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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 4. Leipzig, 1862.

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Einundzwanzigstes Kapitel.
o) Das Duisburger Vocabular.

Bei der blutigen Verfolgung des Räuberthums, welche die
Justiz zu Anfang des 18. Jahrhunderts unternommen hatte, war
auch in Duisburg 1723 die Untersuchung gegen eine Räuber- und
Diebsbande geführt worden, deren drei Hauptmitglieder am 11.
März 1724 hingerichtet wurden. Die drei Jnquisiten hatten in
der Untersuchung eine große Anzahl ihrer Genossen namhaft ge-
macht und über deren Person und Unthaten Auskunft gegeben.
Auf diese Entdeckungen hin wurde eine Liste entworfen und ge-
druckt, welche nicht weniger als 61 Bandenmitglieder nachweist.
Die Liste an sich zeichnet sich mehr durch ihr Alter als durch in-
nere Vorzüge vor andern Listen aus. Einen sehr großen Werth
hat sie aber durch das angehängte Vocabular von 62 Gauner-
wörtern, welche in der Bande "üblich waren und deren Auflösung
hier annectirt" wird. Der Titel der auf acht Folioseiten mit sehr
schönen und großen Buchstaben gedruckten Liste 1) ist:

1) Der Erwerb dieses sehr werthvollen und höchst seltenen Gaunersprach-
documents ist recht eigenthümlich. Jch erhielt es Anfangs August 1861 durch
Buchhändlergelegenheit von unbekannter Hand zugesendet, ohne daß es mir
hat gelingen wollen, den freundlichen Geber zu ermitteln, dem ich nun hier
meinen lebhaften Dank aussprechen muß. Bei der Liste befinden sich nachfol-
gende bisher unbekannt gebliebene, für die Geschichte des Gaunerthums wichtige
gedruckte Documente: "Specification und Ausführliche Beschreibung einiger
Ertz-Diebe, Räuber und Spitzbuben, so hin und wieder herum vagiren, und
Diebstähle begehen sollen, auf welche die den 27. Augusti 1723 zu Giessen
justificirte Diebs-Bande bekennet, solche namhafft gemacht und beschrieben haben."
(Die Specification enthält 45 Gaunernamen mit Signalements.) Ferner: "Liste
der Diebe von den Christen, welche sich zu denen Juden halten, und hin und
wieder herum vagiren" (mit 23 Signalements), und endlich "Liste der Welt-
beruffenen Diebe von Juden, welche sowol in hannöverischen, als auch in an-
dern Ländern herum vagiren" (mit 31 Signalements gaunerischer Juden). Sehr
überraschend für den hansestädtischen Polizeimann ist es, wenn er aus diesen
Listen wahrnehmen muß, daß gerade die verwegensten Koryphäen dieser Banden
in Hamburg und Lübeck und in dem zu letzterm gehörigen Dorfe Moisling an-
sässig gewesen sind, wie z. B. in M. Jonobacher, Kaim Holländer ("ist ein
Einundzwanzigſtes Kapitel.
o) Das Duisburger Vocabular.

Bei der blutigen Verfolgung des Räuberthums, welche die
Juſtiz zu Anfang des 18. Jahrhunderts unternommen hatte, war
auch in Duisburg 1723 die Unterſuchung gegen eine Räuber- und
Diebsbande geführt worden, deren drei Hauptmitglieder am 11.
März 1724 hingerichtet wurden. Die drei Jnquiſiten hatten in
der Unterſuchung eine große Anzahl ihrer Genoſſen namhaft ge-
macht und über deren Perſon und Unthaten Auskunft gegeben.
Auf dieſe Entdeckungen hin wurde eine Liſte entworfen und ge-
druckt, welche nicht weniger als 61 Bandenmitglieder nachweiſt.
Die Liſte an ſich zeichnet ſich mehr durch ihr Alter als durch in-
nere Vorzüge vor andern Liſten aus. Einen ſehr großen Werth
hat ſie aber durch das angehängte Vocabular von 62 Gauner-
wörtern, welche in der Bande „üblich waren und deren Auflöſung
hier annectirt“ wird. Der Titel der auf acht Folioſeiten mit ſehr
ſchönen und großen Buchſtaben gedruckten Liſte 1) iſt:

1) Der Erwerb dieſes ſehr werthvollen und höchſt ſeltenen Gaunerſprach-
documents iſt recht eigenthümlich. Jch erhielt es Anfangs Auguſt 1861 durch
Buchhändlergelegenheit von unbekannter Hand zugeſendet, ohne daß es mir
hat gelingen wollen, den freundlichen Geber zu ermitteln, dem ich nun hier
meinen lebhaften Dank ausſprechen muß. Bei der Liſte befinden ſich nachfol-
gende bisher unbekannt gebliebene, für die Geſchichte des Gaunerthums wichtige
gedruckte Documente: „Specification und Ausführliche Beſchreibung einiger
Ertz-Diebe, Räuber und Spitzbuben, ſo hin und wieder herum vagiren, und
Diebſtähle begehen ſollen, auf welche die den 27. Augusti 1723 zu Gieſſen
justificirte Diebs-Bande bekennet, ſolche namhafft gemacht und beſchrieben haben.“
(Die Specification enthält 45 Gaunernamen mit Signalements.) Ferner: „Liste
der Diebe von den Chriſten, welche ſich zu denen Juden halten, und hin und
wieder herum vagiren“ (mit 23 Signalements), und endlich „Liste der Welt-
beruffenen Diebe von Juden, welche ſowol in hannöveriſchen, als auch in an-
dern Ländern herum vagiren“ (mit 31 Signalements gauneriſcher Juden). Sehr
überraſchend für den hanſeſtädtiſchen Polizeimann iſt es, wenn er aus dieſen
Liſten wahrnehmen muß, daß gerade die verwegenſten Koryphäen dieſer Banden
in Hamburg und Lübeck und in dem zu letzterm gehörigen Dorfe Moisling an-
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[104/0116] Einundzwanzigſtes Kapitel. o) Das Duisburger Vocabular. Bei der blutigen Verfolgung des Räuberthums, welche die Juſtiz zu Anfang des 18. Jahrhunderts unternommen hatte, war auch in Duisburg 1723 die Unterſuchung gegen eine Räuber- und Diebsbande geführt worden, deren drei Hauptmitglieder am 11. März 1724 hingerichtet wurden. Die drei Jnquiſiten hatten in der Unterſuchung eine große Anzahl ihrer Genoſſen namhaft ge- macht und über deren Perſon und Unthaten Auskunft gegeben. Auf dieſe Entdeckungen hin wurde eine Liſte entworfen und ge- druckt, welche nicht weniger als 61 Bandenmitglieder nachweiſt. Die Liſte an ſich zeichnet ſich mehr durch ihr Alter als durch in- nere Vorzüge vor andern Liſten aus. Einen ſehr großen Werth hat ſie aber durch das angehängte Vocabular von 62 Gauner- wörtern, welche in der Bande „üblich waren und deren Auflöſung hier annectirt“ wird. Der Titel der auf acht Folioſeiten mit ſehr ſchönen und großen Buchſtaben gedruckten Liſte 1) iſt: 1) Der Erwerb dieſes ſehr werthvollen und höchſt ſeltenen Gaunerſprach- documents iſt recht eigenthümlich. Jch erhielt es Anfangs Auguſt 1861 durch Buchhändlergelegenheit von unbekannter Hand zugeſendet, ohne daß es mir hat gelingen wollen, den freundlichen Geber zu ermitteln, dem ich nun hier meinen lebhaften Dank ausſprechen muß. Bei der Liſte befinden ſich nachfol- gende bisher unbekannt gebliebene, für die Geſchichte des Gaunerthums wichtige gedruckte Documente: „Specification und Ausführliche Beſchreibung einiger Ertz-Diebe, Räuber und Spitzbuben, ſo hin und wieder herum vagiren, und Diebſtähle begehen ſollen, auf welche die den 27. Augusti 1723 zu Gieſſen justificirte Diebs-Bande bekennet, ſolche namhafft gemacht und beſchrieben haben.“ (Die Specification enthält 45 Gaunernamen mit Signalements.) Ferner: „Liste der Diebe von den Chriſten, welche ſich zu denen Juden halten, und hin und wieder herum vagiren“ (mit 23 Signalements), und endlich „Liste der Welt- beruffenen Diebe von Juden, welche ſowol in hannöveriſchen, als auch in an- dern Ländern herum vagiren“ (mit 31 Signalements gauneriſcher Juden). Sehr überraſchend für den hanſeſtädtiſchen Polizeimann iſt es, wenn er aus dieſen Liſten wahrnehmen muß, daß gerade die verwegenſten Koryphäen dieſer Banden in Hamburg und Lübeck und in dem zu letzterm gehörigen Dorfe Moisling an- ſäſſig geweſen ſind, wie z. B. in M. Jonobacher, Kaim Holländer („iſt ein

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 4. Leipzig, 1862, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum04_1862/116>, abgerufen am 21.11.2024.