Unwissenheit entstanden ist, so hat doch eben die bis zur Ver- wegenheit gesteigerte Sicherheit ihres Gebrauchs dem auch im Kellnerleben wuchernden Gaunerthum Gelegenheit und Lust ge- boten, solche ungeheuerliche Worte in die Gaunersprache aufzu- nehmen und ihnen eine bestimmte Bedeutung zu verleihen, vor- züglich aber sie zu Spitznamen für die Kellner selbst zu verwenden. Die Wortmengung ist so roh und albern, daß Beispiele fast Ekel erregen: fashionmodern, comfortablebequem, Smör- butter, Ostkäs, Waschslugadiener, Parasolschirm u. s. w. und die Spitznamen: Monsieur Parlewu, Sir Spiekju, Duju, Waschsluga, Gawaritje u. s. w. Haben diese auf angegebenem Wege entstandenen baren Albernheiten jedenfalls ihre besondere Geltung, so hat dazu die geheime Tieflingsprache sich auch aus der Gaunersprache nicht unbedeutend verstärkt und um- gekehrt auch dieser wieder manchen sprachlichen Zuwachs zugewen- det, z. B.: abschäften, mit der Zeche durchgehen; Aufdiesser, Lohndiener, Kellner, Wirth; bissig, theuer; jungmäßig, ohne Geld; Lichtenstein oder Nassauer sein, kein Geld haben; Nägel machen, groß thun; Rauner, Auge, Gesicht; halt's in Rauner, halt's im Auge; Tiefling, Kellner, Aufwärter; Wurf, Speise, Essen; Wurfplan, Speisekarte u. s. w. Nament- lich sind auch alle bereits Th. II, S. 153 fg., S. 165 fg. und S. 182 fg. erklärten Kunstregeln und Kunstausdrücke der Mak- kener und Kittenschieber unter dem verdorbensten Theil der Tief- linge bekannt. So haben wir am lübecker Polizeiamte den Th. II, S. 166 u. abgebildeten Echeder nebst einem ähnlichen größern gerade dem Hausknecht eines großen Hotels abgenommen, wo derselbe seine Klamoniß auf dem Futterboden kawure gelegt hatte.
Wie das ganze Treiben und die ganze zunächst für Wirth und Gast gleich gefährliche Stellung der Kellner in Deutschland ein scharfes Augenmerk verdient, so wenig dürfen auch beim Stu- dium der Gaunersprache jene eigenthümlichen Ausdrücke unbeachtet bleiben, welche mit den Tieflingen in die Hotels hinein und wie- der aus diesen herausziehen. Wer sich von dem Glanz und Com-
Unwiſſenheit entſtanden iſt, ſo hat doch eben die bis zur Ver- wegenheit geſteigerte Sicherheit ihres Gebrauchs dem auch im Kellnerleben wuchernden Gaunerthum Gelegenheit und Luſt ge- boten, ſolche ungeheuerliche Worte in die Gaunerſprache aufzu- nehmen und ihnen eine beſtimmte Bedeutung zu verleihen, vor- züglich aber ſie zu Spitznamen für die Kellner ſelbſt zu verwenden. Die Wortmengung iſt ſo roh und albern, daß Beiſpiele faſt Ekel erregen: faſhionmodern, comfortablebequem, Smör- butter, Oſtkäs, Waſchſlugadiener, Paraſolſchirm u. ſ. w. und die Spitznamen: Monſieur Parlewu, Sir Spiekju, Duju, Waſchſluga, Gawaritje u. ſ. w. Haben dieſe auf angegebenem Wege entſtandenen baren Albernheiten jedenfalls ihre beſondere Geltung, ſo hat dazu die geheime Tieflingſprache ſich auch aus der Gaunerſprache nicht unbedeutend verſtärkt und um- gekehrt auch dieſer wieder manchen ſprachlichen Zuwachs zugewen- det, z. B.: abſchäften, mit der Zeche durchgehen; Aufdieſſer, Lohndiener, Kellner, Wirth; biſſig, theuer; jungmäßig, ohne Geld; Lichtenſtein oder Naſſauer ſein, kein Geld haben; Nägel machen, groß thun; Rauner, Auge, Geſicht; halt’s in Rauner, halt’s im Auge; Tiefling, Kellner, Aufwärter; Wurf, Speiſe, Eſſen; Wurfplan, Speiſekarte u. ſ. w. Nament- lich ſind auch alle bereits Th. II, S. 153 fg., S. 165 fg. und S. 182 fg. erklärten Kunſtregeln und Kunſtausdrücke der Mak- kener und Kittenſchieber unter dem verdorbenſten Theil der Tief- linge bekannt. So haben wir am lübecker Polizeiamte den Th. II, S. 166 u. abgebildeten Echeder nebſt einem ähnlichen größern gerade dem Hausknecht eines großen Hotels abgenommen, wo derſelbe ſeine Klamoniß auf dem Futterboden kawure gelegt hatte.
Wie das ganze Treiben und die ganze zunächſt für Wirth und Gaſt gleich gefährliche Stellung der Kellner in Deutſchland ein ſcharfes Augenmerk verdient, ſo wenig dürfen auch beim Stu- dium der Gaunerſprache jene eigenthümlichen Ausdrücke unbeachtet bleiben, welche mit den Tieflingen in die Hotels hinein und wie- der aus dieſen herausziehen. Wer ſich von dem Glanz und Com-
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Unwiſſenheit entſtanden iſt, ſo hat doch eben die bis zur Ver-
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Kellnerleben wuchernden Gaunerthum Gelegenheit und Luſt ge-
boten, ſolche ungeheuerliche Worte in die Gaunerſprache aufzu-
nehmen und ihnen eine beſtimmte Bedeutung zu verleihen, vor-
züglich aber ſie zu Spitznamen für die Kellner ſelbſt zu verwenden.
Die Wortmengung iſt ſo roh und albern, daß Beiſpiele faſt Ekel
erregen: faſhionmodern, comfortablebequem, Smör-
butter, Oſtkäs, Waſchſlugadiener, Paraſolſchirm u. ſ. w.
und die Spitznamen: Monſieur Parlewu, Sir Spiekju,
Duju, Waſchſluga, Gawaritje u. ſ. w. Haben dieſe auf
angegebenem Wege entſtandenen baren Albernheiten jedenfalls ihre
beſondere Geltung, ſo hat dazu die geheime Tieflingſprache ſich
auch aus der Gaunerſprache nicht unbedeutend verſtärkt und um-
gekehrt auch dieſer wieder manchen ſprachlichen Zuwachs zugewen-
det, z. B.: abſchäften, mit der Zeche durchgehen; Aufdieſſer,
Lohndiener, Kellner, Wirth; biſſig, theuer; jungmäßig, ohne
Geld; Lichtenſtein oder Naſſauer ſein, kein Geld haben;
Nägel machen, groß thun; Rauner, Auge, Geſicht; halt’s
in Rauner, halt’s im Auge; Tiefling, Kellner, Aufwärter;
Wurf, Speiſe, Eſſen; Wurfplan, Speiſekarte u. ſ. w. Nament-
lich ſind auch alle bereits Th. II, S. 153 fg., S. 165 fg. und
S. 182 fg. erklärten Kunſtregeln und Kunſtausdrücke der Mak-
kener und Kittenſchieber unter dem verdorbenſten Theil der Tief-
linge bekannt. So haben wir am lübecker Polizeiamte den Th. II,
S. 166 u. abgebildeten Echeder nebſt einem ähnlichen größern
gerade dem Hausknecht eines großen Hotels abgenommen, wo
derſelbe ſeine Klamoniß auf dem Futterboden kawure gelegt
hatte.
Wie das ganze Treiben und die ganze zunächſt für Wirth
und Gaſt gleich gefährliche Stellung der Kellner in Deutſchland
ein ſcharfes Augenmerk verdient, ſo wenig dürfen auch beim Stu-
dium der Gaunerſprache jene eigenthümlichen Ausdrücke unbeachtet
bleiben, welche mit den Tieflingen in die Hotels hinein und wie-
der aus dieſen herausziehen. Wer ſich von dem Glanz und Com-
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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum03_1862/168>, abgerufen am 21.11.2024.
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