der freien christlichen Wissenschaft für die deutsche Jugend schuf. Mit wunderbarer Gewalt faßte noch an der Grenze des Mittel- alters und des fahrenden Scholastenthums der Liber Vagatorum dies Scholastenthum, indem er das Wesen desselben noch einmal kurz und kräftig skizzirte, eine Menge Typen seiner elenden Kunstsprache in das Vocabular zusammentrug und damit die ganze morsche Er- scheinung gegen den Boden zerschellte. Damit räumte er der nach- folgenden Reformation mit den protestantischen Universitäten und deren frischem akademischen Leben den Boden auf. Darum schlug der Liber Vagatorum so gewaltig bei Luther und den protestan- tischen Theologen durch, und bei keinem Buche vergißt man leich- ter, daß es aus katholischer Feder geflossen ist, als bei dem Liber Vagatorum.
Bezeichnend endlich für das fahrende Scholastenthum, für das deutsche Studententhum und für das Gaunerthum ist es, daß, so eifrig auch das letztere die scholastischen Formen copirte und eine Menge scholastischer Ausdrücke dazu schuf, doch niemals die Gau- nersprache einen wirklichen echten Ausdruck des deutschen Studen- tenthums zu adoptiren wagte. Das deutsche Studententhum hatte ein zu helles Wesen, als daß eins seiner wenn auch oft unkla- ren, eigenthümlichen Wörter in die versteckte Gaunersprache hätte aufgenommen werden können ohne Gefahr, auch im Dunkel wie ein heller Funke zu leuchten. Wenn auch von dem in tausend- fachem Blütenschmuck dastehenden Baume des deutschen Studenten- thums manche taube Blüten in den dunkeln Schos des Gauner- thums fielen, so waren es doch bereits abgestorbene einzelne Blüten, welche schon lange weder Duft noch Lebenskraft hatten und rasch auf dem trüben Boden verfaulten, auf den sie gefallen waren. Trifft man daher in den Studentenwörterbüchern, wie z. B. in dem von Kindleben 1), Ausdrücke, welche man in der Gauner-
1) "Studentenlerikon. Aus den Papieren eines unglücklichen Philosophen, Florido genannt, ans Tageslicht gestellt" (Halle 1781). Viel besser und durch- aus im Studententon gehalten ist das kleine Werk von A. H.: "Allgemeine deutsche Studentensprache oder studentikoses Jdiotikon" (zweite vermehrte Auf- lage, Jena 1860).
Ave-Lallemant, Gaunerthum. III. 7
der freien chriſtlichen Wiſſenſchaft für die deutſche Jugend ſchuf. Mit wunderbarer Gewalt faßte noch an der Grenze des Mittel- alters und des fahrenden Scholaſtenthums der Liber Vagatorum dies Scholaſtenthum, indem er das Weſen deſſelben noch einmal kurz und kräftig ſkizzirte, eine Menge Typen ſeiner elenden Kunſtſprache in das Vocabular zuſammentrug und damit die ganze morſche Er- ſcheinung gegen den Boden zerſchellte. Damit räumte er der nach- folgenden Reformation mit den proteſtantiſchen Univerſitäten und deren friſchem akademiſchen Leben den Boden auf. Darum ſchlug der Liber Vagatorum ſo gewaltig bei Luther und den proteſtan- tiſchen Theologen durch, und bei keinem Buche vergißt man leich- ter, daß es aus katholiſcher Feder gefloſſen iſt, als bei dem Liber Vagatorum.
Bezeichnend endlich für das fahrende Scholaſtenthum, für das deutſche Studententhum und für das Gaunerthum iſt es, daß, ſo eifrig auch das letztere die ſcholaſtiſchen Formen copirte und eine Menge ſcholaſtiſcher Ausdrücke dazu ſchuf, doch niemals die Gau- nerſprache einen wirklichen echten Ausdruck des deutſchen Studen- tenthums zu adoptiren wagte. Das deutſche Studententhum hatte ein zu helles Weſen, als daß eins ſeiner wenn auch oft unkla- ren, eigenthümlichen Wörter in die verſteckte Gaunerſprache hätte aufgenommen werden können ohne Gefahr, auch im Dunkel wie ein heller Funke zu leuchten. Wenn auch von dem in tauſend- fachem Blütenſchmuck daſtehenden Baume des deutſchen Studenten- thums manche taube Blüten in den dunkeln Schos des Gauner- thums fielen, ſo waren es doch bereits abgeſtorbene einzelne Blüten, welche ſchon lange weder Duft noch Lebenskraft hatten und raſch auf dem trüben Boden verfaulten, auf den ſie gefallen waren. Trifft man daher in den Studentenwörterbüchern, wie z. B. in dem von Kindleben 1), Ausdrücke, welche man in der Gauner-
1) „Studentenlerikon. Aus den Papieren eines unglücklichen Philoſophen, Florido genannt, ans Tageslicht geſtellt“ (Halle 1781). Viel beſſer und durch- aus im Studententon gehalten iſt das kleine Werk von A. H.: „Allgemeine deutſche Studentenſprache oder ſtudentikoſes Jdiotikon“ (zweite vermehrte Auf- lage, Jena 1860).
Avé-Lallemant, Gaunerthum. III. 7
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der freien chriſtlichen Wiſſenſchaft für die deutſche Jugend ſchuf.
Mit wunderbarer Gewalt faßte noch an der Grenze des Mittel-
alters und des fahrenden Scholaſtenthums der Liber Vagatorum
dies Scholaſtenthum, indem er das Weſen deſſelben noch einmal kurz
und kräftig ſkizzirte, eine Menge Typen ſeiner elenden Kunſtſprache
in das Vocabular zuſammentrug und damit die ganze morſche Er-
ſcheinung gegen den Boden zerſchellte. Damit räumte er der nach-
folgenden Reformation mit den proteſtantiſchen Univerſitäten und
deren friſchem akademiſchen Leben den Boden auf. Darum ſchlug
der Liber Vagatorum ſo gewaltig bei Luther und den proteſtan-
tiſchen Theologen durch, und bei keinem Buche vergißt man leich-
ter, daß es aus katholiſcher Feder gefloſſen iſt, als bei dem Liber
Vagatorum.
Bezeichnend endlich für das fahrende Scholaſtenthum, für das
deutſche Studententhum und für das Gaunerthum iſt es, daß, ſo
eifrig auch das letztere die ſcholaſtiſchen Formen copirte und eine
Menge ſcholaſtiſcher Ausdrücke dazu ſchuf, doch niemals die Gau-
nerſprache einen wirklichen echten Ausdruck des deutſchen Studen-
tenthums zu adoptiren wagte. Das deutſche Studententhum hatte
ein zu helles Weſen, als daß eins ſeiner wenn auch oft unkla-
ren, eigenthümlichen Wörter in die verſteckte Gaunerſprache hätte
aufgenommen werden können ohne Gefahr, auch im Dunkel wie
ein heller Funke zu leuchten. Wenn auch von dem in tauſend-
fachem Blütenſchmuck daſtehenden Baume des deutſchen Studenten-
thums manche taube Blüten in den dunkeln Schos des Gauner-
thums fielen, ſo waren es doch bereits abgeſtorbene einzelne Blüten,
welche ſchon lange weder Duft noch Lebenskraft hatten und raſch
auf dem trüben Boden verfaulten, auf den ſie gefallen waren.
Trifft man daher in den Studentenwörterbüchern, wie z. B. in
dem von Kindleben 1), Ausdrücke, welche man in der Gauner-
1) „Studentenlerikon. Aus den Papieren eines unglücklichen Philoſophen,
Florido genannt, ans Tageslicht geſtellt“ (Halle 1781). Viel beſſer und durch-
aus im Studententon gehalten iſt das kleine Werk von A. H.: „Allgemeine
deutſche Studentenſprache oder ſtudentikoſes Jdiotikon“ (zweite vermehrte Auf-
lage, Jena 1860).
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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum03_1862/131>, abgerufen am 21.11.2024.
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