etymologischen Analyse bedarf, sodaß man in der Gaunersprache immer den Geist über den Wortlaut triumphiren sieht.
Zweiundvierzigstes Kapitel. L. Die Beziehung der Gaunersprache zur jüdischdeutschen Sprache.
Hat man nun von der geheimen Macht des Gaunerthums einen Begriff bekommen, so wird man auch erklärlich finden kön- nen, wie das von der rohen allgemeinen Verachtung in die nie- drigsten Volksschichten hinabgedrückte Judenthum so leicht vom Gaunerthum gefunden und wie bei dem gemeinsamen Bewußtsein der Verfolgung und der Nothwendigkeit des Verstecks eine Asso- ciation zwischen beiden herbeigeführt werden mußte, welche an der gegenseitigen geistigen Behendigkeit und an der beiderseitigen Künst- lichkeit und Heimlichkeit des gesammten Thuns und Treibens eine vollständige Befriedigung, Sättigung und Belehrung fand. Der exotische Stoff in der Judensprache wurde dem Gaunerthum leicht begreiflich, weil auch in der sprachlichen Colonisation des Hebräischen auf deutschem Sprachboden das niedere Judenthum dem Gauner- thum auf offenem Wege entgegenkam. Die Aneignung der jüdisch- deutschen Volkssprache sparte dem deutschen Gaunerthum die große Mühe, welcher alle andern fremden, nicht mit dem Jüdischdeut- schen gesättigten Gaunersprachen sich unterziehen mußten: conven- tionsmäßig allen zur Gaunersprache herbeigezogenen Wörtern der heimischen Volkssprache eine andere besondere, sei es bildliche oder ironische, Bedeutung zu verleihen, um sie für die specifische Gau- nersprache zu qualificiren und abzuschließen. Daher ist das rasche Eindringen und Auftreten der jüdischdeutschen Volkssprache in der Gaunersprache erklärlich, welche letztere an und für sich bei der grellen Farbigkeit der exotischen Beimischung sogar einförmiger und dürftiger erscheint, als sie in Wirklichkeit mit ihrem großen Reich- thum und ihrer Beweglichkeit ist.
Auf das bestimmteste läßt sich behaupten, daß die Gauner-
etymologiſchen Analyſe bedarf, ſodaß man in der Gaunerſprache immer den Geiſt über den Wortlaut triumphiren ſieht.
Zweiundvierzigſtes Kapitel. L. Die Beziehung der Gaunerſprache zur jüdiſchdeutſchen Sprache.
Hat man nun von der geheimen Macht des Gaunerthums einen Begriff bekommen, ſo wird man auch erklärlich finden kön- nen, wie das von der rohen allgemeinen Verachtung in die nie- drigſten Volksſchichten hinabgedrückte Judenthum ſo leicht vom Gaunerthum gefunden und wie bei dem gemeinſamen Bewußtſein der Verfolgung und der Nothwendigkeit des Verſtecks eine Aſſo- ciation zwiſchen beiden herbeigeführt werden mußte, welche an der gegenſeitigen geiſtigen Behendigkeit und an der beiderſeitigen Künſt- lichkeit und Heimlichkeit des geſammten Thuns und Treibens eine vollſtändige Befriedigung, Sättigung und Belehrung fand. Der exotiſche Stoff in der Judenſprache wurde dem Gaunerthum leicht begreiflich, weil auch in der ſprachlichen Coloniſation des Hebräiſchen auf deutſchem Sprachboden das niedere Judenthum dem Gauner- thum auf offenem Wege entgegenkam. Die Aneignung der jüdiſch- deutſchen Volksſprache ſparte dem deutſchen Gaunerthum die große Mühe, welcher alle andern fremden, nicht mit dem Jüdiſchdeut- ſchen geſättigten Gaunerſprachen ſich unterziehen mußten: conven- tionsmäßig allen zur Gaunerſprache herbeigezogenen Wörtern der heimiſchen Volksſprache eine andere beſondere, ſei es bildliche oder ironiſche, Bedeutung zu verleihen, um ſie für die ſpecifiſche Gau- nerſprache zu qualificiren und abzuſchließen. Daher iſt das raſche Eindringen und Auftreten der jüdiſchdeutſchen Volksſprache in der Gaunerſprache erklärlich, welche letztere an und für ſich bei der grellen Farbigkeit der exotiſchen Beimiſchung ſogar einförmiger und dürftiger erſcheint, als ſie in Wirklichkeit mit ihrem großen Reich- thum und ihrer Beweglichkeit iſt.
Auf das beſtimmteſte läßt ſich behaupten, daß die Gauner-
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etymologiſchen Analyſe bedarf, ſodaß man in der Gaunerſprache
immer den Geiſt über den Wortlaut triumphiren ſieht.
Zweiundvierzigſtes Kapitel.
L. Die Beziehung der Gaunerſprache zur jüdiſchdeutſchen Sprache.
Hat man nun von der geheimen Macht des Gaunerthums
einen Begriff bekommen, ſo wird man auch erklärlich finden kön-
nen, wie das von der rohen allgemeinen Verachtung in die nie-
drigſten Volksſchichten hinabgedrückte Judenthum ſo leicht vom
Gaunerthum gefunden und wie bei dem gemeinſamen Bewußtſein
der Verfolgung und der Nothwendigkeit des Verſtecks eine Aſſo-
ciation zwiſchen beiden herbeigeführt werden mußte, welche an der
gegenſeitigen geiſtigen Behendigkeit und an der beiderſeitigen Künſt-
lichkeit und Heimlichkeit des geſammten Thuns und Treibens eine
vollſtändige Befriedigung, Sättigung und Belehrung fand. Der
exotiſche Stoff in der Judenſprache wurde dem Gaunerthum leicht
begreiflich, weil auch in der ſprachlichen Coloniſation des Hebräiſchen
auf deutſchem Sprachboden das niedere Judenthum dem Gauner-
thum auf offenem Wege entgegenkam. Die Aneignung der jüdiſch-
deutſchen Volksſprache ſparte dem deutſchen Gaunerthum die große
Mühe, welcher alle andern fremden, nicht mit dem Jüdiſchdeut-
ſchen geſättigten Gaunerſprachen ſich unterziehen mußten: conven-
tionsmäßig allen zur Gaunerſprache herbeigezogenen Wörtern der
heimiſchen Volksſprache eine andere beſondere, ſei es bildliche oder
ironiſche, Bedeutung zu verleihen, um ſie für die ſpecifiſche Gau-
nerſprache zu qualificiren und abzuſchließen. Daher iſt das raſche
Eindringen und Auftreten der jüdiſchdeutſchen Volksſprache in der
Gaunerſprache erklärlich, welche letztere an und für ſich bei der
grellen Farbigkeit der exotiſchen Beimiſchung ſogar einförmiger und
dürftiger erſcheint, als ſie in Wirklichkeit mit ihrem großen Reich-
thum und ihrer Beweglichkeit iſt.
Auf das beſtimmteſte läßt ſich behaupten, daß die Gauner-
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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum03_1862/230>, abgerufen am 21.11.2024.
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