tische Analyse der geläufigsten Ausdrücke zu geben und überhaupt den Weg zur kritischen Untersuchung anzubahnen, damit nur zu- erst die heillose Gaunerlinguistik abgethan werde, mit welcher auf dem Gebiete der Polizeiwissenschaft manche Literatoren sich selbst und andere so arg getäuscht haben, wie das die Zaubermystiker des Mittelalters mit den zum Theil von ihnen selbst construirten zaubermystischen Charakteren unternahmen. Die Abstammung der einzelnen Wörter ist, wo sie nicht von selbst sich ergibt, jedesmal angegeben. Die ohne weitern Zusatz mit lateinischen Lettern in Parenthesen beigefügten Stämme zeigen auf das Register des jüdischdeutschen Wörterbuchs. Beim Nachweis deutscher Stämme hat der Verfasser vorzugsweise das Althochdeutsche und Mittel- hochdeutsche angeführt, um auch für ältere Gaunerwörter die Auf- suchung der Stämme zu erleichtern. Die zigeunerischen, slawischen und romanischen Stämme sind ebenfalls jedesmal angegeben, und auch hier hat der Verfasser, sofern nicht die specifisch romanische Tochter ein erwiesenes Vorrecht hatte, gern der lateinischen Mut- tersprache den Vorrang eingeräumt. Nach der Anordnung des jüdischdeutschen Wörterbuchs ist auch hier der Versuch gemacht worden, mindestens bei den bedeutsamsten Gaunerausdrücken die ganze Familie unter das Stammwort zusammenzuziehen und in der alphabetischen Folge auf das Stammwort hinzuweisen.
Außer seinen Collectaneen hat der Verfasser das tüchtige Wörterbuch von Zimmermann in Berlin und das von Grolman'- sche Wörterbuch benutzt. Dahingegen erforderte Thiele schon große Vorsicht. Mit dem lebhaftesten Danke muß der Verfasser zweier handschriftlicher Mittheilungen gedenken, welche ihm gerade auch von zwei der anerkannt tüchtigsten deutschen Polizeistellen her zu- gekommen waren. Zunächst war es das im März 1858 ihm zu- gesandte Manuscript der königlichen Polizeidirection zu Hannover, welche das überall seit langer Zeit ganz vernachlässigte hochwich- tige Unternehmen wieder aufgenommen hatte: aus dem Munde
tiſche Analyſe der geläufigſten Ausdrücke zu geben und überhaupt den Weg zur kritiſchen Unterſuchung anzubahnen, damit nur zu- erſt die heilloſe Gaunerlinguiſtik abgethan werde, mit welcher auf dem Gebiete der Polizeiwiſſenſchaft manche Literatoren ſich ſelbſt und andere ſo arg getäuſcht haben, wie das die Zaubermyſtiker des Mittelalters mit den zum Theil von ihnen ſelbſt conſtruirten zaubermyſtiſchen Charakteren unternahmen. Die Abſtammung der einzelnen Wörter iſt, wo ſie nicht von ſelbſt ſich ergibt, jedesmal angegeben. Die ohne weitern Zuſatz mit lateiniſchen Lettern in Parentheſen beigefügten Stämme zeigen auf das Regiſter des jüdiſchdeutſchen Wörterbuchs. Beim Nachweis deutſcher Stämme hat der Verfaſſer vorzugsweiſe das Althochdeutſche und Mittel- hochdeutſche angeführt, um auch für ältere Gaunerwörter die Auf- ſuchung der Stämme zu erleichtern. Die zigeuneriſchen, ſlawiſchen und romaniſchen Stämme ſind ebenfalls jedesmal angegeben, und auch hier hat der Verfaſſer, ſofern nicht die ſpecifiſch romaniſche Tochter ein erwieſenes Vorrecht hatte, gern der lateiniſchen Mut- terſprache den Vorrang eingeräumt. Nach der Anordnung des jüdiſchdeutſchen Wörterbuchs iſt auch hier der Verſuch gemacht worden, mindeſtens bei den bedeutſamſten Gaunerausdrücken die ganze Familie unter das Stammwort zuſammenzuziehen und in der alphabetiſchen Folge auf das Stammwort hinzuweiſen.
Außer ſeinen Collectaneen hat der Verfaſſer das tüchtige Wörterbuch von Zimmermann in Berlin und das von Grolman’- ſche Wörterbuch benutzt. Dahingegen erforderte Thiele ſchon große Vorſicht. Mit dem lebhafteſten Danke muß der Verfaſſer zweier handſchriftlicher Mittheilungen gedenken, welche ihm gerade auch von zwei der anerkannt tüchtigſten deutſchen Polizeiſtellen her zu- gekommen waren. Zunächſt war es das im März 1858 ihm zu- geſandte Manuſcript der königlichen Polizeidirection zu Hannover, welche das überall ſeit langer Zeit ganz vernachläſſigte hochwich- tige Unternehmen wieder aufgenommen hatte: aus dem Munde
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[XX/0024]
tiſche Analyſe der geläufigſten Ausdrücke zu geben und überhaupt
den Weg zur kritiſchen Unterſuchung anzubahnen, damit nur zu-
erſt die heilloſe Gaunerlinguiſtik abgethan werde, mit welcher auf
dem Gebiete der Polizeiwiſſenſchaft manche Literatoren ſich ſelbſt
und andere ſo arg getäuſcht haben, wie das die Zaubermyſtiker
des Mittelalters mit den zum Theil von ihnen ſelbſt conſtruirten
zaubermyſtiſchen Charakteren unternahmen. Die Abſtammung der
einzelnen Wörter iſt, wo ſie nicht von ſelbſt ſich ergibt, jedesmal
angegeben. Die ohne weitern Zuſatz mit lateiniſchen Lettern in
Parentheſen beigefügten Stämme zeigen auf das Regiſter des
jüdiſchdeutſchen Wörterbuchs. Beim Nachweis deutſcher Stämme
hat der Verfaſſer vorzugsweiſe das Althochdeutſche und Mittel-
hochdeutſche angeführt, um auch für ältere Gaunerwörter die Auf-
ſuchung der Stämme zu erleichtern. Die zigeuneriſchen, ſlawiſchen
und romaniſchen Stämme ſind ebenfalls jedesmal angegeben, und
auch hier hat der Verfaſſer, ſofern nicht die ſpecifiſch romaniſche
Tochter ein erwieſenes Vorrecht hatte, gern der lateiniſchen Mut-
terſprache den Vorrang eingeräumt. Nach der Anordnung des
jüdiſchdeutſchen Wörterbuchs iſt auch hier der Verſuch gemacht
worden, mindeſtens bei den bedeutſamſten Gaunerausdrücken die
ganze Familie unter das Stammwort zuſammenzuziehen und in
der alphabetiſchen Folge auf das Stammwort hinzuweiſen.
Außer ſeinen Collectaneen hat der Verfaſſer das tüchtige
Wörterbuch von Zimmermann in Berlin und das von Grolman’-
ſche Wörterbuch benutzt. Dahingegen erforderte Thiele ſchon große
Vorſicht. Mit dem lebhafteſten Danke muß der Verfaſſer zweier
handſchriftlicher Mittheilungen gedenken, welche ihm gerade auch
von zwei der anerkannt tüchtigſten deutſchen Polizeiſtellen her zu-
gekommen waren. Zunächſt war es das im März 1858 ihm zu-
geſandte Manuſcript der königlichen Polizeidirection zu Hannover,
welche das überall ſeit langer Zeit ganz vernachläſſigte hochwich-
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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862, S. XX. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum03_1862/24>, abgerufen am 21.11.2024.
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