Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862.Sprache auf1), deren wesentliches Streben darauf hinausgeht, 1) Am plattesten und lächerlichsten läuft die Jägersprache aus, wenn sie es unternimmt, die Laute der Thiere, besonders der Vögel, in sprachliche Aus- drücke zu kleiden, was denn auch in den schalen, ekelhaften Dichtungen Hoff- mannswaldau's unausstehlich widerlich hervorklingt, wenn er z. B. sagt: "Es tiritirilirt die Lerche" u. s. w. (vgl. Vilmar, II, 41). Komisch machen sich die besonders von Bechstein versuchten Ausdrücke, z. B. das Gelocke der Heidelerche "Dadigoi", oder der Wiesenlerche "Js gis" (vgl. den in der folgenden Note citir- ten G. F. D. aus dem Winckell, II, 491 und 500). Welche ungeahnte gefähr- liche Sprache der Natur, wenn ein durch Flur und Wald streifender Gauner in Dadi goi ([fremdsprachliches Material]) "mein Heidenvetter" und in Js gis ([fremdsprachliches Material]) "Mann. Schwager" deutlich rufen hört, wovon der alte vogelsprachlehrende Eremit in C. Brentano's herrlichem Märchen "Schulmeister Klopfstock und seine Söhne" wol kaum eine Ahnung gehabt haben mag, wenn er nicht etwa selbst ein Pö- nitenz übender Gauner war. 2) Einen klaren Ueberblick über die Jägersprache gewährt, obschon ein eige-
nes Jagdwörterbuch nicht beigegeben ist, G. F. D. aus dem Winckell's vortreff- liches "Handbuch für Jäger, Jagdberechtigte und Jagdliebhaber" (3 Thle., Leipzig 1805--6; dritte Auflage, 1858), welches die besten Handbücher und Quellen benutzt hat. Es ist merkwürdig, wie auch in der deutschen Jagd- sprache die Sucht, das Fremde nachzuahmen, sich nicht verleugnen konnte, wäh- rend die französische Jagdsprache, wenn auch immer zierlich und paraphrastisch, doch einfacher und verständlicher ist. Die deutsche Jagdsprache hat gleich der gewöhnlichen Umgangssprache sogar einzelne französelnde Ausdrücke aufzuwei- sen, welche keineswegs französisch sprachrichtig sind. So z. B. kennt der Fran- zose den Ausdruck par force im deutschen Jagdausdruck "Parforcejagd" gar nicht, wie denn überhaupt par force unfranzösisch ist. Für Parforcejagd hat die französische Jagdsprache chasse a cor et a cri, oder chasse a courre, oder chasse aux chiens courrants, oder auch mit bestimmter Bezeichnung des Wildes chasse du cerf, du renard u. s. w. Dagegen haben die alten schönen, meistens aus Frankreich stammenden Jagdsignale und Jagdmelodien sich auch in Deutschland noch rein erhalten und sowol durch ihre Einfachheit, indem sie meistens nur für zwei Hörner geschrieben sind, als durch ihren Periodenbau im Sechsachtel- oder Zwölfachteltakt, sowie durch ihre meistens ungesuchte Be- Sprache auf1), deren weſentliches Streben darauf hinausgeht, 1) Am platteſten und lächerlichſten läuft die Jägerſprache aus, wenn ſie es unternimmt, die Laute der Thiere, beſonders der Vögel, in ſprachliche Aus- drücke zu kleiden, was denn auch in den ſchalen, ekelhaften Dichtungen Hoff- mannswaldau’s unausſtehlich widerlich hervorklingt, wenn er z. B. ſagt: „Es tiritirilirt die Lerche“ u. ſ. w. (vgl. Vilmar, II, 41). Komiſch machen ſich die beſonders von Bechſtein verſuchten Ausdrücke, z. B. das Gelocke der Heidelerche „Dadigoi“, oder der Wieſenlerche „Js gis“ (vgl. den in der folgenden Note citir- ten G. F. D. aus dem Winckell, II, 491 und 500). Welche ungeahnte gefähr- liche Sprache der Natur, wenn ein durch Flur und Wald ſtreifender Gauner in Dadi goi ([fremdsprachliches Material]) „mein Heidenvetter“ und in Js gis ([fremdsprachliches Material]) „Mann. Schwager“ deutlich rufen hört, wovon der alte vogelſprachlehrende Eremit in C. Brentano’s herrlichem Märchen „Schulmeiſter Klopfſtock und ſeine Söhne“ wol kaum eine Ahnung gehabt haben mag, wenn er nicht etwa ſelbſt ein Pö- nitenz übender Gauner war. 2) Einen klaren Ueberblick über die Jägerſprache gewährt, obſchon ein eige-
nes Jagdwörterbuch nicht beigegeben iſt, G. F. D. aus dem Winckell’s vortreff- liches „Handbuch für Jäger, Jagdberechtigte und Jagdliebhaber“ (3 Thle., Leipzig 1805—6; dritte Auflage, 1858), welches die beſten Handbücher und Quellen benutzt hat. Es iſt merkwürdig, wie auch in der deutſchen Jagd- ſprache die Sucht, das Fremde nachzuahmen, ſich nicht verleugnen konnte, wäh- rend die franzöſiſche Jagdſprache, wenn auch immer zierlich und paraphraſtiſch, doch einfacher und verſtändlicher iſt. Die deutſche Jagdſprache hat gleich der gewöhnlichen Umgangsſprache ſogar einzelne franzöſelnde Ausdrücke aufzuwei- ſen, welche keineswegs franzöſiſch ſprachrichtig ſind. So z. B. kennt der Fran- zoſe den Ausdruck par force im deutſchen Jagdausdruck „Parforcejagd“ gar nicht, wie denn überhaupt par force unfranzöſiſch iſt. Für Parforcejagd hat die franzöſiſche Jagdſprache chasse à cor et à cri, oder chasse à courre, oder chasse aux chiens courrants, oder auch mit beſtimmter Bezeichnung des Wildes chasse du cerf, du renard u. ſ. w. Dagegen haben die alten ſchönen, meiſtens aus Frankreich ſtammenden Jagdſignale und Jagdmelodien ſich auch in Deutſchland noch rein erhalten und ſowol durch ihre Einfachheit, indem ſie meiſtens nur für zwei Hörner geſchrieben ſind, als durch ihren Periodenbau im Sechsachtel- oder Zwölfachteltakt, ſowie durch ihre meiſtens ungeſuchte Be- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0140" n="106"/> Sprache auf<note place="foot" n="1)">Am platteſten und lächerlichſten läuft die Jägerſprache aus, wenn ſie<lb/> es unternimmt, die Laute der Thiere, beſonders der Vögel, in ſprachliche Aus-<lb/> drücke zu kleiden, was denn auch in den ſchalen, ekelhaften Dichtungen Hoff-<lb/> mannswaldau’s unausſtehlich widerlich hervorklingt, wenn er z. B. ſagt: „Es<lb/> tiritirilirt die Lerche“ u. ſ. w. (vgl. Vilmar, <hi rendition="#aq">II</hi>, 41). Komiſch machen ſich die<lb/> beſonders von Bechſtein verſuchten Ausdrücke, z. B. das Gelocke der Heidelerche<lb/> „Dadigoi“, oder der Wieſenlerche „Js gis“ (vgl. den in der folgenden Note citir-<lb/> ten G. F. D. aus dem Winckell, <hi rendition="#aq">II</hi>, 491 und 500). Welche ungeahnte gefähr-<lb/> liche Sprache der Natur, wenn ein durch Flur und Wald ſtreifender Gauner<lb/> in Dadi goi (<gap reason="fm"/>) „mein Heidenvetter“ und in Js gis (<gap reason="fm"/>) „Mann.<lb/> Schwager“ deutlich rufen hört, wovon der alte vogelſprachlehrende Eremit in<lb/> C. Brentano’s herrlichem Märchen „Schulmeiſter Klopfſtock und ſeine Söhne“<lb/> wol kaum eine Ahnung gehabt haben mag, wenn er nicht etwa ſelbſt ein Pö-<lb/> nitenz übender Gauner war.</note>, deren weſentliches Streben darauf hinausgeht,<lb/> eine rohe, ſinnloſe Metapherſprache im Schwange zu halten, wel-<lb/> cher Wahrheit, Poeſie und Geſchmack, ja ſogar ſehr oft aller Sinn<lb/> abgeht, und deren Kriterium man am beſten in der rauhen Ge-<lb/> walt finden kann, mit welcher das Jägerthum den in das Jagd-<lb/> leben hineintretenden Laien zum Gebrauch ſeiner Vocabulatur<lb/> zwingt und ſeine Verſtöße dagegen in roher Weiſe zu rügen<lb/> weiß. <note xml:id="seg2pn_13_1" next="#seg2pn_13_2" place="foot" n="2)">Einen klaren Ueberblick über die Jägerſprache gewährt, obſchon ein eige-<lb/> nes Jagdwörterbuch nicht beigegeben iſt, G. F. D. aus dem Winckell’s vortreff-<lb/> liches „Handbuch für Jäger, Jagdberechtigte und Jagdliebhaber“ (3 Thle.,<lb/> Leipzig 1805—6; dritte Auflage, 1858), welches die beſten Handbücher und<lb/> Quellen benutzt hat. Es iſt merkwürdig, wie auch in der deutſchen Jagd-<lb/> ſprache die Sucht, das Fremde nachzuahmen, ſich nicht verleugnen konnte, wäh-<lb/> rend die franzöſiſche Jagdſprache, wenn auch immer zierlich und paraphraſtiſch,<lb/> doch einfacher und verſtändlicher iſt. Die deutſche Jagdſprache hat gleich der<lb/> gewöhnlichen Umgangsſprache ſogar einzelne franzöſelnde Ausdrücke aufzuwei-<lb/> ſen, welche keineswegs franzöſiſch ſprachrichtig ſind. So z. B. kennt der Fran-<lb/> zoſe den Ausdruck <hi rendition="#aq">par force</hi> im deutſchen Jagdausdruck „Parforcejagd“ gar<lb/> nicht, wie denn überhaupt <hi rendition="#aq">par force</hi> unfranzöſiſch iſt. Für Parforcejagd hat<lb/> die franzöſiſche Jagdſprache <hi rendition="#aq">chasse à cor et à cri</hi>, oder <hi rendition="#aq">chasse à courre</hi>,<lb/> oder <hi rendition="#aq">chasse aux chiens courrants</hi>, oder auch mit beſtimmter Bezeichnung des<lb/> Wildes <hi rendition="#aq">chasse du cerf, du renard</hi> u. ſ. w. Dagegen haben die alten ſchönen,<lb/> meiſtens aus Frankreich ſtammenden Jagdſignale und Jagdmelodien ſich auch<lb/> in Deutſchland noch rein erhalten und ſowol durch ihre Einfachheit, indem ſie<lb/> meiſtens nur für zwei Hörner geſchrieben ſind, als durch ihren Periodenbau im<lb/> Sechsachtel- oder Zwölfachteltakt, ſowie durch ihre meiſtens ungeſuchte Be-</note></p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [106/0140]
Sprache auf 1), deren weſentliches Streben darauf hinausgeht,
eine rohe, ſinnloſe Metapherſprache im Schwange zu halten, wel-
cher Wahrheit, Poeſie und Geſchmack, ja ſogar ſehr oft aller Sinn
abgeht, und deren Kriterium man am beſten in der rauhen Ge-
walt finden kann, mit welcher das Jägerthum den in das Jagd-
leben hineintretenden Laien zum Gebrauch ſeiner Vocabulatur
zwingt und ſeine Verſtöße dagegen in roher Weiſe zu rügen
weiß. 2)
1) Am platteſten und lächerlichſten läuft die Jägerſprache aus, wenn ſie
es unternimmt, die Laute der Thiere, beſonders der Vögel, in ſprachliche Aus-
drücke zu kleiden, was denn auch in den ſchalen, ekelhaften Dichtungen Hoff-
mannswaldau’s unausſtehlich widerlich hervorklingt, wenn er z. B. ſagt: „Es
tiritirilirt die Lerche“ u. ſ. w. (vgl. Vilmar, II, 41). Komiſch machen ſich die
beſonders von Bechſtein verſuchten Ausdrücke, z. B. das Gelocke der Heidelerche
„Dadigoi“, oder der Wieſenlerche „Js gis“ (vgl. den in der folgenden Note citir-
ten G. F. D. aus dem Winckell, II, 491 und 500). Welche ungeahnte gefähr-
liche Sprache der Natur, wenn ein durch Flur und Wald ſtreifender Gauner
in Dadi goi (_ ) „mein Heidenvetter“ und in Js gis (_ ) „Mann.
Schwager“ deutlich rufen hört, wovon der alte vogelſprachlehrende Eremit in
C. Brentano’s herrlichem Märchen „Schulmeiſter Klopfſtock und ſeine Söhne“
wol kaum eine Ahnung gehabt haben mag, wenn er nicht etwa ſelbſt ein Pö-
nitenz übender Gauner war.
2) Einen klaren Ueberblick über die Jägerſprache gewährt, obſchon ein eige-
nes Jagdwörterbuch nicht beigegeben iſt, G. F. D. aus dem Winckell’s vortreff-
liches „Handbuch für Jäger, Jagdberechtigte und Jagdliebhaber“ (3 Thle.,
Leipzig 1805—6; dritte Auflage, 1858), welches die beſten Handbücher und
Quellen benutzt hat. Es iſt merkwürdig, wie auch in der deutſchen Jagd-
ſprache die Sucht, das Fremde nachzuahmen, ſich nicht verleugnen konnte, wäh-
rend die franzöſiſche Jagdſprache, wenn auch immer zierlich und paraphraſtiſch,
doch einfacher und verſtändlicher iſt. Die deutſche Jagdſprache hat gleich der
gewöhnlichen Umgangsſprache ſogar einzelne franzöſelnde Ausdrücke aufzuwei-
ſen, welche keineswegs franzöſiſch ſprachrichtig ſind. So z. B. kennt der Fran-
zoſe den Ausdruck par force im deutſchen Jagdausdruck „Parforcejagd“ gar
nicht, wie denn überhaupt par force unfranzöſiſch iſt. Für Parforcejagd hat
die franzöſiſche Jagdſprache chasse à cor et à cri, oder chasse à courre,
oder chasse aux chiens courrants, oder auch mit beſtimmter Bezeichnung des
Wildes chasse du cerf, du renard u. ſ. w. Dagegen haben die alten ſchönen,
meiſtens aus Frankreich ſtammenden Jagdſignale und Jagdmelodien ſich auch
in Deutſchland noch rein erhalten und ſowol durch ihre Einfachheit, indem ſie
meiſtens nur für zwei Hörner geſchrieben ſind, als durch ihren Periodenbau im
Sechsachtel- oder Zwölfachteltakt, ſowie durch ihre meiſtens ungeſuchte Be-
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