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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 4. Leipzig, 1862.

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warm; butterich (von butten, essen), hungerig; tipperich (Bor-
dellspr., vgl. das Wörterbuch unter Tippen), lüstern, geil. Wenn nun
aber auch die substantivische Endung ich, icht, sowol im Althoch-
deutschen wie im Neuhochdeutschen keinen überall charakteristisch her-
vortretenden Einfluß auf die logische Bedeutung hat, so erscheint
sie in der Gaunersprache nicht blos als ein absichtliches Anhängsel
zur Entstellung und Verhüllung des Substantivs mit seiner logi-
schen Bedeutung, sondern als die wirkliche adjectivische Form,
welche ebensowol an substantivische Stämme wie an wirkliche Ad-
jective angehängt wird und das Begriffswort als Substantiv dar-
stellt mit der dem adjectivischen icht vollkommen entsprechenden
logischen Bedeutsamkeit des concreten Sachnamens, z. B.: Mat-
tich,
Wärme, Hitze, Rausch, dessen Abstammung sowol vom deut-
schen matt (Pott, II, 33), als auch vom zigeunerischen matto,
trunken, oder sogar vom jüdischdeutschen [irrelevantes Material - Zeichen fehlt], matto, unten, ver-
sucht werden kann; Herterich (von hart), Messer, Degen, Hirsch-
fänger; Bunterich, Kattun (von bunt); ferner als Anhang an
einen substantivischen Stamm: Mantelrich, Tragbalken unter
dem Dache (von Mantel, Dach); Glenserich, Glas (von
Glanz, glänzen); Butterich (von butten, neben der Bedeutung
von hungerig, auch Tisch); Terrich, lat. terra, Erde, Land, un-
bestimmte Landstrecke zum Umherschweifen u. s. w. Ueber die sehr
eigenthümliche Endung lich, welche man bei manchen Substanti-
ven im jüdischdeutschen Gebrauch findet, z. B. Söhnlich, Knäblich,
Maidlich, Kinderlich, vgl. Th. III, S. 401.

Die schon in der ältern Gaunersprache hervortretende Endung
hart, ert, findet sich gleichfalls häufig, jedoch nur als substan-
tivische Endung, besonders zur Bezeichnung von Sach- und Thier-
namen, weniger von Personennamen, wie letztere im Neuhoch-
deutschen durch die männliche Endung er (ahd. ari, griech. tes,
ter, tor, lat. or) angezeigt werden; z. B.: Funckhart, Fun-
ckert,
Feuer, Licht; Fluckhart, Huhn; Floßhart, Wasser;
Breithart, Weide 1), Feld; Glatthart, Tisch; Rauschhart,

1) Nicht Wirthin ("breit und wohlgenährt"), wie Pott, II, 34, anführt,

warm; butterich (von butten, eſſen), hungerig; tipperich (Bor-
dellſpr., vgl. das Wörterbuch unter Tippen), lüſtern, geil. Wenn nun
aber auch die ſubſtantiviſche Endung ich, icht, ſowol im Althoch-
deutſchen wie im Neuhochdeutſchen keinen überall charakteriſtiſch her-
vortretenden Einfluß auf die logiſche Bedeutung hat, ſo erſcheint
ſie in der Gaunerſprache nicht blos als ein abſichtliches Anhängſel
zur Entſtellung und Verhüllung des Subſtantivs mit ſeiner logi-
ſchen Bedeutung, ſondern als die wirkliche adjectiviſche Form,
welche ebenſowol an ſubſtantiviſche Stämme wie an wirkliche Ad-
jective angehängt wird und das Begriffswort als Subſtantiv dar-
ſtellt mit der dem adjectiviſchen icht vollkommen entſprechenden
logiſchen Bedeutſamkeit des concreten Sachnamens, z. B.: Mat-
tich,
Wärme, Hitze, Rauſch, deſſen Abſtammung ſowol vom deut-
ſchen matt (Pott, II, 33), als auch vom zigeuneriſchen matto,
trunken, oder ſogar vom jüdiſchdeutſchen [irrelevantes Material – Zeichen fehlt], matto, unten, ver-
ſucht werden kann; Herterich (von hart), Meſſer, Degen, Hirſch-
fänger; Bunterich, Kattun (von bunt); ferner als Anhang an
einen ſubſtantiviſchen Stamm: Mantelrich, Tragbalken unter
dem Dache (von Mantel, Dach); Glenſerich, Glas (von
Glanz, glänzen); Butterich (von butten, neben der Bedeutung
von hungerig, auch Tiſch); Terrich, lat. terra, Erde, Land, un-
beſtimmte Landſtrecke zum Umherſchweifen u. ſ. w. Ueber die ſehr
eigenthümliche Endung lich, welche man bei manchen Subſtanti-
ven im jüdiſchdeutſchen Gebrauch findet, z. B. Söhnlich, Knäblich,
Maidlich, Kinderlich, vgl. Th. III, S. 401.

Die ſchon in der ältern Gaunerſprache hervortretende Endung
hart, ert, findet ſich gleichfalls häufig, jedoch nur als ſubſtan-
tiviſche Endung, beſonders zur Bezeichnung von Sach- und Thier-
namen, weniger von Perſonennamen, wie letztere im Neuhoch-
deutſchen durch die männliche Endung er (ahd. ari, griech. της,
τηρ, τωρ, lat. or) angezeigt werden; z. B.: Funckhart, Fun-
ckert,
Feuer, Licht; Fluckhart, Huhn; Floßhart, Waſſer;
Breithart, Weide 1), Feld; Glatthart, Tiſch; Rauſchhart,

1) Nicht Wirthin („breit und wohlgenährt“), wie Pott, II, 34, anführt,
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[282/0294] warm; butterich (von butten, eſſen), hungerig; tipperich (Bor- dellſpr., vgl. das Wörterbuch unter Tippen), lüſtern, geil. Wenn nun aber auch die ſubſtantiviſche Endung ich, icht, ſowol im Althoch- deutſchen wie im Neuhochdeutſchen keinen überall charakteriſtiſch her- vortretenden Einfluß auf die logiſche Bedeutung hat, ſo erſcheint ſie in der Gaunerſprache nicht blos als ein abſichtliches Anhängſel zur Entſtellung und Verhüllung des Subſtantivs mit ſeiner logi- ſchen Bedeutung, ſondern als die wirkliche adjectiviſche Form, welche ebenſowol an ſubſtantiviſche Stämme wie an wirkliche Ad- jective angehängt wird und das Begriffswort als Subſtantiv dar- ſtellt mit der dem adjectiviſchen icht vollkommen entſprechenden logiſchen Bedeutſamkeit des concreten Sachnamens, z. B.: Mat- tich, Wärme, Hitze, Rauſch, deſſen Abſtammung ſowol vom deut- ſchen matt (Pott, II, 33), als auch vom zigeuneriſchen matto, trunken, oder ſogar vom jüdiſchdeutſchen _ , matto, unten, ver- ſucht werden kann; Herterich (von hart), Meſſer, Degen, Hirſch- fänger; Bunterich, Kattun (von bunt); ferner als Anhang an einen ſubſtantiviſchen Stamm: Mantelrich, Tragbalken unter dem Dache (von Mantel, Dach); Glenſerich, Glas (von Glanz, glänzen); Butterich (von butten, neben der Bedeutung von hungerig, auch Tiſch); Terrich, lat. terra, Erde, Land, un- beſtimmte Landſtrecke zum Umherſchweifen u. ſ. w. Ueber die ſehr eigenthümliche Endung lich, welche man bei manchen Subſtanti- ven im jüdiſchdeutſchen Gebrauch findet, z. B. Söhnlich, Knäblich, Maidlich, Kinderlich, vgl. Th. III, S. 401. Die ſchon in der ältern Gaunerſprache hervortretende Endung hart, ert, findet ſich gleichfalls häufig, jedoch nur als ſubſtan- tiviſche Endung, beſonders zur Bezeichnung von Sach- und Thier- namen, weniger von Perſonennamen, wie letztere im Neuhoch- deutſchen durch die männliche Endung er (ahd. ari, griech. της, τηρ, τωρ, lat. or) angezeigt werden; z. B.: Funckhart, Fun- ckert, Feuer, Licht; Fluckhart, Huhn; Floßhart, Waſſer; Breithart, Weide 1), Feld; Glatthart, Tiſch; Rauſchhart, 1) Nicht Wirthin („breit und wohlgenährt“), wie Pott, II, 34, anführt,

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 4. Leipzig, 1862, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum04_1862/294>, abgerufen am 24.11.2024.