Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862.einander geworfen, dem sittlichen und materiellen Elend den lau- 1) "Historische Sinnbilder: | Oder kurtze | Beschreibung | darinnen die vor-
nehmste Ge | schichte vom Kayser Augusto biß Au | gustulum, Jhre geführte Regierung, | denckwürdige Reden vnd Thaten, also | abgefasset, daß sie mit Lust erlernet, | leichtlich behalten, vnd in wenig | Stunden widerholet werden | kön- nen. | Gestellet durch | Sebastianum Aepinum, | Leiningen-Westerburgischen | Hoff-Predigern zu Rixingen. | Straßburg, | bey J. Chr. Nagel. Anno MDC. LX" (2 Thle., 12.). Genau in gleichem Format und mit völlig gleichem Druck ist in meinem Exemplare angefügt ein ganz unverständliches "Seltzames Traumge- sicht", 83 S., mit einem "Traums-verantwortlichen Anhang" von 103 S. und 71 S., unter dem (mit alter, vergilbter Handschrift vorangesetzten) Titel: "Kurtze und kurtzweilige Beschreibung der zuvor unerhörten Reise, welche H. Bilgram von Hohenwandern ohnlängsten in die Newe Oberwelt des Mondes gethan. Traumgeschicht von Dir und Mir. Epimenides. Morpheus. Endymio. Porta Cornea. Porta Eburnea." Es ist kaum zweifelhaft, daß Aepinus selbst der Verfasser dieser wüsten und wirren Darstellung ist, welche ein recht treffendes Bild von der damaligen breiten, schwülstigen und selbstgefälligen witzlosen Schreib- weise gibt. Merkwürdig sind im zweiten Anhange S. 47--49 einige jüdisch- deutsche Vocabeln, z. B. Dmeye (Tmea), Metze, Bethulim, Jungfrawschafft, Besel (Possul), Bild, Ponim, Gesicht u. s. w. einander geworfen, dem ſittlichen und materiellen Elend den lau- 1) „Hiſtoriſche Sinnbilder: | Oder kurtze | Beſchreibung | darinnen die vor-
nehmſte Ge | ſchichte vom Kayſer Augusto biß Au | gustulum, Jhre geführte Regierung, | denckwürdige Reden vnd Thaten, alſo | abgefaſſet, daß ſie mit Luſt erlernet, | leichtlich behalten, vnd in wenig | Stunden widerholet werden | kön- nen. | Geſtellet durch | Sebastianum Aepinum, | Leiningen-Weſterburgiſchen | Hoff-Predigern zu Rixingen. | Straßburg, | bey J. Chr. Nagel. Anno MDC. LX“ (2 Thle., 12.). Genau in gleichem Format und mit völlig gleichem Druck iſt in meinem Exemplare angefügt ein ganz unverſtändliches „Seltzames Traumge- ſicht“, 83 S., mit einem „Traums-verantwortlichen Anhang“ von 103 S. und 71 S., unter dem (mit alter, vergilbter Handſchrift vorangeſetzten) Titel: „Kurtze und kurtzweilige Beſchreibung der zuvor unerhörten Reiſe, welche H. Bilgram von Hohenwandern ohnlängſten in die Newe Oberwelt des Mondes gethan. Traumgeſchicht von Dir und Mir. Epimenides. Morpheus. Endymiõ. Porta Cornea. Porta Eburnea.“ Es iſt kaum zweifelhaft, daß Aepinus ſelbſt der Verfaſſer dieſer wüſten und wirren Darſtellung iſt, welche ein recht treffendes Bild von der damaligen breiten, ſchwülſtigen und ſelbſtgefälligen witzloſen Schreib- weiſe gibt. Merkwürdig ſind im zweiten Anhange S. 47—49 einige jüdiſch- deutſche Vocabeln, z. B. Dmeye (Tmea), Metze, Bethulim, Jungfrawſchafft, Besel (Possul), Bild, Ponim, Geſicht u. ſ. w. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0216" n="182"/> einander geworfen, dem ſittlichen und materiellen Elend den lau-<lb/> teſten Nothſchrei ausgepreßt und der Staatspolitik eine ſchrecklich<lb/> leuchtende Fackel zu ganz neuen Heilswegen für das zerrüttete,<lb/> nach Luft und Licht ſich ſehnende ſocialpolitiſche Leben angezündet<lb/> hatte: ſelbſt dann noch ſpielten Haus und Familie, Zucht und Be-<lb/> lehrung mit den zuckenden Gliedmaßen des zwar ſchwer verwun-<lb/> deten, jedoch noch lange nicht überwundenen Drachen. Die<lb/> Kunſt, Methode und Sprache des Jugendunterrichts behielt noch<lb/> immer Anklänge der alten ſinnloſen Formeln, wenn dieſe auch ſchon<lb/> in rationellerer Geſtalt erſchienen. Die greuliche Methode ver-<lb/> langte von der biegſamen Geiſteskraft und von der wunderbar<lb/> friſchen Elaſticität des jugendlichen Gedächtniſſes Opfer, welche<lb/> wie eine feindliche Brandſchatzung der Seele erſcheinen. Jn den<lb/> methodiſchen Lehr- und Jugendbüchern jener Zeit ſuchte ſich die<lb/> krankhafteſte Eitelkeit vor der Jugend breit zu machen, welche ſchwer<lb/> dabei leiden mußte. Man nehme das nächſte beſte derartige Un-<lb/> terrichtsbuch damaliger Zeit zur Hand, z. B. die „Hiſtoriſchen<lb/> Sinnbilder“ des S. Aepinus († 1660). <note place="foot" n="1)">„Hiſtoriſche Sinnbilder: | Oder kurtze | Beſchreibung | darinnen die vor-<lb/> nehmſte Ge | ſchichte vom Kayſer <hi rendition="#aq">Augusto</hi> biß <hi rendition="#aq">Au | gustulum,</hi> Jhre geführte<lb/> Regierung, | denckwürdige Reden vnd Thaten, alſo | abgefaſſet, daß ſie mit Luſt<lb/> erlernet, | leichtlich behalten, vnd in wenig | Stunden widerholet werden | kön-<lb/> nen. | Geſtellet durch | <hi rendition="#aq">Sebastianum Aepinum,</hi> | Leiningen-Weſterburgiſchen |<lb/> Hoff-Predigern zu Rixingen. | Straßburg, | bey J. Chr. Nagel. <hi rendition="#aq">Anno MDC. LX</hi>“<lb/> (2 Thle., 12.). Genau in gleichem Format und mit völlig gleichem Druck iſt<lb/> in meinem Exemplare angefügt ein ganz unverſtändliches „Seltzames Traumge-<lb/> ſicht“, 83 S., mit einem „Traums-verantwortlichen Anhang“ von 103 S. und<lb/> 71 S., unter dem (mit alter, vergilbter Handſchrift vorangeſetzten) Titel: „Kurtze<lb/> und kurtzweilige Beſchreibung der zuvor unerhörten Reiſe, welche <hi rendition="#aq">H. Bilgram</hi><lb/> von <hi rendition="#aq">Hohenwandern</hi> ohnlängſten in die Newe Oberwelt des Mondes gethan.<lb/> Traumgeſchicht von Dir und Mir. Epimenides. Morpheus. Endymiõ. Porta<lb/> Cornea. Porta Eburnea.“ Es iſt kaum zweifelhaft, daß Aepinus ſelbſt der<lb/> Verfaſſer dieſer wüſten und wirren Darſtellung iſt, welche ein recht treffendes<lb/> Bild von der damaligen breiten, ſchwülſtigen und ſelbſtgefälligen witzloſen Schreib-<lb/> weiſe gibt. Merkwürdig ſind im zweiten Anhange S. 47—49 einige jüdiſch-<lb/> deutſche Vocabeln, z. B. <hi rendition="#aq">Dmeye (Tmea),</hi> Metze, <hi rendition="#aq">Bethulim,</hi> Jungfrawſchafft,<lb/><hi rendition="#aq">Besel (Possul),</hi> Bild, <hi rendition="#aq">Ponim,</hi> Geſicht u. ſ. w.</note> Man findet den toll-<lb/> ſten Galimatias darin. Aepinus hatte das Buch zunächſt für den<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [182/0216]
einander geworfen, dem ſittlichen und materiellen Elend den lau-
teſten Nothſchrei ausgepreßt und der Staatspolitik eine ſchrecklich
leuchtende Fackel zu ganz neuen Heilswegen für das zerrüttete,
nach Luft und Licht ſich ſehnende ſocialpolitiſche Leben angezündet
hatte: ſelbſt dann noch ſpielten Haus und Familie, Zucht und Be-
lehrung mit den zuckenden Gliedmaßen des zwar ſchwer verwun-
deten, jedoch noch lange nicht überwundenen Drachen. Die
Kunſt, Methode und Sprache des Jugendunterrichts behielt noch
immer Anklänge der alten ſinnloſen Formeln, wenn dieſe auch ſchon
in rationellerer Geſtalt erſchienen. Die greuliche Methode ver-
langte von der biegſamen Geiſteskraft und von der wunderbar
friſchen Elaſticität des jugendlichen Gedächtniſſes Opfer, welche
wie eine feindliche Brandſchatzung der Seele erſcheinen. Jn den
methodiſchen Lehr- und Jugendbüchern jener Zeit ſuchte ſich die
krankhafteſte Eitelkeit vor der Jugend breit zu machen, welche ſchwer
dabei leiden mußte. Man nehme das nächſte beſte derartige Un-
terrichtsbuch damaliger Zeit zur Hand, z. B. die „Hiſtoriſchen
Sinnbilder“ des S. Aepinus († 1660). 1) Man findet den toll-
ſten Galimatias darin. Aepinus hatte das Buch zunächſt für den
1) „Hiſtoriſche Sinnbilder: | Oder kurtze | Beſchreibung | darinnen die vor-
nehmſte Ge | ſchichte vom Kayſer Augusto biß Au | gustulum, Jhre geführte
Regierung, | denckwürdige Reden vnd Thaten, alſo | abgefaſſet, daß ſie mit Luſt
erlernet, | leichtlich behalten, vnd in wenig | Stunden widerholet werden | kön-
nen. | Geſtellet durch | Sebastianum Aepinum, | Leiningen-Weſterburgiſchen |
Hoff-Predigern zu Rixingen. | Straßburg, | bey J. Chr. Nagel. Anno MDC. LX“
(2 Thle., 12.). Genau in gleichem Format und mit völlig gleichem Druck iſt
in meinem Exemplare angefügt ein ganz unverſtändliches „Seltzames Traumge-
ſicht“, 83 S., mit einem „Traums-verantwortlichen Anhang“ von 103 S. und
71 S., unter dem (mit alter, vergilbter Handſchrift vorangeſetzten) Titel: „Kurtze
und kurtzweilige Beſchreibung der zuvor unerhörten Reiſe, welche H. Bilgram
von Hohenwandern ohnlängſten in die Newe Oberwelt des Mondes gethan.
Traumgeſchicht von Dir und Mir. Epimenides. Morpheus. Endymiõ. Porta
Cornea. Porta Eburnea.“ Es iſt kaum zweifelhaft, daß Aepinus ſelbſt der
Verfaſſer dieſer wüſten und wirren Darſtellung iſt, welche ein recht treffendes
Bild von der damaligen breiten, ſchwülſtigen und ſelbſtgefälligen witzloſen Schreib-
weiſe gibt. Merkwürdig ſind im zweiten Anhange S. 47—49 einige jüdiſch-
deutſche Vocabeln, z. B. Dmeye (Tmea), Metze, Bethulim, Jungfrawſchafft,
Besel (Possul), Bild, Ponim, Geſicht u. ſ. w.
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