Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862.fluß. Die vier classischen Gaunerwörterbücher des 17. und 18. Wenn man nun den starken Einfluß des Soldatenthums fluß. Die vier claſſiſchen Gaunerwörterbücher des 17. und 18. Wenn man nun den ſtarken Einfluß des Soldatenthums <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0158" n="124"/> fluß. Die vier claſſiſchen Gaunerwörterbücher des 17. und 18.<lb/> Jahrhunderts geben ein intereſſantes Bild von jenem unmittel-<lb/> barſten Einfluß des Soldatenthums auf das Gaunerthum und<lb/> deſſen Sprache. Die Gaunerſprache iſt im Vocabular des An-<lb/> dreas Hempel und im Waldheimer Wörterbuch ſchon ſehr<lb/> ſtark emancipirt von der ſeit Gerold Edlibach und dem <hi rendition="#aq">Liber<lb/> vagatorum</hi> ſichtlich bemerkbaren jüdiſchdeutſchen Jmprägnation<lb/> und erſcheint gewiſſermaßen germaniſirter. Sie enthält vor-<lb/> herrſchend rohe deutſche Volksausdrücke mit meiſtens verſcho-<lb/> bener Bedeutung und auch einzelne Ausdrücke lebender europäi-<lb/> ſcher Sprachen, beſonders aber auch rohe verdorbene Zigeuner-<lb/> ausdrücke, welche durch die Gemeinſchaft der Soldaten mit den<lb/> gleichfalls im Dreißigjährigen Kriege als Söldner und Kund-<lb/> ſchafter verwendeten Zigeunern (vgl. Th. <hi rendition="#aq">I</hi>, S. 31 und 72) in<lb/> die Gaunerſprache Aufnahme gefunden hatten. Das Hildburg-<lb/> hauſener Wörterbuch (1753) tritt dagegen ſchon wieder etwas<lb/> mehr in die judendeutſche Färbung zurück, und das Wörterbuch<lb/> des Konſtanzer Hans (1791) hat ſchon wieder ganz die alte<lb/> Miſchung mit dem Judendeutſch, welche zum Theil ſogar noch<lb/> ſtärker iſt als die des <hi rendition="#aq">Liber vagatorum.</hi> Dieſe Reſtitution der<lb/> gaunerſprachlichen Miſchung iſt lediglich die Folge des allmählichen<lb/> Rücktritts des Soldatenthums vom Gaunerthum, zu welchem<lb/> erſteres durch die glücklicher gelingende Kriegszucht gezwungen<lb/> wurde. Dabei wird man aber durch die mit dem Waldheimer<lb/> Wörterbuch gleichzeitig erſchienene Koburger Deſignation des<lb/> jüdiſchen Baldobers mit ihren durchgehends jüdiſchdeutſchen Vo-<lb/> cabeln belehrt, daß das jüdiſche Gaunerthum zu jener Zeit wahr-<lb/> lich nicht die Hände in den Schos gelegt, ſondern den lebendigſten<lb/> Antheil an der fortſchreitenden Bildung des Gaunerthums über-<lb/> haupt gehabt hatte.</p><lb/> <p>Wenn man nun den ſtarken Einfluß des Soldatenthums<lb/> in und nach dem Dreißigjährigen Kriege in der Gaunerſprache<lb/> unverkennbar deutlich ſieht, ſo kann man auch wieder aus dem<lb/> ſtärkern Zuſchlag des Judendeutſch ſeit der Mitte des vorigen<lb/> Jahrhunderts die allmähliche Abkehr des Soldatenthums vom<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [124/0158]
fluß. Die vier claſſiſchen Gaunerwörterbücher des 17. und 18.
Jahrhunderts geben ein intereſſantes Bild von jenem unmittel-
barſten Einfluß des Soldatenthums auf das Gaunerthum und
deſſen Sprache. Die Gaunerſprache iſt im Vocabular des An-
dreas Hempel und im Waldheimer Wörterbuch ſchon ſehr
ſtark emancipirt von der ſeit Gerold Edlibach und dem Liber
vagatorum ſichtlich bemerkbaren jüdiſchdeutſchen Jmprägnation
und erſcheint gewiſſermaßen germaniſirter. Sie enthält vor-
herrſchend rohe deutſche Volksausdrücke mit meiſtens verſcho-
bener Bedeutung und auch einzelne Ausdrücke lebender europäi-
ſcher Sprachen, beſonders aber auch rohe verdorbene Zigeuner-
ausdrücke, welche durch die Gemeinſchaft der Soldaten mit den
gleichfalls im Dreißigjährigen Kriege als Söldner und Kund-
ſchafter verwendeten Zigeunern (vgl. Th. I, S. 31 und 72) in
die Gaunerſprache Aufnahme gefunden hatten. Das Hildburg-
hauſener Wörterbuch (1753) tritt dagegen ſchon wieder etwas
mehr in die judendeutſche Färbung zurück, und das Wörterbuch
des Konſtanzer Hans (1791) hat ſchon wieder ganz die alte
Miſchung mit dem Judendeutſch, welche zum Theil ſogar noch
ſtärker iſt als die des Liber vagatorum. Dieſe Reſtitution der
gaunerſprachlichen Miſchung iſt lediglich die Folge des allmählichen
Rücktritts des Soldatenthums vom Gaunerthum, zu welchem
erſteres durch die glücklicher gelingende Kriegszucht gezwungen
wurde. Dabei wird man aber durch die mit dem Waldheimer
Wörterbuch gleichzeitig erſchienene Koburger Deſignation des
jüdiſchen Baldobers mit ihren durchgehends jüdiſchdeutſchen Vo-
cabeln belehrt, daß das jüdiſche Gaunerthum zu jener Zeit wahr-
lich nicht die Hände in den Schos gelegt, ſondern den lebendigſten
Antheil an der fortſchreitenden Bildung des Gaunerthums über-
haupt gehabt hatte.
Wenn man nun den ſtarken Einfluß des Soldatenthums
in und nach dem Dreißigjährigen Kriege in der Gaunerſprache
unverkennbar deutlich ſieht, ſo kann man auch wieder aus dem
ſtärkern Zuſchlag des Judendeutſch ſeit der Mitte des vorigen
Jahrhunderts die allmähliche Abkehr des Soldatenthums vom
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