jüdischd. [irrelevantes Material - Zeichen fehlt], lokeach, wovon auflokechnen, anlokechnen, nehmen, fassen, wegnehmen, stehlen u. s. w.) ist allgemein der stehlende Gauner. Die hauptsächlichsten Compositionen beziehen sich auf die Zeit des Diebstahls, z. B.: Jomlekicher, der am Tage stehlende Dieb (Scheinspringer); Ereflekicher, Dieb, der zur Abendzeit stiehlt. Doch ist auch Perkochlekicher (von [irrelevantes Material - Zeichen fehlt], koach, Gewalt, Stärke) der Schränker, der gewaltthätige Dieb, Einbrecher u. s. w.
Latchener. Die Schreibung und Erklärung dieses Worts ist so schwankend, daß eine nähere etymologische Untersuchung noth- wendig ist. Das hildburghausener Wörterbuch bringt zuerst den Ausdruck: Lattger, gewaltsamer Dieb bei Nacht. Die Rotwel- sche Grammatik kennt das Wort nicht. Erst Pfister hat wieder kurzweg: latgenen, stehlen. Christensen hat lattchenen, stehlen, und Latgenen, stehlen, und Latger, Dieb. Bischoff kennt wie- der den Ausdruck nicht. Grolman hat Latgenen als bloße Va- riante von dem offenbar misverstandenen Lartgenen, stehlen, und Lartgener, Dieb. Thiele hat: Latchener, Dieb, vorzüglich Nachschlüsseldieb. So hebraisirend auch auf den ersten Anblick der Ausdruck erscheint, so ist doch keine hebräische Form auch nur an- nähernd verwandt. Das dunkle Stammwort [irrelevantes Material - Zeichen fehlt], latach (wovon [irrelevantes Material - Zeichen fehlt], Kleiderhaus, königliche Garderobe), kann unmöglich hierher bezogen werden. An das zigeun. Lako, lato, lotcho1) ist auch nicht zu denken. Man muß daher auf die erste Quelle, auf das hildburghausener Wörterbuch, zurückgehen, welches mit specifischer Beschränkung den Lattger als "gewaltsamen Dieb bei Nachtzeit" bezeichnet. Nach des Gauners Schwartzmüller Offen- barung hatte die thüringer Bande, welcher er angehörte, ihren Hauptzug nach Böhmen hinein. Die böhmische Sprache gibt nun aber eine allerdings passend scheinende Etymologie zur Hand.
1) Auch das von Thiele hinter Latchener aufgeführte lattech, arm, läßt sich doch wol nur aus dem böhm. lotr, lotrjk, bettelarm, lotterich, Lotterbube, erklären. Die Ableitung vom zig. lako, lotcho, gering, leicht, schlecht, scheint gesuchter; vgl. Pott, II, 328; Bischoff, "Deutsch-zigeunerisches Wörterbuch", S. 65.
jüdiſchd. [irrelevantes Material – Zeichen fehlt], lokeach, wovon auflokechnen, anlokechnen, nehmen, faſſen, wegnehmen, ſtehlen u. ſ. w.) iſt allgemein der ſtehlende Gauner. Die hauptſächlichſten Compoſitionen beziehen ſich auf die Zeit des Diebſtahls, z. B.: Jomlekicher, der am Tage ſtehlende Dieb (Scheinſpringer); Ereflekicher, Dieb, der zur Abendzeit ſtiehlt. Doch iſt auch Perkochlekicher (von [irrelevantes Material – Zeichen fehlt], koach, Gewalt, Stärke) der Schränker, der gewaltthätige Dieb, Einbrecher u. ſ. w.
Latchener. Die Schreibung und Erklärung dieſes Worts iſt ſo ſchwankend, daß eine nähere etymologiſche Unterſuchung noth- wendig iſt. Das hildburghauſener Wörterbuch bringt zuerſt den Ausdruck: Lattger, gewaltſamer Dieb bei Nacht. Die Rotwel- ſche Grammatik kennt das Wort nicht. Erſt Pfiſter hat wieder kurzweg: latgenen, ſtehlen. Chriſtenſen hat lattchenen, ſtehlen, und Latgênen, ſtehlen, und Latger, Dieb. Biſchoff kennt wie- der den Ausdruck nicht. Grolman hat Latgenen als bloße Va- riante von dem offenbar misverſtandenen Lartgenen, ſtehlen, und Lartgener, Dieb. Thiele hat: Latchener, Dieb, vorzüglich Nachſchlüſſeldieb. So hebraiſirend auch auf den erſten Anblick der Ausdruck erſcheint, ſo iſt doch keine hebräiſche Form auch nur an- nähernd verwandt. Das dunkle Stammwort [irrelevantes Material – Zeichen fehlt], latach (wovon [irrelevantes Material – Zeichen fehlt], Kleiderhaus, königliche Garderobe), kann unmöglich hierher bezogen werden. An das zigeun. Lako, lato, lotcho1) iſt auch nicht zu denken. Man muß daher auf die erſte Quelle, auf das hildburghauſener Wörterbuch, zurückgehen, welches mit ſpecifiſcher Beſchränkung den Lattger als „gewaltſamen Dieb bei Nachtzeit“ bezeichnet. Nach des Gauners Schwartzmüller Offen- barung hatte die thüringer Bande, welcher er angehörte, ihren Hauptzug nach Böhmen hinein. Die böhmiſche Sprache gibt nun aber eine allerdings paſſend ſcheinende Etymologie zur Hand.
1) Auch das von Thiele hinter Latchener aufgeführte lattech, arm, läßt ſich doch wol nur aus dem böhm. lotr, lotřjk, bettelarm, lotterich, Lotterbube, erklären. Die Ableitung vom zig. lakó, lotcho, gering, leicht, ſchlecht, ſcheint geſuchter; vgl. Pott, II, 328; Biſchoff, „Deutſch-zigeuneriſches Wörterbuch“, S. 65.
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ſtehlende Gauner. Die hauptſächlichſten Compoſitionen beziehen
ſich auf die Zeit des Diebſtahls, z. B.: Jomlekicher, der am
Tage ſtehlende Dieb (Scheinſpringer); Ereflekicher, Dieb, der
zur Abendzeit ſtiehlt. Doch iſt auch Perkochlekicher (von _ ,
koach, Gewalt, Stärke) der Schränker, der gewaltthätige Dieb,
Einbrecher u. ſ. w.
Latchener. Die Schreibung und Erklärung dieſes Worts iſt
ſo ſchwankend, daß eine nähere etymologiſche Unterſuchung noth-
wendig iſt. Das hildburghauſener Wörterbuch bringt zuerſt den
Ausdruck: Lattger, gewaltſamer Dieb bei Nacht. Die Rotwel-
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kurzweg: latgenen, ſtehlen. Chriſtenſen hat lattchenen, ſtehlen,
und Latgênen, ſtehlen, und Latger, Dieb. Biſchoff kennt wie-
der den Ausdruck nicht. Grolman hat Latgenen als bloße Va-
riante von dem offenbar misverſtandenen Lartgenen, ſtehlen,
und Lartgener, Dieb. Thiele hat: Latchener, Dieb, vorzüglich
Nachſchlüſſeldieb. So hebraiſirend auch auf den erſten Anblick der
Ausdruck erſcheint, ſo iſt doch keine hebräiſche Form auch nur an-
nähernd verwandt. Das dunkle Stammwort _ , latach (wovon
_ , Kleiderhaus, königliche Garderobe), kann unmöglich
hierher bezogen werden. An das zigeun. Lako, lato, lotcho 1)
iſt auch nicht zu denken. Man muß daher auf die erſte Quelle,
auf das hildburghauſener Wörterbuch, zurückgehen, welches mit
ſpecifiſcher Beſchränkung den Lattger als „gewaltſamen Dieb bei
Nachtzeit“ bezeichnet. Nach des Gauners Schwartzmüller Offen-
barung hatte die thüringer Bande, welcher er angehörte, ihren
Hauptzug nach Böhmen hinein. Die böhmiſche Sprache gibt nun
aber eine allerdings paſſend ſcheinende Etymologie zur Hand.
1) Auch das von Thiele hinter Latchener aufgeführte lattech, arm, läßt
ſich doch wol nur aus dem böhm. lotr, lotřjk, bettelarm, lotterich, Lotterbube,
erklären. Die Ableitung vom zig. lakó, lotcho, gering, leicht, ſchlecht, ſcheint
geſuchter; vgl. Pott, II, 328; Biſchoff, „Deutſch-zigeuneriſches Wörterbuch“,
S. 65.
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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 4. Leipzig, 1862, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum04_1862/307>, abgerufen am 24.11.2024.
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