denen manche Gaunerwörter so weit nachgeahmt sind, als die deutsche Sprache dies nur irgend zuläßt. Zum Glück für die Ent- zifferung und für das Verständniß dieser verzweifelten gaunerischen Formen reicht denn doch auch Geist und Bau der deutschen Sprache nicht genug dazu aus, um dem Gaunerthum für seine Sprache ein geläufiges kabbalistisches System zu bieten, und somit be- schränkt sich die kabbalistische Gaunergrammatik eben nur auf ver- einzelte Ausdrücke, welche theils direct der ohnehin schon stark re- ducirten jüdischdeutschen Kabbala nachgeahmt, theils aber wirkliche originelle deutsche Sprachtollheiten sind, bei denen das schlimmste Uebel noch darin besteht, daß auch hier zu allem vermessenen Sprachzwang die dialektische Modulation herzutritt.
Um nur einigermaßen einen Ueberblick zu geben, mögen unter Hinweis auf das Th. III, S. 389 fg., über die kabbalistischen Formen Gesagte noch folgende Bemerkungen in Bezug auf die Gaunersprache dienen.
Die anagrammatische Transposition in der gaunersprachlichen Themura geht keineswegs auf eine regelmäßige Buchstabenversetzung wie im Al bam oder Ath basch (vgl. Th. II, S. 252) hinaus, sondern ist auf eine ganz willkürliche, regellose und vereinzelte Buchstaben- und Silbentransposition beschränkt, welche durch dia- lektische Modulation noch dunkler und unkenntlicher wird, z. B.: Jkbre, Ueckbre, Eckbre, Brücke; Obelke, Opelke, Ockelbe, Uckelbe, Buckel; Appeküh, Opekü, Oppecke, Aeppelke, Kappe, Käppel; Endegrü (grünende, grün' Ende), Wiese, Grenze; Loscharen fragen, von Scholaren (nicht etwa von loschon), wie ein Schüler fragen; Serche Hanjo, Tabacksbeutel (vgl. Christen- sen, Wörterbuch), für Serche Johann; ebendaselbst: Tulerisch Nemone, lutherische Confession, für Lutherisch Nemone. Selbst recipirte fremdsprachliche Wörter werden dieser Transposition un- terworfen, wie z. B.: Palauk, Hut, für das böhm. Klobauk, Klobuk (Koblauk bei Pott, a. a. O., S. 18, ist verdruckt), wobei zu bemerken ist, daß Palauk, Lauka, im Böhmischen die Wiese bedeutet. Zuweilen wird sogar noch ein Buchstabe eingeschoben, wodurch die Verdunkelung vollständig wird, wie z. B. im pfullen-
denen manche Gaunerwörter ſo weit nachgeahmt ſind, als die deutſche Sprache dies nur irgend zuläßt. Zum Glück für die Ent- zifferung und für das Verſtändniß dieſer verzweifelten gauneriſchen Formen reicht denn doch auch Geiſt und Bau der deutſchen Sprache nicht genug dazu aus, um dem Gaunerthum für ſeine Sprache ein geläufiges kabbaliſtiſches Syſtem zu bieten, und ſomit be- ſchränkt ſich die kabbaliſtiſche Gaunergrammatik eben nur auf ver- einzelte Ausdrücke, welche theils direct der ohnehin ſchon ſtark re- ducirten jüdiſchdeutſchen Kabbala nachgeahmt, theils aber wirkliche originelle deutſche Sprachtollheiten ſind, bei denen das ſchlimmſte Uebel noch darin beſteht, daß auch hier zu allem vermeſſenen Sprachzwang die dialektiſche Modulation herzutritt.
Um nur einigermaßen einen Ueberblick zu geben, mögen unter Hinweis auf das Th. III, S. 389 fg., über die kabbaliſtiſchen Formen Geſagte noch folgende Bemerkungen in Bezug auf die Gaunerſprache dienen.
Die anagrammatiſche Transpoſition in der gaunerſprachlichen Themura geht keineswegs auf eine regelmäßige Buchſtabenverſetzung wie im Al bam oder Ath basch (vgl. Th. II, S. 252) hinaus, ſondern iſt auf eine ganz willkürliche, regelloſe und vereinzelte Buchſtaben- und Silbentranspoſition beſchränkt, welche durch dia- lektiſche Modulation noch dunkler und unkenntlicher wird, z. B.: Jkbre, Ueckbre, Eckbre, Brücke; Obelke, Opelke, Ockelbe, Uckelbe, Buckel; Appeküh, Opekü, Oppecke, Aeppelke, Kappe, Käppel; Endegrü (grünende, grün’ Ende), Wieſe, Grenze; Loſcharen fragen, von Scholaren (nicht etwa von loschon), wie ein Schüler fragen; Serche Hanjo, Tabacksbeutel (vgl. Chriſten- ſen, Wörterbuch), für Serche Johann; ebendaſelbſt: Tuleriſch Nemone, lutheriſche Confeſſion, für Lutheriſch Nemone. Selbſt recipirte fremdſprachliche Wörter werden dieſer Transpoſition un- terworfen, wie z. B.: Palauk, Hut, für das böhm. Klobauk, Klobuk (Koblauk bei Pott, a. a. O., S. 18, iſt verdruckt), wobei zu bemerken iſt, daß Palauk, Lauka, im Böhmiſchen die Wieſe bedeutet. Zuweilen wird ſogar noch ein Buchſtabe eingeſchoben, wodurch die Verdunkelung vollſtändig wird, wie z. B. im pfullen-
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denen manche Gaunerwörter ſo weit nachgeahmt ſind, als die
deutſche Sprache dies nur irgend zuläßt. Zum Glück für die Ent-
zifferung und für das Verſtändniß dieſer verzweifelten gauneriſchen
Formen reicht denn doch auch Geiſt und Bau der deutſchen Sprache
nicht genug dazu aus, um dem Gaunerthum für ſeine Sprache
ein geläufiges kabbaliſtiſches Syſtem zu bieten, und ſomit be-
ſchränkt ſich die kabbaliſtiſche Gaunergrammatik eben nur auf ver-
einzelte Ausdrücke, welche theils direct der ohnehin ſchon ſtark re-
ducirten jüdiſchdeutſchen Kabbala nachgeahmt, theils aber wirkliche
originelle deutſche Sprachtollheiten ſind, bei denen das ſchlimmſte
Uebel noch darin beſteht, daß auch hier zu allem vermeſſenen
Sprachzwang die dialektiſche Modulation herzutritt.
Um nur einigermaßen einen Ueberblick zu geben, mögen unter
Hinweis auf das Th. III, S. 389 fg., über die kabbaliſtiſchen
Formen Geſagte noch folgende Bemerkungen in Bezug auf die
Gaunerſprache dienen.
Die anagrammatiſche Transpoſition in der gaunerſprachlichen
Themura geht keineswegs auf eine regelmäßige Buchſtabenverſetzung
wie im Al bam oder Ath basch (vgl. Th. II, S. 252) hinaus,
ſondern iſt auf eine ganz willkürliche, regelloſe und vereinzelte
Buchſtaben- und Silbentranspoſition beſchränkt, welche durch dia-
lektiſche Modulation noch dunkler und unkenntlicher wird, z. B.:
Jkbre, Ueckbre, Eckbre, Brücke; Obelke, Opelke, Ockelbe,
Uckelbe, Buckel; Appeküh, Opekü, Oppecke, Aeppelke,
Kappe, Käppel; Endegrü (grünende, grün’ Ende), Wieſe, Grenze;
Loſcharen fragen, von Scholaren (nicht etwa von loschon), wie
ein Schüler fragen; Serche Hanjo, Tabacksbeutel (vgl. Chriſten-
ſen, Wörterbuch), für Serche Johann; ebendaſelbſt: Tuleriſch
Nemone, lutheriſche Confeſſion, für Lutheriſch Nemone. Selbſt
recipirte fremdſprachliche Wörter werden dieſer Transpoſition un-
terworfen, wie z. B.: Palauk, Hut, für das böhm. Klobauk,
Klobuk (Koblauk bei Pott, a. a. O., S. 18, iſt verdruckt), wobei
zu bemerken iſt, daß Palauk, Lauka, im Böhmiſchen die Wieſe
bedeutet. Zuweilen wird ſogar noch ein Buchſtabe eingeſchoben,
wodurch die Verdunkelung vollſtändig wird, wie z. B. im pfullen-
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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 4. Leipzig, 1862, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum04_1862/310>, abgerufen am 24.11.2024.
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