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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862.

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diges Ringen der beiden, wenn auch in entlegenster grauer Ferne
aus einer und derselben Quelle entsprungenen, doch seit Jahrtau-
senden einander entfremdeten Factoren ausgeprägt, von denen jeder
mit innerer Gewalt gegen den andern kämpfte und dem Gegner
zahlreiche Wunden beibrachte, an denen jedoch keiner unterging,
wol aber jeder Theil entstellende Narben davontrug. Aber Boden,
Geist und Sitte des deutschen Volkes blieben der unerschütterliche
Grund, auf welchem sich das erotische Colonenthum so fest und
tief zu setzen wußte, wie das nur einem mit gewaltiger Eigen-
thümlichkeit begabten Volke möglich war, und auf welchem das
herrschende Christenthum sogar auch zu Schwert und Feuer griff,
wenn im Judenthum irgendeine bedenkliche Sieghaftigkeit zum
Vorschein zu kommen drohte. So wurde das Judenthum mit
Uebergewalt herabgedrückt, um mit seiner hellen beweglichen Gei-
stigkeit gerade in der Tiefe des Bodens den ganzen deutschen
Boden zu durchdringen und in demselben Volke, welches mit roher
Verachtung auf das Judenthum herabsah, heimlich mit dessen
Sitte und Sprache sich zu sättigen und dennoch mit seiner eigenen
Volkswüchsigkeit überallhin zu ranken, sodaß es keine Stelle in
der niedern Sphäre des deutschen Volkes gab, wohin nicht dieser
Parasitenwuchs gedrungen wäre. So ist denn auch das Juden-
deutsch in seinem Grunde urdeutsche Sprache, welche durch jene
exotischen Parasitenformen nur äußerlich verdeckt ist. Aber schon
die ganze Buchstabenfülle ist durchaus deutsch, wenn auch zerfah-
ren, bröckelig und aus allen dialektischen Bestandtheilen der ver-
schiedensten Jahrhunderte zusammengeworfen. So kommen denn
auf diesem durch Jahrhunderte zertretenen, verwehten und wieder
mit neuer fruchtbarer Kruste übersetzten deutschen Sprachboden immer
wieder viele uralte brauchbare Bruchstücke und Erinnerungen zum
Vorschein, über welche die jüdischdeutsche Sprache hinübergerankt
ist, um sie zu überwuchern, aber auch zu erhalten und sichtbar
werden zu lassen, sobald das wilde Sprachgestrüpp darüber weg-
geräumt wird. So ist das Judenthum mit seiner jüdischdeutschen
Sprache ein getreuer Depositar alter deutscher Sprachtypen geblie-
ben, welche man unter diesem struppigen Wuchse kaum ahnen

diges Ringen der beiden, wenn auch in entlegenſter grauer Ferne
aus einer und derſelben Quelle entſprungenen, doch ſeit Jahrtau-
ſenden einander entfremdeten Factoren ausgeprägt, von denen jeder
mit innerer Gewalt gegen den andern kämpfte und dem Gegner
zahlreiche Wunden beibrachte, an denen jedoch keiner unterging,
wol aber jeder Theil entſtellende Narben davontrug. Aber Boden,
Geiſt und Sitte des deutſchen Volkes blieben der unerſchütterliche
Grund, auf welchem ſich das erotiſche Colonenthum ſo feſt und
tief zu ſetzen wußte, wie das nur einem mit gewaltiger Eigen-
thümlichkeit begabten Volke möglich war, und auf welchem das
herrſchende Chriſtenthum ſogar auch zu Schwert und Feuer griff,
wenn im Judenthum irgendeine bedenkliche Sieghaftigkeit zum
Vorſchein zu kommen drohte. So wurde das Judenthum mit
Uebergewalt herabgedrückt, um mit ſeiner hellen beweglichen Gei-
ſtigkeit gerade in der Tiefe des Bodens den ganzen deutſchen
Boden zu durchdringen und in demſelben Volke, welches mit roher
Verachtung auf das Judenthum herabſah, heimlich mit deſſen
Sitte und Sprache ſich zu ſättigen und dennoch mit ſeiner eigenen
Volkswüchſigkeit überallhin zu ranken, ſodaß es keine Stelle in
der niedern Sphäre des deutſchen Volkes gab, wohin nicht dieſer
Paraſitenwuchs gedrungen wäre. So iſt denn auch das Juden-
deutſch in ſeinem Grunde urdeutſche Sprache, welche durch jene
exotiſchen Paraſitenformen nur äußerlich verdeckt iſt. Aber ſchon
die ganze Buchſtabenfülle iſt durchaus deutſch, wenn auch zerfah-
ren, bröckelig und aus allen dialektiſchen Beſtandtheilen der ver-
ſchiedenſten Jahrhunderte zuſammengeworfen. So kommen denn
auf dieſem durch Jahrhunderte zertretenen, verwehten und wieder
mit neuer fruchtbarer Kruſte überſetzten deutſchen Sprachboden immer
wieder viele uralte brauchbare Bruchſtücke und Erinnerungen zum
Vorſchein, über welche die jüdiſchdeutſche Sprache hinübergerankt
iſt, um ſie zu überwuchern, aber auch zu erhalten und ſichtbar
werden zu laſſen, ſobald das wilde Sprachgeſtrüpp darüber weg-
geräumt wird. So iſt das Judenthum mit ſeiner jüdiſchdeutſchen
Sprache ein getreuer Depoſitar alter deutſcher Sprachtypen geblie-
ben, welche man unter dieſem ſtruppigen Wuchſe kaum ahnen

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[308/0342] diges Ringen der beiden, wenn auch in entlegenſter grauer Ferne aus einer und derſelben Quelle entſprungenen, doch ſeit Jahrtau- ſenden einander entfremdeten Factoren ausgeprägt, von denen jeder mit innerer Gewalt gegen den andern kämpfte und dem Gegner zahlreiche Wunden beibrachte, an denen jedoch keiner unterging, wol aber jeder Theil entſtellende Narben davontrug. Aber Boden, Geiſt und Sitte des deutſchen Volkes blieben der unerſchütterliche Grund, auf welchem ſich das erotiſche Colonenthum ſo feſt und tief zu ſetzen wußte, wie das nur einem mit gewaltiger Eigen- thümlichkeit begabten Volke möglich war, und auf welchem das herrſchende Chriſtenthum ſogar auch zu Schwert und Feuer griff, wenn im Judenthum irgendeine bedenkliche Sieghaftigkeit zum Vorſchein zu kommen drohte. So wurde das Judenthum mit Uebergewalt herabgedrückt, um mit ſeiner hellen beweglichen Gei- ſtigkeit gerade in der Tiefe des Bodens den ganzen deutſchen Boden zu durchdringen und in demſelben Volke, welches mit roher Verachtung auf das Judenthum herabſah, heimlich mit deſſen Sitte und Sprache ſich zu ſättigen und dennoch mit ſeiner eigenen Volkswüchſigkeit überallhin zu ranken, ſodaß es keine Stelle in der niedern Sphäre des deutſchen Volkes gab, wohin nicht dieſer Paraſitenwuchs gedrungen wäre. So iſt denn auch das Juden- deutſch in ſeinem Grunde urdeutſche Sprache, welche durch jene exotiſchen Paraſitenformen nur äußerlich verdeckt iſt. Aber ſchon die ganze Buchſtabenfülle iſt durchaus deutſch, wenn auch zerfah- ren, bröckelig und aus allen dialektiſchen Beſtandtheilen der ver- ſchiedenſten Jahrhunderte zuſammengeworfen. So kommen denn auf dieſem durch Jahrhunderte zertretenen, verwehten und wieder mit neuer fruchtbarer Kruſte überſetzten deutſchen Sprachboden immer wieder viele uralte brauchbare Bruchſtücke und Erinnerungen zum Vorſchein, über welche die jüdiſchdeutſche Sprache hinübergerankt iſt, um ſie zu überwuchern, aber auch zu erhalten und ſichtbar werden zu laſſen, ſobald das wilde Sprachgeſtrüpp darüber weg- geräumt wird. So iſt das Judenthum mit ſeiner jüdiſchdeutſchen Sprache ein getreuer Depoſitar alter deutſcher Sprachtypen geblie- ben, welche man unter dieſem ſtruppigen Wuchſe kaum ahnen

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum03_1862/342>, abgerufen am 23.11.2024.