aus unverständlich zu bleiben. Beispiele davon geben die bei Thiele S. 38, 39, 62--66 abgedruckten Briefe und Gespräche, in welchen unter andern der Gauner Rosenthal in vorsichtiger Er- innerung an ein gemeinsames Erlebniß dem Gauner Wohlauer sich vollkommen zu erkennen gibt durch die namenlose Unterschrift: "Jhr Freund, mit dem Sie einst einen Rosch haschono kein Schau- fer in einem Dorfe haben blasen hören", indem Rosenthal mit Wohlauer das Neujahrsblasen in der Synagoge nicht hatte hören können, da er gerade am Neujahrstage auf einer Diebsreise mit Wohlauer in einem Dorfe übernachtet hatte. Ebendaselbst ist die bloße Erwähnung des "Malches jowen" (eigentlich russisches Königreich, Kaiserthum) eine nur von Wohlauer zu verstehende Be- ziehung auf den am 1. Jan. 1826 gemeinschaftlich mit ihm an dem russischen Caviarhändler Sokolow in Berlin verübten Nachschlüssel- diebstahl von 6000 Thalern. Mit gleicher Vorsicht werden auch die Anfangsbuchstaben von Städtenamen durch die Vorsetzung "Kühle" (verdorben aus Kehilla), welches auf eine größere Ge- meinde sich bezieht, oder durch "Jr" allgemein Stadt, besonders kleinere Stadt, durch "Jischuw", wo nur einzelne zerstreute Juden ohne förmlichen Gemeindeverband leben, oder endlich durch "Je- schiwo", eine Stadt, wo eine Schule, Akademie oder Universität sich befindet, noch näher erläutert, sodaß für den Genossen kaum ein Jrrthum stattfinden kann. So werden die beiden nahe bei- einander liegenden Städte Nürnberg und Fürth dadurch unter- schieden, daß ersteres 's Hikels Mokum, dagegen aber Fürth 's Hikels Kühle (Kehilla, wegen der dort befindlichen vielen Juden) genannt wird.
Die Bezeichnung der Städte mit dem bloßen Anfangsbuch- staben ist schon sehr alt. Sie scheint auch im frühesten Mittelalter ganz populär, bald aber der bloßen Willkür verfallen, dadurch zur geistlosen Spielerei und ganz zerbröckelt und dann obsolet gewor- den zu sein. Jm Mittelalter findet man z. B. auf den französi- schen Münzen die Münzstätten nach einer ganz willkürlichen Ord- nung ohne allen Bezug auf den Anfangsbuchstaben der Stadt durch Buchstaben und Punkte angedeutet. Tabourot ("Bigarrures",
Ave-Lallemant, Gaunerthum. IV. 20
aus unverſtändlich zu bleiben. Beiſpiele davon geben die bei Thiele S. 38, 39, 62—66 abgedruckten Briefe und Geſpräche, in welchen unter andern der Gauner Roſenthal in vorſichtiger Er- innerung an ein gemeinſames Erlebniß dem Gauner Wohlauer ſich vollkommen zu erkennen gibt durch die namenloſe Unterſchrift: „Jhr Freund, mit dem Sie einſt einen Roſch haſchono kein Schau- fer in einem Dorfe haben blaſen hören“, indem Roſenthal mit Wohlauer das Neujahrsblaſen in der Synagoge nicht hatte hören können, da er gerade am Neujahrstage auf einer Diebsreiſe mit Wohlauer in einem Dorfe übernachtet hatte. Ebendaſelbſt iſt die bloße Erwähnung des „Malches jowen“ (eigentlich ruſſiſches Königreich, Kaiſerthum) eine nur von Wohlauer zu verſtehende Be- ziehung auf den am 1. Jan. 1826 gemeinſchaftlich mit ihm an dem ruſſiſchen Caviarhändler Sokolow in Berlin verübten Nachſchlüſſel- diebſtahl von 6000 Thalern. Mit gleicher Vorſicht werden auch die Anfangsbuchſtaben von Städtenamen durch die Vorſetzung „Kühle“ (verdorben aus Kehilla), welches auf eine größere Ge- meinde ſich bezieht, oder durch „Jr“ allgemein Stadt, beſonders kleinere Stadt, durch „Jiſchuw“, wo nur einzelne zerſtreute Juden ohne förmlichen Gemeindeverband leben, oder endlich durch „Je- ſchiwo“, eine Stadt, wo eine Schule, Akademie oder Univerſität ſich befindet, noch näher erläutert, ſodaß für den Genoſſen kaum ein Jrrthum ſtattfinden kann. So werden die beiden nahe bei- einander liegenden Städte Nürnberg und Fürth dadurch unter- ſchieden, daß erſteres ’s Hikels Mokum, dagegen aber Fürth ’s Hikels Kühle (Kehilla, wegen der dort befindlichen vielen Juden) genannt wird.
Die Bezeichnung der Städte mit dem bloßen Anfangsbuch- ſtaben iſt ſchon ſehr alt. Sie ſcheint auch im früheſten Mittelalter ganz populär, bald aber der bloßen Willkür verfallen, dadurch zur geiſtloſen Spielerei und ganz zerbröckelt und dann obſolet gewor- den zu ſein. Jm Mittelalter findet man z. B. auf den franzöſi- ſchen Münzen die Münzſtätten nach einer ganz willkürlichen Ord- nung ohne allen Bezug auf den Anfangsbuchſtaben der Stadt durch Buchſtaben und Punkte angedeutet. Tabourot („Bigarrures“,
Avé-Lallemant, Gaunerthum. IV. 20
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aus unverſtändlich zu bleiben. Beiſpiele davon geben die bei
Thiele S. 38, 39, 62—66 abgedruckten Briefe und Geſpräche, in
welchen unter andern der Gauner Roſenthal in vorſichtiger Er-
innerung an ein gemeinſames Erlebniß dem Gauner Wohlauer
ſich vollkommen zu erkennen gibt durch die namenloſe Unterſchrift:
„Jhr Freund, mit dem Sie einſt einen Roſch haſchono kein Schau-
fer in einem Dorfe haben blaſen hören“, indem Roſenthal mit
Wohlauer das Neujahrsblaſen in der Synagoge nicht hatte hören
können, da er gerade am Neujahrstage auf einer Diebsreiſe mit
Wohlauer in einem Dorfe übernachtet hatte. Ebendaſelbſt iſt die
bloße Erwähnung des „Malches jowen“ (eigentlich ruſſiſches
Königreich, Kaiſerthum) eine nur von Wohlauer zu verſtehende Be-
ziehung auf den am 1. Jan. 1826 gemeinſchaftlich mit ihm an dem
ruſſiſchen Caviarhändler Sokolow in Berlin verübten Nachſchlüſſel-
diebſtahl von 6000 Thalern. Mit gleicher Vorſicht werden auch
die Anfangsbuchſtaben von Städtenamen durch die Vorſetzung
„Kühle“ (verdorben aus Kehilla), welches auf eine größere Ge-
meinde ſich bezieht, oder durch „Jr“ allgemein Stadt, beſonders
kleinere Stadt, durch „Jiſchuw“, wo nur einzelne zerſtreute Juden
ohne förmlichen Gemeindeverband leben, oder endlich durch „Je-
ſchiwo“, eine Stadt, wo eine Schule, Akademie oder Univerſität
ſich befindet, noch näher erläutert, ſodaß für den Genoſſen kaum
ein Jrrthum ſtattfinden kann. So werden die beiden nahe bei-
einander liegenden Städte Nürnberg und Fürth dadurch unter-
ſchieden, daß erſteres ’s Hikels Mokum, dagegen aber Fürth
’s Hikels Kühle (Kehilla, wegen der dort befindlichen vielen
Juden) genannt wird.
Die Bezeichnung der Städte mit dem bloßen Anfangsbuch-
ſtaben iſt ſchon ſehr alt. Sie ſcheint auch im früheſten Mittelalter
ganz populär, bald aber der bloßen Willkür verfallen, dadurch zur
geiſtloſen Spielerei und ganz zerbröckelt und dann obſolet gewor-
den zu ſein. Jm Mittelalter findet man z. B. auf den franzöſi-
ſchen Münzen die Münzſtätten nach einer ganz willkürlichen Ord-
nung ohne allen Bezug auf den Anfangsbuchſtaben der Stadt
durch Buchſtaben und Punkte angedeutet. Tabourot („Bigarrures“,
Avé-Lallemant, Gaunerthum. IV. 20
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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 4. Leipzig, 1862, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum04_1862/317>, abgerufen am 24.11.2024.
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