gengigl, "Wörterbuch zum Ulfilas" [Passau 1848], S. xiv); frz. honte, honny; ital. und span. onta; schwed. han; dän. haan; ags. hona, quälen, kreuzigen; und wieder ahd. hono; afrz. hana, der Gehöhnte u. s. w.: so hat sich von den alten Formen das gothische hauns bis zur Stunde vollkommen rein in der Gauner- sprache erhalten. Hauns ist nämlich der ungeübte, unerfahrne, ungeschickte Gauner, Neuling, Tölpel, Tolpatsch, und Gegenstand allgemeiner Neckerei. 1) Aehnlich hat sich Hutz, Hautz, Bauer, Hutzin, Hautzin, Bäuerin, in der Gaunersprache erhalten, zu- nächst von Huzel (und dies vom althochdeutschen haut, Haut), gedörrte Birne, altes runzeliges Weib, guter schwacher Mensch, Tropf; vgl. Schmid, S. 293; Schwenck, S. 285; Schmeller, II, 261; Adelung, II, 1343.
Jn dieser merkwürdigen Beibehaltung alter Formen zeigt die Gaunersprache allerdings große Gewalt und Consequenz. Jhres Alters wegen überrascht ihr häufiges Vorkommen in der Gauner- sprache, obschon sie, Dank der herrlichen geschichtlichen und kriti- schen Bearbeitung unserer deutschen Grammatik, doch immer leicht zu erkennen sind. Doch ist es dem Scharfblick des Gaunerthums niemals entgangen, daß bei der Hegemonie eines einzelnen, die deutsche Sprache als Ganzes repräsentirenden Dialekts das übrige specifisch Mundartige schon ferner trat und deshalb gelegentlich mehr oder minder zum versteckten Kunstausdruck den Stoff liefern konnte. Darum findet man auch das in der Gaunersprache ver- ###inte verschiedenste Mundartige wieder außerordentlich weit aus- einander gestreut, sodaß z. B. aus dem süddeutschen Gaunermunde Wörter gehört werden, welche durchaus niederdeutsch sind, als: Damp (Dampf), Pulver; Schuttel, Schöttel, Schüssel; be- bern, zittern, frieren; Lülk, Tabackspfeife u. s. w.
Wenn man in dieser bunten Verwendung und Verstreuung des Mundartigen eine von dem freien und unbefangenen Blick leicht zu ergründende Politik des Gaunerthums erblickt, so erscheint
1) Thiele nimmt S. 256 sehr einseitig den Hauhns als christlichen Dieb unter den jüdischen und als Bezeichnung des Gauners christlicher Abstammung.
gengigl, „Wörterbuch zum Ulfilas“ [Paſſau 1848], S. xiv); frz. honte, honny; ital. und ſpan. onta; ſchwed. hån; dän. haan; agſ. hona, quälen, kreuzigen; und wieder ahd. hôno; afrz. hâna, der Gehöhnte u. ſ. w.: ſo hat ſich von den alten Formen das gothiſche hauns bis zur Stunde vollkommen rein in der Gauner- ſprache erhalten. Hauns iſt nämlich der ungeübte, unerfahrne, ungeſchickte Gauner, Neuling, Tölpel, Tolpatſch, und Gegenſtand allgemeiner Neckerei. 1) Aehnlich hat ſich Hutz, Hautz, Bauer, Hutzin, Hautzin, Bäuerin, in der Gaunerſprache erhalten, zu- nächſt von Huzel (und dies vom althochdeutſchen hût, Haut), gedörrte Birne, altes runzeliges Weib, guter ſchwacher Menſch, Tropf; vgl. Schmid, S. 293; Schwenck, S. 285; Schmeller, II, 261; Adelung, II, 1343.
Jn dieſer merkwürdigen Beibehaltung alter Formen zeigt die Gaunerſprache allerdings große Gewalt und Conſequenz. Jhres Alters wegen überraſcht ihr häufiges Vorkommen in der Gauner- ſprache, obſchon ſie, Dank der herrlichen geſchichtlichen und kriti- ſchen Bearbeitung unſerer deutſchen Grammatik, doch immer leicht zu erkennen ſind. Doch iſt es dem Scharfblick des Gaunerthums niemals entgangen, daß bei der Hegemonie eines einzelnen, die deutſche Sprache als Ganzes repräſentirenden Dialekts das übrige ſpecifiſch Mundartige ſchon ferner trat und deshalb gelegentlich mehr oder minder zum verſteckten Kunſtausdruck den Stoff liefern konnte. Darum findet man auch das in der Gaunerſprache ver- ###inte verſchiedenſte Mundartige wieder außerordentlich weit aus- einander geſtreut, ſodaß z. B. aus dem ſüddeutſchen Gaunermunde Wörter gehört werden, welche durchaus niederdeutſch ſind, als: Damp (Dampf), Pulver; Schuttel, Schöttel, Schüſſel; be- bern, zittern, frieren; Lülk, Tabackspfeife u. ſ. w.
Wenn man in dieſer bunten Verwendung und Verſtreuung des Mundartigen eine von dem freien und unbefangenen Blick leicht zu ergründende Politik des Gaunerthums erblickt, ſo erſcheint
1) Thiele nimmt S. 256 ſehr einſeitig den Hauhns als chriſtlichen Dieb unter den jüdiſchen und als Bezeichnung des Gauners chriſtlicher Abſtammung.
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der Gehöhnte u. ſ. w.: ſo hat ſich von den alten Formen das
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ſprache erhalten. Hauns iſt nämlich der ungeübte, unerfahrne,
ungeſchickte Gauner, Neuling, Tölpel, Tolpatſch, und Gegenſtand
allgemeiner Neckerei. 1) Aehnlich hat ſich Hutz, Hautz, Bauer,
Hutzin, Hautzin, Bäuerin, in der Gaunerſprache erhalten, zu-
nächſt von Huzel (und dies vom althochdeutſchen hût, Haut),
gedörrte Birne, altes runzeliges Weib, guter ſchwacher Menſch,
Tropf; vgl. Schmid, S. 293; Schwenck, S. 285; Schmeller, II,
261; Adelung, II, 1343.
Jn dieſer merkwürdigen Beibehaltung alter Formen zeigt die
Gaunerſprache allerdings große Gewalt und Conſequenz. Jhres
Alters wegen überraſcht ihr häufiges Vorkommen in der Gauner-
ſprache, obſchon ſie, Dank der herrlichen geſchichtlichen und kriti-
ſchen Bearbeitung unſerer deutſchen Grammatik, doch immer leicht
zu erkennen ſind. Doch iſt es dem Scharfblick des Gaunerthums
niemals entgangen, daß bei der Hegemonie eines einzelnen, die
deutſche Sprache als Ganzes repräſentirenden Dialekts das übrige
ſpecifiſch Mundartige ſchon ferner trat und deshalb gelegentlich
mehr oder minder zum verſteckten Kunſtausdruck den Stoff liefern
konnte. Darum findet man auch das in der Gaunerſprache ver-
###inte verſchiedenſte Mundartige wieder außerordentlich weit aus-
einander geſtreut, ſodaß z. B. aus dem ſüddeutſchen Gaunermunde
Wörter gehört werden, welche durchaus niederdeutſch ſind, als:
Damp (Dampf), Pulver; Schuttel, Schöttel, Schüſſel; be-
bern, zittern, frieren; Lülk, Tabackspfeife u. ſ. w.
Wenn man in dieſer bunten Verwendung und Verſtreuung
des Mundartigen eine von dem freien und unbefangenen Blick
leicht zu ergründende Politik des Gaunerthums erblickt, ſo erſcheint
1) Thiele nimmt S. 256 ſehr einſeitig den Hauhns als chriſtlichen Dieb
unter den jüdiſchen und als Bezeichnung des Gauners chriſtlicher Abſtammung.
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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 4. Leipzig, 1862, S. 277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum04_1862/289>, abgerufen am 24.11.2024.
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