ruch hu laß uns bald sein Sechus genießen und Messias her lassen schießen. Amen. Sela." Jn neuerer Zeit, wo der Gelehrtenstand im Judenthum ausgezeichnet vertreten ist, findet man im Juden- deutsch, wenn anders schriftstellerische Erzeugnisse in durchaus deutscher Sprache mit deutschrabbinischen Lettern noch jüdischdeutsch genannt werden dürfen, ein gutes correctes Deutsch sowol in ge- bundener als in ungebundener Rede.
Eine eigenthümliche Weise hat der jüdischdeutsche Briefstil. Der Contrast zwischen der leichten jüdischdeutschen Conversations- oder Volkssprache und der schönen, würdigen Diction der heiligen Bücher im hebräischen Urtext ist zu fühlbar, als daß nicht der- jenige, welcher durch schriftliche Mittheilung seinen Gedanken eine ernste, bündige und dauernde Form gibt, sich bestreben sollte, so- wol durch gewählte anständige Sprache als auch durch besondere Beifügung geläufiger Wünsche und Segenssprüche, meistens aus dem Urtext der heiligen Schriften, dem Ton des Briefes die mög- lichste Würde zu verleihen und besonders den Anfang und das Ende mit einer erhabenen Diction zu versehen. Die Briefe er- halten dadurch eine eigenthümliche pleonastische, oft gar zu höfliche Diction, welche namentlich im Contrast mit dem übrigen Jnhalt in holperiger jüdischdeutscher Sprachform und mit dem dürren Jn- halt kaufmännischer Briefe, in denen es sich häufig nur um Be- stellung von Zwirn, Band und Knöpfen handelt, bis zur Abge- schmacktheit sich verirrt, im ganzen aber doch auch wieder in dem unbefangenen Leser jene Genugthuung erweckt, von welcher man stets erfüllt wird, wenn man sieht, daß Ehre gegeben und dabei doch die eigene Würde in der Form nicht außer Augen gelassen wird. Durch jene ganze Anordnung aber gewinnen die jüdisch- deutschen Briefe eine gewissermaßen stereotype Form, sodaß es offenbar viel leichter wäre, einen jüdischdeutschen "Briefsteller" zu schreiben als einen specifisch deutschen, mit welcher Sorte von Lite- ratur, trotzdem daß unsere deutschen Bücherkataloge bis zum Un- fug damit angefüllt sind, man noch immer kein Abkommen ge- troffen hat.
Zum Verständniß der Briefform mag hier der bei Selig an-
ruch hu laß uns bald ſein Sechus genießen und Meſſias her laſſen ſchießen. Amen. Sela.“ Jn neuerer Zeit, wo der Gelehrtenſtand im Judenthum ausgezeichnet vertreten iſt, findet man im Juden- deutſch, wenn anders ſchriftſtelleriſche Erzeugniſſe in durchaus deutſcher Sprache mit deutſchrabbiniſchen Lettern noch jüdiſchdeutſch genannt werden dürfen, ein gutes correctes Deutſch ſowol in ge- bundener als in ungebundener Rede.
Eine eigenthümliche Weiſe hat der jüdiſchdeutſche Briefſtil. Der Contraſt zwiſchen der leichten jüdiſchdeutſchen Converſations- oder Volksſprache und der ſchönen, würdigen Diction der heiligen Bücher im hebräiſchen Urtext iſt zu fühlbar, als daß nicht der- jenige, welcher durch ſchriftliche Mittheilung ſeinen Gedanken eine ernſte, bündige und dauernde Form gibt, ſich beſtreben ſollte, ſo- wol durch gewählte anſtändige Sprache als auch durch beſondere Beifügung geläufiger Wünſche und Segensſprüche, meiſtens aus dem Urtext der heiligen Schriften, dem Ton des Briefes die mög- lichſte Würde zu verleihen und beſonders den Anfang und das Ende mit einer erhabenen Diction zu verſehen. Die Briefe er- halten dadurch eine eigenthümliche pleonaſtiſche, oft gar zu höfliche Diction, welche namentlich im Contraſt mit dem übrigen Jnhalt in holperiger jüdiſchdeutſcher Sprachform und mit dem dürren Jn- halt kaufmänniſcher Briefe, in denen es ſich häufig nur um Be- ſtellung von Zwirn, Band und Knöpfen handelt, bis zur Abge- ſchmacktheit ſich verirrt, im ganzen aber doch auch wieder in dem unbefangenen Leſer jene Genugthuung erweckt, von welcher man ſtets erfüllt wird, wenn man ſieht, daß Ehre gegeben und dabei doch die eigene Würde in der Form nicht außer Augen gelaſſen wird. Durch jene ganze Anordnung aber gewinnen die jüdiſch- deutſchen Briefe eine gewiſſermaßen ſtereotype Form, ſodaß es offenbar viel leichter wäre, einen jüdiſchdeutſchen „Briefſteller“ zu ſchreiben als einen ſpecifiſch deutſchen, mit welcher Sorte von Lite- ratur, trotzdem daß unſere deutſchen Bücherkataloge bis zum Un- fug damit angefüllt ſind, man noch immer kein Abkommen ge- troffen hat.
Zum Verſtändniß der Briefform mag hier der bei Selig an-
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ruch hu laß uns bald ſein Sechus genießen und Meſſias her laſſen
ſchießen. Amen. Sela.“ Jn neuerer Zeit, wo der Gelehrtenſtand
im Judenthum ausgezeichnet vertreten iſt, findet man im Juden-
deutſch, wenn anders ſchriftſtelleriſche Erzeugniſſe in durchaus
deutſcher Sprache mit deutſchrabbiniſchen Lettern noch jüdiſchdeutſch
genannt werden dürfen, ein gutes correctes Deutſch ſowol in ge-
bundener als in ungebundener Rede.
Eine eigenthümliche Weiſe hat der jüdiſchdeutſche Briefſtil.
Der Contraſt zwiſchen der leichten jüdiſchdeutſchen Converſations-
oder Volksſprache und der ſchönen, würdigen Diction der heiligen
Bücher im hebräiſchen Urtext iſt zu fühlbar, als daß nicht der-
jenige, welcher durch ſchriftliche Mittheilung ſeinen Gedanken eine
ernſte, bündige und dauernde Form gibt, ſich beſtreben ſollte, ſo-
wol durch gewählte anſtändige Sprache als auch durch beſondere
Beifügung geläufiger Wünſche und Segensſprüche, meiſtens aus
dem Urtext der heiligen Schriften, dem Ton des Briefes die mög-
lichſte Würde zu verleihen und beſonders den Anfang und das
Ende mit einer erhabenen Diction zu verſehen. Die Briefe er-
halten dadurch eine eigenthümliche pleonaſtiſche, oft gar zu höfliche
Diction, welche namentlich im Contraſt mit dem übrigen Jnhalt
in holperiger jüdiſchdeutſcher Sprachform und mit dem dürren Jn-
halt kaufmänniſcher Briefe, in denen es ſich häufig nur um Be-
ſtellung von Zwirn, Band und Knöpfen handelt, bis zur Abge-
ſchmacktheit ſich verirrt, im ganzen aber doch auch wieder in dem
unbefangenen Leſer jene Genugthuung erweckt, von welcher man
ſtets erfüllt wird, wenn man ſieht, daß Ehre gegeben und dabei
doch die eigene Würde in der Form nicht außer Augen gelaſſen
wird. Durch jene ganze Anordnung aber gewinnen die jüdiſch-
deutſchen Briefe eine gewiſſermaßen ſtereotype Form, ſodaß es
offenbar viel leichter wäre, einen jüdiſchdeutſchen „Briefſteller“ zu
ſchreiben als einen ſpecifiſch deutſchen, mit welcher Sorte von Lite-
ratur, trotzdem daß unſere deutſchen Bücherkataloge bis zum Un-
fug damit angefüllt ſind, man noch immer kein Abkommen ge-
troffen hat.
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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862, S. 420. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum03_1862/454>, abgerufen am 22.11.2024.
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