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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 4. Leipzig, 1862.

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der Worte werden regelmäßig einer um den andern in zwei unter-
einander stehende Reihen vertheilt:
D s s d s e h e e c e
a i t a r c t z i h n
(das ist das rechte Zeichen).

Die Spielerei ist hier zu leicht zu erkennen, als daß sie je-
mals gaunerpraktisch hätte werden können; ohnehin steht sie völlig
vereinzelt da und ist wol kaum der weitern Rede werth. Für die
linguistische Spielerei der Stubengelehrten bot sich zur Blütezeit
des Galimatias im 16. und 17. Jahrhundert der reichste und
tollste Stoff dar. Wer davon zahlreiche und verwegene Proben
sehen will, der findet bei Tabourot a. a. O., besonders im ganzen
ersten Buche, genug davon und zwar meistens von der schmuzig-
sten Sorte in Wort und Bild.

Mit der deutschen Orthographie und Kalligraphie sieht es
in der Gaunersprache meistens traurig aus, obwol je nach dem
socialen Bildungsgrade der gaunerischen Jndividualität nicht selten
sehr gut stilisirte und zuweilen auch wirklich schön geschriebene
Briefe zum Vorschein kommen. Ueberraschend bleibt es immer,
wenn man bei dem gewandten, ja oft feinen Benehmen einer gau-
nerischen Jndividualität nicht selten eine Menge der ärgsten Schreib-
fehler findet, während doch der Ausdruck selbst correct und ge-
wandt ist. Namentlich treffen hier bei weiblichen Gaunern die
grellsten Contraste zusammen. Die großartige Anna Marie Bom-
mert aus Graudenz, welche hier in Lübeck unter dem Namen
Clara Ottilie Leistemann auftrat, schrieb eine ebenso unsaubere
Handschrift, wie sie die ärgsten grammatischen Schnitzer machte.
Eine als Gräfin C. M. reisende Gaunerin vom feinsten Beneh-
men, welche fließend französisch und englisch sprach, machte in
einem an mich gerichteten deutschen Briefe mehrere orthographische
Fehler. Ueberhaupt aber erklärt sich die große Schwankung der
Orthographie in der Gaunersprache aus der sich überall geltend
machenden Prävalenz des Dialektischen, welche nicht selten die
einzelnen Ausdrücke bis zur Unkenntlichkeit entstellt, weshalb denn

der Worte werden regelmäßig einer um den andern in zwei unter-
einander ſtehende Reihen vertheilt:
D s ſ d s e h e e c e
a i t a r c t z i h n
(das iſt das rechte Zeichen).

Die Spielerei iſt hier zu leicht zu erkennen, als daß ſie je-
mals gaunerpraktiſch hätte werden können; ohnehin ſteht ſie völlig
vereinzelt da und iſt wol kaum der weitern Rede werth. Für die
linguiſtiſche Spielerei der Stubengelehrten bot ſich zur Blütezeit
des Galimatias im 16. und 17. Jahrhundert der reichſte und
tollſte Stoff dar. Wer davon zahlreiche und verwegene Proben
ſehen will, der findet bei Tabourot a. a. O., beſonders im ganzen
erſten Buche, genug davon und zwar meiſtens von der ſchmuzig-
ſten Sorte in Wort und Bild.

Mit der deutſchen Orthographie und Kalligraphie ſieht es
in der Gaunerſprache meiſtens traurig aus, obwol je nach dem
ſocialen Bildungsgrade der gauneriſchen Jndividualität nicht ſelten
ſehr gut ſtiliſirte und zuweilen auch wirklich ſchön geſchriebene
Briefe zum Vorſchein kommen. Ueberraſchend bleibt es immer,
wenn man bei dem gewandten, ja oft feinen Benehmen einer gau-
neriſchen Jndividualität nicht ſelten eine Menge der ärgſten Schreib-
fehler findet, während doch der Ausdruck ſelbſt correct und ge-
wandt iſt. Namentlich treffen hier bei weiblichen Gaunern die
grellſten Contraſte zuſammen. Die großartige Anna Marie Bom-
mert aus Graudenz, welche hier in Lübeck unter dem Namen
Clara Ottilie Leiſtemann auftrat, ſchrieb eine ebenſo unſaubere
Handſchrift, wie ſie die ärgſten grammatiſchen Schnitzer machte.
Eine als Gräfin C. M. reiſende Gaunerin vom feinſten Beneh-
men, welche fließend franzöſiſch und engliſch ſprach, machte in
einem an mich gerichteten deutſchen Briefe mehrere orthographiſche
Fehler. Ueberhaupt aber erklärt ſich die große Schwankung der
Orthographie in der Gaunerſprache aus der ſich überall geltend
machenden Prävalenz des Dialektiſchen, welche nicht ſelten die
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[46/0058] der Worte werden regelmäßig einer um den andern in zwei unter- einander ſtehende Reihen vertheilt: D s ſ d s e h e e c e a i t a r c t z i h n (das iſt das rechte Zeichen). Die Spielerei iſt hier zu leicht zu erkennen, als daß ſie je- mals gaunerpraktiſch hätte werden können; ohnehin ſteht ſie völlig vereinzelt da und iſt wol kaum der weitern Rede werth. Für die linguiſtiſche Spielerei der Stubengelehrten bot ſich zur Blütezeit des Galimatias im 16. und 17. Jahrhundert der reichſte und tollſte Stoff dar. Wer davon zahlreiche und verwegene Proben ſehen will, der findet bei Tabourot a. a. O., beſonders im ganzen erſten Buche, genug davon und zwar meiſtens von der ſchmuzig- ſten Sorte in Wort und Bild. Mit der deutſchen Orthographie und Kalligraphie ſieht es in der Gaunerſprache meiſtens traurig aus, obwol je nach dem ſocialen Bildungsgrade der gauneriſchen Jndividualität nicht ſelten ſehr gut ſtiliſirte und zuweilen auch wirklich ſchön geſchriebene Briefe zum Vorſchein kommen. Ueberraſchend bleibt es immer, wenn man bei dem gewandten, ja oft feinen Benehmen einer gau- neriſchen Jndividualität nicht ſelten eine Menge der ärgſten Schreib- fehler findet, während doch der Ausdruck ſelbſt correct und ge- wandt iſt. Namentlich treffen hier bei weiblichen Gaunern die grellſten Contraſte zuſammen. Die großartige Anna Marie Bom- mert aus Graudenz, welche hier in Lübeck unter dem Namen Clara Ottilie Leiſtemann auftrat, ſchrieb eine ebenſo unſaubere Handſchrift, wie ſie die ärgſten grammatiſchen Schnitzer machte. Eine als Gräfin C. M. reiſende Gaunerin vom feinſten Beneh- men, welche fließend franzöſiſch und engliſch ſprach, machte in einem an mich gerichteten deutſchen Briefe mehrere orthographiſche Fehler. Ueberhaupt aber erklärt ſich die große Schwankung der Orthographie in der Gaunerſprache aus der ſich überall geltend machenden Prävalenz des Dialektiſchen, welche nicht ſelten die einzelnen Ausdrücke bis zur Unkenntlichkeit entſtellt, weshalb denn

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 4. Leipzig, 1862, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum04_1862/58>, abgerufen am 21.11.2024.