Zweiunddreißigstes Kapitel. z)Wörterbuch der Diebssprache von Karl Falkenberg.
Unmittelbar nach Christensen behandelte Falkenberg im zwei- ten Theile seines bereits in der Literatur Th. I, S. 256 beurtheil- ten "Versuchs einer Darstellung der verschiedenen Klassen von Räubern" u. s. w. das schwierige Thema von der Diebssprache (S. 364 fg.) und gab dazu noch ein "Wörterbuch der Diebssprache, genannt Zigeuner-, Jenisch-, Gauner-, Schurer-, Rothwälsche und Kochumer-Sprache" (S. 381--432).
Falkenberg verdient insofern Anerkennung, als er ein fleißiger Compilator gewesen ist, wie keiner vor ihm. Auch gibt er mit Umsicht und Gewissenhaftigkeit die Quellen an, aus welchen er geschöpft hat. Somit macht er, obgleich in nur dürftiger, doch immerhin erfreulicher Weise, den Anfang zu einer historischen Grammatik, wenn er auch in der geschichtlichen Darstellung der Gaunersprache selbst nur oberflächlich und unsicher ist und im ent- schiedensten Jrrthum sich befindet, wenn er (S. 369) in schlimmer Verkennung der Hauptgrundlage, welche die deutsche Sprache in der Gaunersprache bildet, den Eingang deutscher Terminologien erst aus dem allmählichen Abgang fremdsprachlicher Typen herlei- tet. Auch mußte er nicht behaupten (S. 370), "daß man bei jeder doppelten Bezeichnung von Spitzbubenausdrücken die eine aus- schließlich jüdischen Dieben, die andere solchen Spitzbuben zuschrei- ben dürfe, welche der hebräischen Sprache nicht mächtig sind", eine Behauptung, welche sofort schon durch das dem Verfasser zur Hand gegebene Wörterverzeichniß Christensen's reichlich widerlegt wird. Falkenberg's schwache Seite ist, daß er an den aus defecten und unvollkommenen Quellen ihm zugegangenen massenhaften Stoff keine eigene gründliche Kritik gelegt hat, sondern daß er, wenn auch mit treuem Fleiß, alles bunt durcheinander gesammelt hat, was er erreichen konnte. Daher hat er denn auch die alten Druck- fehler seiner Quellen ohne weiteres mit aufgenommen und stabil gemacht. So hat er Amhooetz für das verdruckte rotwelsche
Zweiunddreißigſtes Kapitel. z)Wörterbuch der Diebsſprache von Karl Falkenberg.
Unmittelbar nach Chriſtenſen behandelte Falkenberg im zwei- ten Theile ſeines bereits in der Literatur Th. I, S. 256 beurtheil- ten „Verſuchs einer Darſtellung der verſchiedenen Klaſſen von Räubern“ u. ſ. w. das ſchwierige Thema von der Diebsſprache (S. 364 fg.) und gab dazu noch ein „Wörterbuch der Diebsſprache, genannt Zigeuner-, Jeniſch-, Gauner-, Schurer-, Rothwälſche und Kochumer-Sprache“ (S. 381—432).
Falkenberg verdient inſofern Anerkennung, als er ein fleißiger Compilator geweſen iſt, wie keiner vor ihm. Auch gibt er mit Umſicht und Gewiſſenhaftigkeit die Quellen an, aus welchen er geſchöpft hat. Somit macht er, obgleich in nur dürftiger, doch immerhin erfreulicher Weiſe, den Anfang zu einer hiſtoriſchen Grammatik, wenn er auch in der geſchichtlichen Darſtellung der Gaunerſprache ſelbſt nur oberflächlich und unſicher iſt und im ent- ſchiedenſten Jrrthum ſich befindet, wenn er (S. 369) in ſchlimmer Verkennung der Hauptgrundlage, welche die deutſche Sprache in der Gaunerſprache bildet, den Eingang deutſcher Terminologien erſt aus dem allmählichen Abgang fremdſprachlicher Typen herlei- tet. Auch mußte er nicht behaupten (S. 370), „daß man bei jeder doppelten Bezeichnung von Spitzbubenausdrücken die eine aus- ſchließlich jüdiſchen Dieben, die andere ſolchen Spitzbuben zuſchrei- ben dürfe, welche der hebräiſchen Sprache nicht mächtig ſind“, eine Behauptung, welche ſofort ſchon durch das dem Verfaſſer zur Hand gegebene Wörterverzeichniß Chriſtenſen’s reichlich widerlegt wird. Falkenberg’s ſchwache Seite iſt, daß er an den aus defecten und unvollkommenen Quellen ihm zugegangenen maſſenhaften Stoff keine eigene gründliche Kritik gelegt hat, ſondern daß er, wenn auch mit treuem Fleiß, alles bunt durcheinander geſammelt hat, was er erreichen konnte. Daher hat er denn auch die alten Druck- fehler ſeiner Quellen ohne weiteres mit aufgenommen und ſtabil gemacht. So hat er Amhooetz für das verdruckte rotwelſche
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Zweiunddreißigſtes Kapitel.
z) Wörterbuch der Diebsſprache von Karl Falkenberg.
Unmittelbar nach Chriſtenſen behandelte Falkenberg im zwei-
ten Theile ſeines bereits in der Literatur Th. I, S. 256 beurtheil-
ten „Verſuchs einer Darſtellung der verſchiedenen Klaſſen von
Räubern“ u. ſ. w. das ſchwierige Thema von der Diebsſprache
(S. 364 fg.) und gab dazu noch ein „Wörterbuch der Diebsſprache,
genannt Zigeuner-, Jeniſch-, Gauner-, Schurer-, Rothwälſche und
Kochumer-Sprache“ (S. 381—432).
Falkenberg verdient inſofern Anerkennung, als er ein fleißiger
Compilator geweſen iſt, wie keiner vor ihm. Auch gibt er mit
Umſicht und Gewiſſenhaftigkeit die Quellen an, aus welchen er
geſchöpft hat. Somit macht er, obgleich in nur dürftiger, doch
immerhin erfreulicher Weiſe, den Anfang zu einer hiſtoriſchen
Grammatik, wenn er auch in der geſchichtlichen Darſtellung der
Gaunerſprache ſelbſt nur oberflächlich und unſicher iſt und im ent-
ſchiedenſten Jrrthum ſich befindet, wenn er (S. 369) in ſchlimmer
Verkennung der Hauptgrundlage, welche die deutſche Sprache in
der Gaunerſprache bildet, den Eingang deutſcher Terminologien
erſt aus dem allmählichen Abgang fremdſprachlicher Typen herlei-
tet. Auch mußte er nicht behaupten (S. 370), „daß man bei jeder
doppelten Bezeichnung von Spitzbubenausdrücken die eine aus-
ſchließlich jüdiſchen Dieben, die andere ſolchen Spitzbuben zuſchrei-
ben dürfe, welche der hebräiſchen Sprache nicht mächtig ſind“,
eine Behauptung, welche ſofort ſchon durch das dem Verfaſſer zur
Hand gegebene Wörterverzeichniß Chriſtenſen’s reichlich widerlegt
wird. Falkenberg’s ſchwache Seite iſt, daß er an den aus defecten
und unvollkommenen Quellen ihm zugegangenen maſſenhaften Stoff
keine eigene gründliche Kritik gelegt hat, ſondern daß er, wenn
auch mit treuem Fleiß, alles bunt durcheinander geſammelt hat,
was er erreichen konnte. Daher hat er denn auch die alten Druck-
fehler ſeiner Quellen ohne weiteres mit aufgenommen und ſtabil
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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 4. Leipzig, 1862, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum04_1862/234>, abgerufen am 21.11.2024.
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