besonders auffällig entgegentrat. Er mußte zwiefachen Fleiß auf die Wiedererlernung alles Vergessenen verwenden, und wenn die amtliche Tagesarbeit seine Kräfte vollauf in Anspruch genommen hatte, in vielen langen Nächten Studien machen, von deren Ernst und Umfang der Jnhalt dieses Werks Zeugniß ablegen mag. Einen hohen Lohn fand er aber in den Resultaten seiner Arbeit selbst. Ueberall in den geheimnißvollsten Tiefen des deutschen Volksbodens, selbst im trübsten Pfuhl der Sünde und Schande, wohin sich das Verbrechen verkrochen und er demselben nachge- forscht hatte, fand er doch tönendes Leben und in diesem Leben das Volk, wenn auch vom ekeln Schlamm der Sünde beschmuzt und vom entsetzlichen sittlichen Elend inficirt, aber doch immer noch mit lebensfähiger und heilbarer Constitution, nur verlockt und verführt und vom Verführer umstrickt gehalten!
Auch hier war der historische Faden das Knäuel, welches den Verfasser durch das unheimliche, wüste, unbetretene Labyrinth der Sprache leitete. War der Faden in grauer Vergangenheit erst festgeschürzt, so ließ sich an ihn alles anknüpfen, was in der wüsten Masse wirr durcheinander gezerrt und verschlungen dalag. So konnte er an diesen Faden alle die seltenen Schätze anreihen, die er seit Jahren mit unsaglicher Mühe und Geduld gesammelt hatte. So konnte er aus dem Geist und Leben des Volks die Klänge frei tönen lassen, welche neben allen schrillen Tönen des Verbrechens doch auch wie die ganze mächtige geheimnißvolle Tonfülle auf alten Ruinen erklingen und die Erinnerung an die Vergangenheit wie die Ahnung der Zukunft in gleich geheimniß- voller Mächtigkeit wecken. So konnte die ganze historische Gram- matik ein lebendiger ganzer Klang und wieder auch ein Zeugniß von der schlichten ehrlichen Treue werden, mit welchem bis in dieses Jahrhundert hinein hellblickende Regierungen und einzelne Gelehrte mindestens auf den tönenden Volksmund gelauscht und die Töne fixirt hatten. So konnte eine Encyklopädie der mannich-
beſonders auffällig entgegentrat. Er mußte zwiefachen Fleiß auf die Wiedererlernung alles Vergeſſenen verwenden, und wenn die amtliche Tagesarbeit ſeine Kräfte vollauf in Anſpruch genommen hatte, in vielen langen Nächten Studien machen, von deren Ernſt und Umfang der Jnhalt dieſes Werks Zeugniß ablegen mag. Einen hohen Lohn fand er aber in den Reſultaten ſeiner Arbeit ſelbſt. Ueberall in den geheimnißvollſten Tiefen des deutſchen Volksbodens, ſelbſt im trübſten Pfuhl der Sünde und Schande, wohin ſich das Verbrechen verkrochen und er demſelben nachge- forſcht hatte, fand er doch tönendes Leben und in dieſem Leben das Volk, wenn auch vom ekeln Schlamm der Sünde beſchmuzt und vom entſetzlichen ſittlichen Elend inficirt, aber doch immer noch mit lebensfähiger und heilbarer Conſtitution, nur verlockt und verführt und vom Verführer umſtrickt gehalten!
Auch hier war der hiſtoriſche Faden das Knäuel, welches den Verfaſſer durch das unheimliche, wüſte, unbetretene Labyrinth der Sprache leitete. War der Faden in grauer Vergangenheit erſt feſtgeſchürzt, ſo ließ ſich an ihn alles anknüpfen, was in der wüſten Maſſe wirr durcheinander gezerrt und verſchlungen dalag. So konnte er an dieſen Faden alle die ſeltenen Schätze anreihen, die er ſeit Jahren mit unſaglicher Mühe und Geduld geſammelt hatte. So konnte er aus dem Geiſt und Leben des Volks die Klänge frei tönen laſſen, welche neben allen ſchrillen Tönen des Verbrechens doch auch wie die ganze mächtige geheimnißvolle Tonfülle auf alten Ruinen erklingen und die Erinnerung an die Vergangenheit wie die Ahnung der Zukunft in gleich geheimniß- voller Mächtigkeit wecken. So konnte die ganze hiſtoriſche Gram- matik ein lebendiger ganzer Klang und wieder auch ein Zeugniß von der ſchlichten ehrlichen Treue werden, mit welchem bis in dieſes Jahrhundert hinein hellblickende Regierungen und einzelne Gelehrte mindeſtens auf den tönenden Volksmund gelauſcht und die Töne fixirt hatten. So konnte eine Encyklopädie der mannich-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0016"n="XII"/>
beſonders auffällig entgegentrat. Er mußte zwiefachen Fleiß auf<lb/>
die Wiedererlernung alles Vergeſſenen verwenden, und wenn die<lb/>
amtliche Tagesarbeit ſeine Kräfte vollauf in Anſpruch genommen<lb/>
hatte, in vielen langen Nächten Studien machen, von deren Ernſt<lb/>
und Umfang der Jnhalt dieſes Werks Zeugniß ablegen mag.<lb/>
Einen hohen Lohn fand er aber in den Reſultaten ſeiner Arbeit<lb/>ſelbſt. Ueberall in den geheimnißvollſten Tiefen des deutſchen<lb/>
Volksbodens, ſelbſt im trübſten Pfuhl der Sünde und Schande,<lb/>
wohin ſich das Verbrechen verkrochen und er demſelben nachge-<lb/>
forſcht hatte, fand er doch tönendes Leben und in dieſem Leben<lb/>
das Volk, wenn auch vom ekeln Schlamm der Sünde beſchmuzt<lb/>
und vom entſetzlichen ſittlichen Elend inficirt, aber doch immer<lb/>
noch mit lebensfähiger und heilbarer Conſtitution, nur verlockt<lb/>
und verführt und vom Verführer umſtrickt gehalten!</p><lb/><p>Auch hier war der hiſtoriſche Faden das Knäuel, welches<lb/>
den Verfaſſer durch das unheimliche, wüſte, unbetretene Labyrinth<lb/>
der Sprache leitete. War der Faden in grauer Vergangenheit erſt<lb/>
feſtgeſchürzt, ſo ließ ſich an ihn alles anknüpfen, was in der wüſten<lb/>
Maſſe wirr durcheinander gezerrt und verſchlungen dalag. So<lb/>
konnte er an dieſen Faden alle die ſeltenen Schätze anreihen, die<lb/>
er ſeit Jahren mit unſaglicher Mühe und Geduld geſammelt<lb/>
hatte. So konnte er aus dem Geiſt und Leben des Volks die<lb/>
Klänge frei tönen laſſen, welche neben allen ſchrillen Tönen des<lb/>
Verbrechens doch auch wie die ganze mächtige geheimnißvolle<lb/>
Tonfülle auf alten Ruinen erklingen und die Erinnerung an die<lb/>
Vergangenheit wie die Ahnung der Zukunft in gleich geheimniß-<lb/>
voller Mächtigkeit wecken. So konnte die ganze hiſtoriſche Gram-<lb/>
matik ein lebendiger ganzer Klang und wieder auch ein Zeugniß<lb/>
von der ſchlichten ehrlichen Treue werden, mit welchem bis in<lb/>
dieſes Jahrhundert hinein hellblickende Regierungen und einzelne<lb/>
Gelehrte mindeſtens auf den tönenden Volksmund gelauſcht und<lb/>
die Töne fixirt hatten. So konnte eine Encyklopädie der mannich-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[XII/0016]
beſonders auffällig entgegentrat. Er mußte zwiefachen Fleiß auf
die Wiedererlernung alles Vergeſſenen verwenden, und wenn die
amtliche Tagesarbeit ſeine Kräfte vollauf in Anſpruch genommen
hatte, in vielen langen Nächten Studien machen, von deren Ernſt
und Umfang der Jnhalt dieſes Werks Zeugniß ablegen mag.
Einen hohen Lohn fand er aber in den Reſultaten ſeiner Arbeit
ſelbſt. Ueberall in den geheimnißvollſten Tiefen des deutſchen
Volksbodens, ſelbſt im trübſten Pfuhl der Sünde und Schande,
wohin ſich das Verbrechen verkrochen und er demſelben nachge-
forſcht hatte, fand er doch tönendes Leben und in dieſem Leben
das Volk, wenn auch vom ekeln Schlamm der Sünde beſchmuzt
und vom entſetzlichen ſittlichen Elend inficirt, aber doch immer
noch mit lebensfähiger und heilbarer Conſtitution, nur verlockt
und verführt und vom Verführer umſtrickt gehalten!
Auch hier war der hiſtoriſche Faden das Knäuel, welches
den Verfaſſer durch das unheimliche, wüſte, unbetretene Labyrinth
der Sprache leitete. War der Faden in grauer Vergangenheit erſt
feſtgeſchürzt, ſo ließ ſich an ihn alles anknüpfen, was in der wüſten
Maſſe wirr durcheinander gezerrt und verſchlungen dalag. So
konnte er an dieſen Faden alle die ſeltenen Schätze anreihen, die
er ſeit Jahren mit unſaglicher Mühe und Geduld geſammelt
hatte. So konnte er aus dem Geiſt und Leben des Volks die
Klänge frei tönen laſſen, welche neben allen ſchrillen Tönen des
Verbrechens doch auch wie die ganze mächtige geheimnißvolle
Tonfülle auf alten Ruinen erklingen und die Erinnerung an die
Vergangenheit wie die Ahnung der Zukunft in gleich geheimniß-
voller Mächtigkeit wecken. So konnte die ganze hiſtoriſche Gram-
matik ein lebendiger ganzer Klang und wieder auch ein Zeugniß
von der ſchlichten ehrlichen Treue werden, mit welchem bis in
dieſes Jahrhundert hinein hellblickende Regierungen und einzelne
Gelehrte mindeſtens auf den tönenden Volksmund gelauſcht und
die Töne fixirt hatten. So konnte eine Encyklopädie der mannich-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862, S. XII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum03_1862/16>, abgerufen am 12.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.