaronische Poesie von Jtalien her einen kurzen Umzug durch das romanische
eine Menge althochdeutſcher, altniederdeutſcher und mittelhochdeut- ſcher Wörter mit zum Theil nur wenig verſchobener Bedeutung in der deutſchen Gaunerſprache erhalten, und in dieſer oft über- raſchend treuen Bewahrung alter Formen blicken ſogar auch ein- zelne reine gothiſche Formen heraus, wie ſich z. B. der gothiſche „Hauhns“ bis zur Stunde im vollen geläufigen Gaunergebrauch erhalten hat. Meiſtens nur in neuhochdeutſchen Wörtern tritt die Aehnlichkeit der deutſchen Gaunerſprache mit den romaniſchen Gaunerſprachen am ſchärfſten hervor, deren weſentlichſter Grund- zug nicht etwa die Modulation der Wurzelformen und Flexionen iſt, ſondern vorzugsweiſe die Verſchiebung der logiſchen Bedeutung zu frivolen Metaphern.
Einen ungemein reichen und durchaus eigenthümlichen Bei- ſatz hat aber die deutſche Gaunerſprache durch die jüdiſchdeutſche Sprache gewonnen, jene gewaltſame unnatürliche Zuſammen- ſchiebung indogermaniſcher und ſemitiſcher Sprachtypen, welche für alle Zeit als trübes Denkmal unmenſchlicher Verfolgung und Er- niedrigung des alten Gottesvolkes bleiben wird und welche ſo tief eingeätzt ſteht auf dem deutſchen Cultur- und Sprachboden, wie Blutſpuren auf einer Folterbank. Das in ſeiner Ausbildung fort- ſchreitende Gaunerthum fand bei ſeiner Verfolgung und bei ſeiner Flucht in die niedrigſten Volksſchichten das von der rohen allge- meinen Verachtung in ebendieſelbe niedrige Sphäre hinabgedrückte Volk der Juden und mit ihm das wunderliche Sprachgeſchiebe vor, deſſen exotiſche Stoffe und Formen es mit Begierde für ſeine geheime Kunſtſprache ausbeutete. Dieſes Judendeutſch mit ſeinen fremdartig erſcheinenden bunten Typen gewährte der deutſchen Gaunerſprache eine durchaus eigenthümliche Bereicherung, wie in keiner andern Volksſprache eine auch nur ähnliche Zuſammen- ſchiebung möglich werden konnte, ungeachtet ſeit dem 16. Jahr- hundert die eine entfernte Analogie darbietende maccaroniſche Poeſie von Jtalien her einen kurzen Umzug durch das romaniſche
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[VIII/0012]
eine Menge althochdeutſcher, altniederdeutſcher und mittelhochdeut-
ſcher Wörter mit zum Theil nur wenig verſchobener Bedeutung
in der deutſchen Gaunerſprache erhalten, und in dieſer oft über-
raſchend treuen Bewahrung alter Formen blicken ſogar auch ein-
zelne reine gothiſche Formen heraus, wie ſich z. B. der gothiſche
„Hauhns“ bis zur Stunde im vollen geläufigen Gaunergebrauch
erhalten hat. Meiſtens nur in neuhochdeutſchen Wörtern tritt die
Aehnlichkeit der deutſchen Gaunerſprache mit den romaniſchen
Gaunerſprachen am ſchärfſten hervor, deren weſentlichſter Grund-
zug nicht etwa die Modulation der Wurzelformen und Flexionen
iſt, ſondern vorzugsweiſe die Verſchiebung der logiſchen Bedeutung
zu frivolen Metaphern.
Einen ungemein reichen und durchaus eigenthümlichen Bei-
ſatz hat aber die deutſche Gaunerſprache durch die jüdiſchdeutſche
Sprache gewonnen, jene gewaltſame unnatürliche Zuſammen-
ſchiebung indogermaniſcher und ſemitiſcher Sprachtypen, welche für
alle Zeit als trübes Denkmal unmenſchlicher Verfolgung und Er-
niedrigung des alten Gottesvolkes bleiben wird und welche ſo tief
eingeätzt ſteht auf dem deutſchen Cultur- und Sprachboden, wie
Blutſpuren auf einer Folterbank. Das in ſeiner Ausbildung fort-
ſchreitende Gaunerthum fand bei ſeiner Verfolgung und bei ſeiner
Flucht in die niedrigſten Volksſchichten das von der rohen allge-
meinen Verachtung in ebendieſelbe niedrige Sphäre hinabgedrückte
Volk der Juden und mit ihm das wunderliche Sprachgeſchiebe
vor, deſſen exotiſche Stoffe und Formen es mit Begierde für ſeine
geheime Kunſtſprache ausbeutete. Dieſes Judendeutſch mit ſeinen
fremdartig erſcheinenden bunten Typen gewährte der deutſchen
Gaunerſprache eine durchaus eigenthümliche Bereicherung, wie in
keiner andern Volksſprache eine auch nur ähnliche Zuſammen-
ſchiebung möglich werden konnte, ungeachtet ſeit dem 16. Jahr-
hundert die eine entfernte Analogie darbietende maccaroniſche
Poeſie von Jtalien her einen kurzen Umzug durch das romaniſche
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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862, S. VIII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum03_1862/12>, abgerufen am 21.11.2024.
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