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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862.

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und [fremdsprachliches Material], Eule; [fremdsprachliches Material] und [fremdsprachliches Material], neu. Bei der Vieldeutigkeit des [fremdsprachliches Material]
scheint man die ungrammatische und verwilderte triphthongische
Form [fremdsprachliches Material] gewählt zu haben, um den Laut [fremdsprachliches Material], als au, in den Laut
[fremdsprachliches Material], als ei, hinüberspielen zu lassen und dadurch den Laut eu be-
stimmter festzustellen. Doch hatte diese Schreibung, abgesehen von
ihrer grammatischen Ungeheuerlichkeit, im Judendeutsch, welches
überhaupt im Schreiben die Vocale so sehr als möglich vermeidet,
viel Umständlichkeit und führte leicht zu Verwirrungen und ortho-
graphischen Fehlern, namentlich wenn auf das [fremdsprachliches Material] noch ein Vocal
folgte, z. B.: [fremdsprachliches Material], Reue; [fremdsprachliches Material], scheue; [fremdsprachliches Material], neue, worin je fünf
Vocale unmittelbar aufeinander gedrängt werden. Der Triphthong
[fremdsprachliches Material] trat daher rasch vor dem [fremdsprachliches Material] und [fremdsprachliches Material] zurück und wurde so zeitig
obsolet, daß schon Callenberg in seiner "Anleitung zur jüdischteut-
schen Sprache" (1733), S. 7, §. XIV, das [fremdsprachliches Material] für veraltet erklärte
und das [fremdsprachliches Material] und [fremdsprachliches Material] als neuere und bessere Orthographie substituirte.
So findet man denn das [fremdsprachliches Material] in spätern Schriften nur noch sehr
selten; in neuern wird es durchaus nicht mehr gebraucht.



Einundsechzigstes Kapitel.
c) Charakteristik und Anwendung der jüdischdeutschen Buchstaben.

Bei dem Rückblick auf die bisherige Erörterung der jüdisch-
deutschen Consonanten, Vocale und Diphthonge muß man inne
werden, daß trotz der exotischen äußern Form, trotz der so häufig
gewaltsamen Zusammenschiebung semitischer Sprachtypen mit indo-
germanischen Formen die ganze jüdischdeutsche Sprache schon ihrer
gesammten äußern Erscheinung nach eine höchst eigenthümliche
Colonisation auf deutschem Sprachboden ist, auf welchem der ur-
deutsche Typus in weitester Bedeutung und mit überwiegender
Gewalt den Sieg über das eingedrungene, in seinem ganzen eigen-
thümlichen leiblichen wie geistigen Wesen ungeachtet der wunder-
bar behenden Fügsamkeit so schwer besiegbare Judenthum behauptet
hat. Allerdings ist in der jüdischdeutschen Sprache ein merkwür-

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und [fremdsprachliches Material], Eule; [fremdsprachliches Material] und [fremdsprachliches Material], neu. Bei der Vieldeutigkeit des [fremdsprachliches Material]
ſcheint man die ungrammatiſche und verwilderte triphthongiſche
Form [fremdsprachliches Material] gewählt zu haben, um den Laut [fremdsprachliches Material], als au, in den Laut
[fremdsprachliches Material], als ei, hinüberſpielen zu laſſen und dadurch den Laut eu be-
ſtimmter feſtzuſtellen. Doch hatte dieſe Schreibung, abgeſehen von
ihrer grammatiſchen Ungeheuerlichkeit, im Judendeutſch, welches
überhaupt im Schreiben die Vocale ſo ſehr als möglich vermeidet,
viel Umſtändlichkeit und führte leicht zu Verwirrungen und ortho-
graphiſchen Fehlern, namentlich wenn auf das [fremdsprachliches Material] noch ein Vocal
folgte, z. B.: [fremdsprachliches Material], Reue; [fremdsprachliches Material], ſcheue; [fremdsprachliches Material], neue, worin je fünf
Vocale unmittelbar aufeinander gedrängt werden. Der Triphthong
[fremdsprachliches Material] trat daher raſch vor dem [fremdsprachliches Material] und [fremdsprachliches Material] zurück und wurde ſo zeitig
obſolet, daß ſchon Callenberg in ſeiner „Anleitung zur jüdiſchteut-
ſchen Sprache“ (1733), S. 7, §. XIV, das [fremdsprachliches Material] für veraltet erklärte
und das [fremdsprachliches Material] und [fremdsprachliches Material] als neuere und beſſere Orthographie ſubſtituirte.
So findet man denn das [fremdsprachliches Material] in ſpätern Schriften nur noch ſehr
ſelten; in neuern wird es durchaus nicht mehr gebraucht.



Einundſechzigſtes Kapitel.
c) Charakteriſtik und Anwendung der jüdiſchdeutſchen Buchſtaben.

Bei dem Rückblick auf die bisherige Erörterung der jüdiſch-
deutſchen Conſonanten, Vocale und Diphthonge muß man inne
werden, daß trotz der exotiſchen äußern Form, trotz der ſo häufig
gewaltſamen Zuſammenſchiebung ſemitiſcher Sprachtypen mit indo-
germaniſchen Formen die ganze jüdiſchdeutſche Sprache ſchon ihrer
geſammten äußern Erſcheinung nach eine höchſt eigenthümliche
Coloniſation auf deutſchem Sprachboden iſt, auf welchem der ur-
deutſche Typus in weiteſter Bedeutung und mit überwiegender
Gewalt den Sieg über das eingedrungene, in ſeinem ganzen eigen-
thümlichen leiblichen wie geiſtigen Weſen ungeachtet der wunder-
bar behenden Fügſamkeit ſo ſchwer beſiegbare Judenthum behauptet
hat. Allerdings iſt in der jüdiſchdeutſchen Sprache ein merkwür-

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862, S. 307. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum03_1862/341>, abgerufen am 23.11.2024.