und durch die Weise, wo und wie sie unternommen wurden, recht deutlich, wie sehr Dichter und Volk einig waren in bewußter Em- pfindung des römischen Sprachgeistes, welcher hier in der lachen- den Satire einen recht ernsten Sieg feierte.
Während Cicero in seinen philosophischen Schriften, weniger in seinen Briefen, sich griechischer Wörter bediente, erkannte er mit seiner gerade durch ihn zu ganzer classischer Höhe geförderten Sprache deren volle Berechtigung an, zu ihrem Wortvorrath grie- chische Wörter aufzunehmen. Er war um so mehr befugt zu dieser Aufnahme, als er die griechische Philosophie auf römischen Boden überführte. Die neuaufgenommenen griechischen Wörter wurden eben durch die aufgenommenen philosophischen Begriffe selbst er- läutert, sie wurden damit sowol geistiges wie sprachliches Eigen- thum der Römer und durften daher auch die lateinischen Flexio- nen annehmen. Ueberall aber wies der Geist der römischen Sprache jede Einmischung solcher fremdsprachlicher Wörter zurück, für welche in der heimischen Sprache schon ausreichende Begriffe vorhanden waren. Gerade dadurch, daß da, wo Unwissenheit oder Eitelkeit die vom Sprachgeist bewachte Grenze überschritt, sogleich der Spott und die Satire bei der Hand waren, um den fremden Eindringling unbarmherzig zu züchtigen und zurückzuweisen, hat der römische Sprachgeist in der Satire eine mächtige Handhabe gefunden, um, wie die Sitte durch Sittencensur, so auch die Sprache durch Rüge vor dem Untergange zu retten und sie zu befähigen, daß sie kaum je eine todte Sprache, vielmehr die immer lebenskräftige Mutter der reichen romanischen Sprachfamilie wurde, von der jedes Mit- glied die charakteristischen Züge der Mutter an sich trägt. Es gibt kaum etwas Schneidenderes, ja man kann sagen Boshafteres als die Weise der römischen Satiriker, mit welcher sie auf dem reichen Boden der Volkssprache die exotischen Wörter recht unter die Füße des Volkes warfen. Sie vernichteten damit geradezu nicht nur die gegeiselte Person, sondern vernichten auch für immer allen Muth zu solchen Sprachmengungsversuchen, wie z. B. in der von Genthe S. 11 angeführten Stelle des Lucretius:
und durch die Weiſe, wo und wie ſie unternommen wurden, recht deutlich, wie ſehr Dichter und Volk einig waren in bewußter Em- pfindung des römiſchen Sprachgeiſtes, welcher hier in der lachen- den Satire einen recht ernſten Sieg feierte.
Während Cicero in ſeinen philoſophiſchen Schriften, weniger in ſeinen Briefen, ſich griechiſcher Wörter bediente, erkannte er mit ſeiner gerade durch ihn zu ganzer claſſiſcher Höhe geförderten Sprache deren volle Berechtigung an, zu ihrem Wortvorrath grie- chiſche Wörter aufzunehmen. Er war um ſo mehr befugt zu dieſer Aufnahme, als er die griechiſche Philoſophie auf römiſchen Boden überführte. Die neuaufgenommenen griechiſchen Wörter wurden eben durch die aufgenommenen philoſophiſchen Begriffe ſelbſt er- läutert, ſie wurden damit ſowol geiſtiges wie ſprachliches Eigen- thum der Römer und durften daher auch die lateiniſchen Flexio- nen annehmen. Ueberall aber wies der Geiſt der römiſchen Sprache jede Einmiſchung ſolcher fremdſprachlicher Wörter zurück, für welche in der heimiſchen Sprache ſchon ausreichende Begriffe vorhanden waren. Gerade dadurch, daß da, wo Unwiſſenheit oder Eitelkeit die vom Sprachgeiſt bewachte Grenze überſchritt, ſogleich der Spott und die Satire bei der Hand waren, um den fremden Eindringling unbarmherzig zu züchtigen und zurückzuweiſen, hat der römiſche Sprachgeiſt in der Satire eine mächtige Handhabe gefunden, um, wie die Sitte durch Sittencenſur, ſo auch die Sprache durch Rüge vor dem Untergange zu retten und ſie zu befähigen, daß ſie kaum je eine todte Sprache, vielmehr die immer lebenskräftige Mutter der reichen romaniſchen Sprachfamilie wurde, von der jedes Mit- glied die charakteriſtiſchen Züge der Mutter an ſich trägt. Es gibt kaum etwas Schneidenderes, ja man kann ſagen Boshafteres als die Weiſe der römiſchen Satiriker, mit welcher ſie auf dem reichen Boden der Volksſprache die exotiſchen Wörter recht unter die Füße des Volkes warfen. Sie vernichteten damit geradezu nicht nur die gegeiſelte Perſon, ſondern vernichten auch für immer allen Muth zu ſolchen Sprachmengungsverſuchen, wie z. B. in der von Genthe S. 11 angeführten Stelle des Lucretius:
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und durch die Weiſe, wo und wie ſie unternommen wurden, recht
deutlich, wie ſehr Dichter und Volk einig waren in bewußter Em-
pfindung des römiſchen Sprachgeiſtes, welcher hier in der lachen-
den Satire einen recht ernſten Sieg feierte.
Während Cicero in ſeinen philoſophiſchen Schriften, weniger
in ſeinen Briefen, ſich griechiſcher Wörter bediente, erkannte er mit
ſeiner gerade durch ihn zu ganzer claſſiſcher Höhe geförderten
Sprache deren volle Berechtigung an, zu ihrem Wortvorrath grie-
chiſche Wörter aufzunehmen. Er war um ſo mehr befugt zu dieſer
Aufnahme, als er die griechiſche Philoſophie auf römiſchen Boden
überführte. Die neuaufgenommenen griechiſchen Wörter wurden
eben durch die aufgenommenen philoſophiſchen Begriffe ſelbſt er-
läutert, ſie wurden damit ſowol geiſtiges wie ſprachliches Eigen-
thum der Römer und durften daher auch die lateiniſchen Flexio-
nen annehmen. Ueberall aber wies der Geiſt der römiſchen Sprache
jede Einmiſchung ſolcher fremdſprachlicher Wörter zurück, für welche
in der heimiſchen Sprache ſchon ausreichende Begriffe vorhanden
waren. Gerade dadurch, daß da, wo Unwiſſenheit oder Eitelkeit
die vom Sprachgeiſt bewachte Grenze überſchritt, ſogleich der Spott
und die Satire bei der Hand waren, um den fremden Eindringling
unbarmherzig zu züchtigen und zurückzuweiſen, hat der römiſche
Sprachgeiſt in der Satire eine mächtige Handhabe gefunden, um,
wie die Sitte durch Sittencenſur, ſo auch die Sprache durch Rüge
vor dem Untergange zu retten und ſie zu befähigen, daß ſie kaum
je eine todte Sprache, vielmehr die immer lebenskräftige Mutter
der reichen romaniſchen Sprachfamilie wurde, von der jedes Mit-
glied die charakteriſtiſchen Züge der Mutter an ſich trägt. Es gibt
kaum etwas Schneidenderes, ja man kann ſagen Boshafteres als
die Weiſe der römiſchen Satiriker, mit welcher ſie auf dem reichen
Boden der Volksſprache die exotiſchen Wörter recht unter die Füße
des Volkes warfen. Sie vernichteten damit geradezu nicht nur
die gegeiſelte Perſon, ſondern vernichten auch für immer allen
Muth zu ſolchen Sprachmengungsverſuchen, wie z. B. in der von
Genthe S. 11 angeführten Stelle des Lucretius:
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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum03_1862/94>, abgerufen am 23.11.2024.
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