schenkt", und nun die ernsten Arbeiten zweier bedeutender Männer frischweg so abgefertigt werden, daß D. beide linguistische Werke "ein Chad gadje1) von Jenisch, Rotwelsch, Hebräisch, Zigeune- risch, Jüdisch und der Kochumer-Sprache" nennt, wobei er denn schon selbst einen Unterschied macht zwischen den (völlig gleichbedeu- tenden) Bezeichnungen Jenisch, Rotwelsch und Kochumer-Sprache! Der hochfahrende Kenner des "Loschaun ha kaudisch" ereifert sich über das bei Grolman, S. 66, Col. 2, vollkommen correct geschrie- bene und ebenso correct mit "Verachtung, Schande" erläuterte Silsul und meint (S. 278), es müsse durchaus Soseil, Teufel, heißen. Mit diesem "Soseil" ist doch wol der berühmte alte Sün- denbock [irrelevantes Material - Zeichen fehlt], asosel, gemeint (vgl. 3. Mos. 16, 10), mit welchem Dydczinsky ein verwegenes Spiel treibt, indem er die völlig cor- rupte Stelle anführt: "Gai l'schasch w'la Soseil!" womit er auf die bekannte Redensart deutet: [irrelevantes Material - Zeichen fehlt], leschasch, abbrevirt aus [irrelevantes Material - Zeichen fehlt], leschem schedim, ins Teufels Namen, zum Teufel, und auf das gleichbedeutende [irrelevantes Material - Zeichen fehlt], lasosel, zum Teufel! Vgl. das jüdischdeutsche Wörterbuch und Tendlau, a. a. O., Nr. 441. Ferner tadelt Dydczinsky das bei Grolman correct gegebene Missa Meschunne, verbessert es mit "A mieße maschunne" ([irrelevantes Material - Zeichen fehlt], jäher Tod), wagt aber auch nicht, die heikle Redensart zu über- setzen und verbessernd zu erläutern. Bei dieser rohen Unwissenheit hat der Verfasser doch noch den Muth auszusprechen (S. 267), "daß er in günstigern Verhältnissen dem Publikum ein Wörter- buch der Gaunersprachen zu überreichen gesonnen sei". Von der Erfüllung dieser schweren Drohung ist jedoch zum guten Glücke nichts bekannt geworden. Was aber soll man sagen, wenn der vermessene, absprechende Tadler Falkenberg's und Grolman's S. 266 bei Erwähnung der Luther'schen Ausgabe des Liber Va- gatorum die Vorrede Luther's in der Note 5 mit diesen Worten einleitet: "Vorrede D. M. Lutheri über das Anno 1528 wieder aufgelegte Büchlein, von der falschen Bettler-Büberei. Welche
1)Chad gadjo, ein Zicklein, Anfang des weit bekannten chaldäischen Oster- liedes, als Bezeichnung des bunten Durcheinander, "Kraut und Rüben". Vgl. Tendlau, a. a. O., Nr. 102. Das Lied steht bei Wagenseil, "Belehrung", S. 108.
ſchenkt“, und nun die ernſten Arbeiten zweier bedeutender Männer friſchweg ſo abgefertigt werden, daß D. beide linguiſtiſche Werke „ein Chad gadje1) von Jeniſch, Rotwelſch, Hebräiſch, Zigeune- riſch, Jüdiſch und der Kochumer-Sprache“ nennt, wobei er denn ſchon ſelbſt einen Unterſchied macht zwiſchen den (völlig gleichbedeu- tenden) Bezeichnungen Jeniſch, Rotwelſch und Kochumer-Sprache! Der hochfahrende Kenner des „Loſchaun ha kaudiſch“ ereifert ſich über das bei Grolman, S. 66, Col. 2, vollkommen correct geſchrie- bene und ebenſo correct mit „Verachtung, Schande“ erläuterte Silſul und meint (S. 278), es müſſe durchaus Soſeil, Teufel, heißen. Mit dieſem „Soſeil“ iſt doch wol der berühmte alte Sün- denbock [irrelevantes Material – Zeichen fehlt], asosel, gemeint (vgl. 3. Moſ. 16, 10), mit welchem Dydczinsky ein verwegenes Spiel treibt, indem er die völlig cor- rupte Stelle anführt: „Gai l’ſchaſch w’la Soſeil!“ womit er auf die bekannte Redensart deutet: [irrelevantes Material – Zeichen fehlt], leschasch, abbrevirt aus [irrelevantes Material – Zeichen fehlt], leschem schedim, ins Teufels Namen, zum Teufel, und auf das gleichbedeutende [irrelevantes Material – Zeichen fehlt], lasosel, zum Teufel! Vgl. das jüdiſchdeutſche Wörterbuch und Tendlau, a. a. O., Nr. 441. Ferner tadelt Dydczinsky das bei Grolman correct gegebene Miſſa Meſchunne, verbeſſert es mit „A mieße maſchunne“ ([irrelevantes Material – Zeichen fehlt], jäher Tod), wagt aber auch nicht, die heikle Redensart zu über- ſetzen und verbeſſernd zu erläutern. Bei dieſer rohen Unwiſſenheit hat der Verfaſſer doch noch den Muth auszuſprechen (S. 267), „daß er in günſtigern Verhältniſſen dem Publikum ein Wörter- buch der Gaunerſprachen zu überreichen geſonnen ſei“. Von der Erfüllung dieſer ſchweren Drohung iſt jedoch zum guten Glücke nichts bekannt geworden. Was aber ſoll man ſagen, wenn der vermeſſene, abſprechende Tadler Falkenberg’s und Grolman’s S. 266 bei Erwähnung der Luther’ſchen Ausgabe des Liber Va- gatorum die Vorrede Luther’s in der Note 5 mit dieſen Worten einleitet: „Vorrede D. M. Lutheri über das Anno 1528 wieder aufgelegte Büchlein, von der falſchen Bettler-Büberei. Welche
1)Chad gadjo, ein Zicklein, Anfang des weit bekannten chaldäiſchen Oſter- liedes, als Bezeichnung des bunten Durcheinander, „Kraut und Rüben“. Vgl. Tendlau, a. a. O., Nr. 102. Das Lied ſteht bei Wagenſeil, „Belehrung“, S. 108.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><p><pbfacs="#f0236"n="224"/>ſchenkt“, und nun die ernſten Arbeiten zweier bedeutender Männer<lb/>
friſchweg ſo abgefertigt werden, daß D. beide linguiſtiſche Werke<lb/>„ein <hirendition="#g">Chad gadje</hi><noteplace="foot"n="1)"><hirendition="#aq">Chad gadjo,</hi> ein Zicklein, Anfang des weit bekannten chaldäiſchen Oſter-<lb/>
liedes, als Bezeichnung des bunten Durcheinander, „Kraut und Rüben“. Vgl.<lb/>
Tendlau, a. a. O., Nr. 102. Das Lied ſteht bei Wagenſeil, „Belehrung“, S. 108.</note> von Jeniſch, Rotwelſch, Hebräiſch, Zigeune-<lb/>
riſch, Jüdiſch und der Kochumer-Sprache“ nennt, wobei er denn<lb/>ſchon ſelbſt einen Unterſchied macht zwiſchen den (völlig gleichbedeu-<lb/>
tenden) Bezeichnungen Jeniſch, Rotwelſch und Kochumer-Sprache!<lb/>
Der hochfahrende Kenner des „Loſchaun ha kaudiſch“ ereifert ſich<lb/>
über das bei Grolman, S. 66, Col. 2, vollkommen correct geſchrie-<lb/>
bene und ebenſo correct mit „Verachtung, Schande“ erläuterte<lb/><hirendition="#g">Silſul</hi> und meint (S. 278), es müſſe durchaus <hirendition="#g">Soſeil,</hi> Teufel,<lb/>
heißen. Mit dieſem „Soſeil“ iſt doch wol der berühmte alte Sün-<lb/>
denbock <gapreason="insignificant"unit="chars"/>, <hirendition="#aq">asosel,</hi> gemeint (vgl. 3. Moſ. 16, 10), mit welchem<lb/>
Dydczinsky ein verwegenes Spiel treibt, indem er die völlig cor-<lb/>
rupte Stelle anführt: „Gai l’ſchaſch w’la Soſeil!“ womit er auf<lb/>
die bekannte Redensart deutet: <gapreason="insignificant"unit="chars"/>, <hirendition="#aq">leschasch,</hi> abbrevirt aus<lb/><gapreason="insignificant"unit="chars"/>, <hirendition="#aq">leschem schedim,</hi> ins Teufels Namen, zum Teufel,<lb/>
und auf das gleichbedeutende <gapreason="insignificant"unit="chars"/>, <hirendition="#aq">lasosel,</hi> zum Teufel! Vgl.<lb/>
das jüdiſchdeutſche Wörterbuch und Tendlau, a. a. O., Nr. 441.<lb/>
Ferner tadelt Dydczinsky das bei Grolman correct gegebene <hirendition="#g">Miſſa<lb/>
Meſchunne,</hi> verbeſſert es mit „A mieße maſchunne“ (<gapreason="insignificant"unit="chars"/>,<lb/>
jäher Tod), wagt aber auch nicht, die heikle Redensart zu über-<lb/>ſetzen und verbeſſernd zu erläutern. Bei dieſer rohen Unwiſſenheit<lb/>
hat der Verfaſſer doch noch den Muth auszuſprechen (S. 267),<lb/>„daß er in günſtigern Verhältniſſen dem Publikum ein Wörter-<lb/>
buch der Gaunerſprachen zu überreichen geſonnen ſei“. Von der<lb/>
Erfüllung dieſer ſchweren Drohung iſt jedoch zum guten Glücke<lb/>
nichts bekannt geworden. Was aber ſoll man ſagen, wenn der<lb/>
vermeſſene, abſprechende Tadler Falkenberg’s und Grolman’s<lb/>
S. 266 bei Erwähnung der Luther’ſchen Ausgabe des <hirendition="#aq">Liber Va-<lb/>
gatorum</hi> die Vorrede Luther’s in der Note 5 mit dieſen Worten<lb/>
einleitet: „Vorrede <hirendition="#aq">D.</hi> M. Lutheri über das Anno 1528 wieder<lb/>
aufgelegte Büchlein, von der falſchen Bettler-Büberei. Welche<lb/></p></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[224/0236]
ſchenkt“, und nun die ernſten Arbeiten zweier bedeutender Männer
friſchweg ſo abgefertigt werden, daß D. beide linguiſtiſche Werke
„ein Chad gadje 1) von Jeniſch, Rotwelſch, Hebräiſch, Zigeune-
riſch, Jüdiſch und der Kochumer-Sprache“ nennt, wobei er denn
ſchon ſelbſt einen Unterſchied macht zwiſchen den (völlig gleichbedeu-
tenden) Bezeichnungen Jeniſch, Rotwelſch und Kochumer-Sprache!
Der hochfahrende Kenner des „Loſchaun ha kaudiſch“ ereifert ſich
über das bei Grolman, S. 66, Col. 2, vollkommen correct geſchrie-
bene und ebenſo correct mit „Verachtung, Schande“ erläuterte
Silſul und meint (S. 278), es müſſe durchaus Soſeil, Teufel,
heißen. Mit dieſem „Soſeil“ iſt doch wol der berühmte alte Sün-
denbock _ , asosel, gemeint (vgl. 3. Moſ. 16, 10), mit welchem
Dydczinsky ein verwegenes Spiel treibt, indem er die völlig cor-
rupte Stelle anführt: „Gai l’ſchaſch w’la Soſeil!“ womit er auf
die bekannte Redensart deutet: _ , leschasch, abbrevirt aus
_ , leschem schedim, ins Teufels Namen, zum Teufel,
und auf das gleichbedeutende _ , lasosel, zum Teufel! Vgl.
das jüdiſchdeutſche Wörterbuch und Tendlau, a. a. O., Nr. 441.
Ferner tadelt Dydczinsky das bei Grolman correct gegebene Miſſa
Meſchunne, verbeſſert es mit „A mieße maſchunne“ (_ ,
jäher Tod), wagt aber auch nicht, die heikle Redensart zu über-
ſetzen und verbeſſernd zu erläutern. Bei dieſer rohen Unwiſſenheit
hat der Verfaſſer doch noch den Muth auszuſprechen (S. 267),
„daß er in günſtigern Verhältniſſen dem Publikum ein Wörter-
buch der Gaunerſprachen zu überreichen geſonnen ſei“. Von der
Erfüllung dieſer ſchweren Drohung iſt jedoch zum guten Glücke
nichts bekannt geworden. Was aber ſoll man ſagen, wenn der
vermeſſene, abſprechende Tadler Falkenberg’s und Grolman’s
S. 266 bei Erwähnung der Luther’ſchen Ausgabe des Liber Va-
gatorum die Vorrede Luther’s in der Note 5 mit dieſen Worten
einleitet: „Vorrede D. M. Lutheri über das Anno 1528 wieder
aufgelegte Büchlein, von der falſchen Bettler-Büberei. Welche
1) Chad gadjo, ein Zicklein, Anfang des weit bekannten chaldäiſchen Oſter-
liedes, als Bezeichnung des bunten Durcheinander, „Kraut und Rüben“. Vgl.
Tendlau, a. a. O., Nr. 102. Das Lied ſteht bei Wagenſeil, „Belehrung“, S. 108.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 4. Leipzig, 1862, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum04_1862/236>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.