der Strafgefangenen in den sämmtlichen Anstalten des Landes eine Sammlung anzustellen. Eine ähnliche, noch viel reich- haltigere, äußerst werthvolle Sammlung aus Wien erhielt der Verfasser durch seinen hochgeehrten Freund, Herrn Fidelis Chevalier, zugestellt. Ganz abgesehen von ihrem Ursprung aus verbürgt echter Quelle, sind beide Sammlungen in ihrer ganzen Auffassung vor der Kritik und Analyse so durchaus probehaltig, daß sie die vollste Beachtung bei der Bearbeitung des vorliegenden Wörterbuchs in Anspruch genommen haben. Durchaus wünschenswerth und wich- tig für die Kenntniß der Gaunersprache ist es, daß das ausge- zeichnete Beispiel der Polizeidirection zu Hannover überall Nach- ahmung finde, wie schon im vorigen Jahrhundert, vorzüglich in Kursachsen, ähnliche höchst schätzbare Sammlungen veranstaltet worden sind. Mit einem vollständigen Gaunerwörterbuch würde man auch das bedeutendste Material zu einem dringend nöthigen Volkssprachwörterbuch gewinnen.
Recht empfindlich machte sich dem Verfasser bei seiner Arbeit der Mangel eines praktischen Handbuchs der Zigeunersprache fühlbar. Eigene genauere Beobachtungen und Erforschungen aus dem Leben und der Sprache der Zigeuner zu machen, war dem Ver- fasser bei dem nur sehr dürftigen Zuge der Zigeuner an der nörd- lichsten Marke Deutschlands versagt. Pott's Meisterwerk ist für den praktischen Gebrauch nicht handlich genug, und Bischoff ist in seinem Zigeunerwörterbuch ebenso leichtfertig und unzuverlässig wie in seiner ganzen Gaunerlinguistik. Mit lebhafter Freude wurde daher der Verfasser erfüllt, als ihm gerade am Schluß seiner Arbeit Einsicht in das Manuscript seines Freundes und einstigen jenenser Studiengenossen, des Criminalgerichtsdirectors Dr. Richard Liebich zu Lobenstein, verstattet ward, in welchem recht mitten aus dem Leben und Verkehr der vielen Zigeuner, mit denen der ausgezeichnete Gelehrte und Beamte in Berührung gekommen war, nicht nur durchaus treffende und geistvolle Be-
der Strafgefangenen in den ſämmtlichen Anſtalten des Landes eine Sammlung anzuſtellen. Eine ähnliche, noch viel reich- haltigere, äußerſt werthvolle Sammlung aus Wien erhielt der Verfaſſer durch ſeinen hochgeehrten Freund, Herrn Fidelis Chevalier, zugeſtellt. Ganz abgeſehen von ihrem Urſprung aus verbürgt echter Quelle, ſind beide Sammlungen in ihrer ganzen Auffaſſung vor der Kritik und Analyſe ſo durchaus probehaltig, daß ſie die vollſte Beachtung bei der Bearbeitung des vorliegenden Wörterbuchs in Anſpruch genommen haben. Durchaus wünſchenswerth und wich- tig für die Kenntniß der Gaunerſprache iſt es, daß das ausge- zeichnete Beiſpiel der Polizeidirection zu Hannover überall Nach- ahmung finde, wie ſchon im vorigen Jahrhundert, vorzüglich in Kurſachſen, ähnliche höchſt ſchätzbare Sammlungen veranſtaltet worden ſind. Mit einem vollſtändigen Gaunerwörterbuch würde man auch das bedeutendſte Material zu einem dringend nöthigen Volksſprachwörterbuch gewinnen.
Recht empfindlich machte ſich dem Verfaſſer bei ſeiner Arbeit der Mangel eines praktiſchen Handbuchs der Zigeunerſprache fühlbar. Eigene genauere Beobachtungen und Erforſchungen aus dem Leben und der Sprache der Zigeuner zu machen, war dem Ver- faſſer bei dem nur ſehr dürftigen Zuge der Zigeuner an der nörd- lichſten Marke Deutſchlands verſagt. Pott’s Meiſterwerk iſt für den praktiſchen Gebrauch nicht handlich genug, und Biſchoff iſt in ſeinem Zigeunerwörterbuch ebenſo leichtfertig und unzuverläſſig wie in ſeiner ganzen Gaunerlinguiſtik. Mit lebhafter Freude wurde daher der Verfaſſer erfüllt, als ihm gerade am Schluß ſeiner Arbeit Einſicht in das Manuſcript ſeines Freundes und einſtigen jenenſer Studiengenoſſen, des Criminalgerichtsdirectors Dr. Richard Liebich zu Lobenſtein, verſtattet ward, in welchem recht mitten aus dem Leben und Verkehr der vielen Zigeuner, mit denen der ausgezeichnete Gelehrte und Beamte in Berührung gekommen war, nicht nur durchaus treffende und geiſtvolle Be-
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[XXI/0025]
der Strafgefangenen in den ſämmtlichen Anſtalten des Landes
eine Sammlung anzuſtellen. Eine ähnliche, noch viel reich-
haltigere, äußerſt werthvolle Sammlung aus Wien erhielt der
Verfaſſer durch ſeinen hochgeehrten Freund, Herrn Fidelis Chevalier,
zugeſtellt. Ganz abgeſehen von ihrem Urſprung aus verbürgt echter
Quelle, ſind beide Sammlungen in ihrer ganzen Auffaſſung vor
der Kritik und Analyſe ſo durchaus probehaltig, daß ſie die vollſte
Beachtung bei der Bearbeitung des vorliegenden Wörterbuchs in
Anſpruch genommen haben. Durchaus wünſchenswerth und wich-
tig für die Kenntniß der Gaunerſprache iſt es, daß das ausge-
zeichnete Beiſpiel der Polizeidirection zu Hannover überall Nach-
ahmung finde, wie ſchon im vorigen Jahrhundert, vorzüglich in
Kurſachſen, ähnliche höchſt ſchätzbare Sammlungen veranſtaltet
worden ſind. Mit einem vollſtändigen Gaunerwörterbuch würde
man auch das bedeutendſte Material zu einem dringend nöthigen
Volksſprachwörterbuch gewinnen.
Recht empfindlich machte ſich dem Verfaſſer bei ſeiner Arbeit
der Mangel eines praktiſchen Handbuchs der Zigeunerſprache
fühlbar. Eigene genauere Beobachtungen und Erforſchungen aus
dem Leben und der Sprache der Zigeuner zu machen, war dem Ver-
faſſer bei dem nur ſehr dürftigen Zuge der Zigeuner an der nörd-
lichſten Marke Deutſchlands verſagt. Pott’s Meiſterwerk iſt für
den praktiſchen Gebrauch nicht handlich genug, und Biſchoff iſt
in ſeinem Zigeunerwörterbuch ebenſo leichtfertig und unzuverläſſig
wie in ſeiner ganzen Gaunerlinguiſtik. Mit lebhafter Freude
wurde daher der Verfaſſer erfüllt, als ihm gerade am Schluß
ſeiner Arbeit Einſicht in das Manuſcript ſeines Freundes und
einſtigen jenenſer Studiengenoſſen, des Criminalgerichtsdirectors
Dr. Richard Liebich zu Lobenſtein, verſtattet ward, in welchem
recht mitten aus dem Leben und Verkehr der vielen Zigeuner,
mit denen der ausgezeichnete Gelehrte und Beamte in Berührung
gekommen war, nicht nur durchaus treffende und geiſtvolle Be-
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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862, S. XXI. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum03_1862/25>, abgerufen am 24.11.2024.
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