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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 4. Leipzig, 1862.

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(kono), Schmusen (schoma) u. s. w. Jm übrigen ist das logi-
sche Verständniß correct und zutreffend. Doch ist Schäffer keines-
wegs als linguistische Autorität anzusehen, so hochbedeutend er
sonst in der Gaunerliteratur dasteht.



Neunundzwanzigstes Kapitel.
w) Das Wörterverzeichniß von Mejer.

Einen sehr beachtenswerthen Beweis von der geheimen un-
gestörten Ausbildung der Kunst und Sprache des Gaunerthums,
welches vermöge der soporösen Wirkungen der geistlosen, fehl-
greifenden und verdunkelnden Rotwelschen Grammatik von 1755
mit ihrer breiten Geltung ein halbes Jahrhundert lang jegliche
linguistische Forschung paralysirte, gibt das vom Amtsschreiber
Mejer zu Hannover in der Brade'schen Untersuchung zusammen-
getragene Wörterverzeichniß, welches durchaus als eins der zu-
verlässigsten, correctesten und besten Vocabulare bezeichnet zu wer-
den verdient.

Schon seit Landgraf Philipp's des Großmüthigen Zeiten hatte
das Räubergesindel in Hessen so arg gehaust, daß gerade dort
(vgl. "Sammlung hessischer Landes-Ordnungen", I, 217 fg.) be-
sonders strenge Verordnungen gegen dies Gesindel erlassen werden
mußten. Wie wenig gründliche Abhülfe jedoch durch diese geschaffen
wurde, zeigt die ganze spätere Geschichte des Gaunerthums. Kaum
ein Land ist so unausgesetzt, bis tief in das gegenwärtige Jahr-
hundert hinein und so arg von Räuberbanden bedrängt, ja man
kann sagen beherrscht worden, wie Hessen. Es nahm die stets
lebendige starke Strömung des Gaunerthums von Süden und
Westen her fortdauernd auf seinen empfänglichen Boden auf und
ließ sie dann wieder in gefährlich verbreiterter Weise nach Norden
und Nordosten abfließen. Besonders arg hauste aber in den acht-
ziger Jahren des vorigen Jahrhunderts die verwegene Bande des
Philipp Schlemming in Hessen selbst, während nördlich in Han-

(kono), Schmuſen (schoma) u. ſ. w. Jm übrigen iſt das logi-
ſche Verſtändniß correct und zutreffend. Doch iſt Schäffer keines-
wegs als linguiſtiſche Autorität anzuſehen, ſo hochbedeutend er
ſonſt in der Gaunerliteratur daſteht.



Neunundzwanzigſtes Kapitel.
w) Das Wörterverzeichniß von Mejer.

Einen ſehr beachtenswerthen Beweis von der geheimen un-
geſtörten Ausbildung der Kunſt und Sprache des Gaunerthums,
welches vermöge der ſoporöſen Wirkungen der geiſtloſen, fehl-
greifenden und verdunkelnden Rotwelſchen Grammatik von 1755
mit ihrer breiten Geltung ein halbes Jahrhundert lang jegliche
linguiſtiſche Forſchung paralyſirte, gibt das vom Amtsſchreiber
Mejer zu Hannover in der Brade’ſchen Unterſuchung zuſammen-
getragene Wörterverzeichniß, welches durchaus als eins der zu-
verläſſigſten, correcteſten und beſten Vocabulare bezeichnet zu wer-
den verdient.

Schon ſeit Landgraf Philipp’s des Großmüthigen Zeiten hatte
das Räubergeſindel in Heſſen ſo arg gehauſt, daß gerade dort
(vgl. „Sammlung heſſiſcher Landes-Ordnungen“, I, 217 fg.) be-
ſonders ſtrenge Verordnungen gegen dies Geſindel erlaſſen werden
mußten. Wie wenig gründliche Abhülfe jedoch durch dieſe geſchaffen
wurde, zeigt die ganze ſpätere Geſchichte des Gaunerthums. Kaum
ein Land iſt ſo unausgeſetzt, bis tief in das gegenwärtige Jahr-
hundert hinein und ſo arg von Räuberbanden bedrängt, ja man
kann ſagen beherrſcht worden, wie Heſſen. Es nahm die ſtets
lebendige ſtarke Strömung des Gaunerthums von Süden und
Weſten her fortdauernd auf ſeinen empfänglichen Boden auf und
ließ ſie dann wieder in gefährlich verbreiterter Weiſe nach Norden
und Nordoſten abfließen. Beſonders arg hauſte aber in den acht-
ziger Jahren des vorigen Jahrhunderts die verwegene Bande des
Philipp Schlemming in Heſſen ſelbſt, während nördlich in Han-

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[183/0195] (kono), Schmuſen (schoma) u. ſ. w. Jm übrigen iſt das logi- ſche Verſtändniß correct und zutreffend. Doch iſt Schäffer keines- wegs als linguiſtiſche Autorität anzuſehen, ſo hochbedeutend er ſonſt in der Gaunerliteratur daſteht. Neunundzwanzigſtes Kapitel. w) Das Wörterverzeichniß von Mejer. Einen ſehr beachtenswerthen Beweis von der geheimen un- geſtörten Ausbildung der Kunſt und Sprache des Gaunerthums, welches vermöge der ſoporöſen Wirkungen der geiſtloſen, fehl- greifenden und verdunkelnden Rotwelſchen Grammatik von 1755 mit ihrer breiten Geltung ein halbes Jahrhundert lang jegliche linguiſtiſche Forſchung paralyſirte, gibt das vom Amtsſchreiber Mejer zu Hannover in der Brade’ſchen Unterſuchung zuſammen- getragene Wörterverzeichniß, welches durchaus als eins der zu- verläſſigſten, correcteſten und beſten Vocabulare bezeichnet zu wer- den verdient. Schon ſeit Landgraf Philipp’s des Großmüthigen Zeiten hatte das Räubergeſindel in Heſſen ſo arg gehauſt, daß gerade dort (vgl. „Sammlung heſſiſcher Landes-Ordnungen“, I, 217 fg.) be- ſonders ſtrenge Verordnungen gegen dies Geſindel erlaſſen werden mußten. Wie wenig gründliche Abhülfe jedoch durch dieſe geſchaffen wurde, zeigt die ganze ſpätere Geſchichte des Gaunerthums. Kaum ein Land iſt ſo unausgeſetzt, bis tief in das gegenwärtige Jahr- hundert hinein und ſo arg von Räuberbanden bedrängt, ja man kann ſagen beherrſcht worden, wie Heſſen. Es nahm die ſtets lebendige ſtarke Strömung des Gaunerthums von Süden und Weſten her fortdauernd auf ſeinen empfänglichen Boden auf und ließ ſie dann wieder in gefährlich verbreiterter Weiſe nach Norden und Nordoſten abfließen. Beſonders arg hauſte aber in den acht- ziger Jahren des vorigen Jahrhunderts die verwegene Bande des Philipp Schlemming in Heſſen ſelbſt, während nördlich in Han-

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 4. Leipzig, 1862, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum04_1862/195>, abgerufen am 21.11.2024.