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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 4. Leipzig, 1862.

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auch deutsche Gaunerbriefe in dieser Hinsicht große Aufmerksamkeit
bei ihrer Entzifferung erfordern.

Ueberall aber gibt es keine specifische Gaunerschrift, so wenig
wie es specielle gaunerdeutsche graphische Ligaturen gibt, obschon
auch in deutschen Briefen ganz wie im Jüdischdeutschen die krumme
Zeile
gebraucht wird, von welcher bereits Th. III, Kap. 71 aus-
führlich gehandelt worden ist.



Achtes Kapitel.
E. Grammatik der Gaunersprache.
1) Die historische Grammatik.
a) Einleitung.

Wiederholt ist darauf hingewiesen worden, daß die "Sprache
der Bildung" in historischem Proceß als ein Transact der in der
Hegemonie miteinander wechselnden deutschen Dialekte entstanden
ist, zu welchem diese sich als zur correcten, würdigen, allgemeinen
Ausdrucksform der deutschen Sprache geeinigt haben, ohne daß
darum irgendein Dialekt seine Eigenthümlichkeit und die Berech-
tigung zu seiner weitern innern Ausbildung aufgegeben hätte. Jn
ähnlicher Weise erscheint die deutsche Gaunersprache als ein Trans-
act aller Dialekte zu einer einzigen, der deutschen Gesammtgauner-
gruppe allgemein verständlichen Ausdrucksform. Doch ist keines-
wegs die Veredelung und Correctheit des sprachlichen Ausdrucks
der Zweck dieses Transacts, sondern das absolute Geheimniß zur
Ermöglichung und Erhaltung des abgeschlossenen Verständnisses.
Aus gleichem Grunde findet das Dialektische seine volle Geltung
in der Gaunersprache, sobald es Geheimniß sein kann, und bleibt
das Veraltete in voller Geltung bestehen, sobald es für das all-
gemeine Volksverständniß obsolet oder unverständlich geworden ist
und wird sogar, wenn es als Gaunertype bekannt und vom
Gaunerthum deswegen außer Brauch gesetzt worden war, in

auch deutſche Gaunerbriefe in dieſer Hinſicht große Aufmerkſamkeit
bei ihrer Entzifferung erfordern.

Ueberall aber gibt es keine ſpecifiſche Gaunerſchrift, ſo wenig
wie es ſpecielle gaunerdeutſche graphiſche Ligaturen gibt, obſchon
auch in deutſchen Briefen ganz wie im Jüdiſchdeutſchen die krumme
Zeile
gebraucht wird, von welcher bereits Th. III, Kap. 71 aus-
führlich gehandelt worden iſt.



Achtes Kapitel.
E. Grammatik der Gaunerſprache.
1) Die hiſtoriſche Grammatik.
a) Einleitung.

Wiederholt iſt darauf hingewieſen worden, daß die „Sprache
der Bildung“ in hiſtoriſchem Proceß als ein Transact der in der
Hegemonie miteinander wechſelnden deutſchen Dialekte entſtanden
iſt, zu welchem dieſe ſich als zur correcten, würdigen, allgemeinen
Ausdrucksform der deutſchen Sprache geeinigt haben, ohne daß
darum irgendein Dialekt ſeine Eigenthümlichkeit und die Berech-
tigung zu ſeiner weitern innern Ausbildung aufgegeben hätte. Jn
ähnlicher Weiſe erſcheint die deutſche Gaunerſprache als ein Trans-
act aller Dialekte zu einer einzigen, der deutſchen Geſammtgauner-
gruppe allgemein verſtändlichen Ausdrucksform. Doch iſt keines-
wegs die Veredelung und Correctheit des ſprachlichen Ausdrucks
der Zweck dieſes Transacts, ſondern das abſolute Geheimniß zur
Ermöglichung und Erhaltung des abgeſchloſſenen Verſtändniſſes.
Aus gleichem Grunde findet das Dialektiſche ſeine volle Geltung
in der Gaunerſprache, ſobald es Geheimniß ſein kann, und bleibt
das Veraltete in voller Geltung beſtehen, ſobald es für das all-
gemeine Volksverſtändniß obſolet oder unverſtändlich geworden iſt
und wird ſogar, wenn es als Gaunertype bekannt und vom
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[47/0059] auch deutſche Gaunerbriefe in dieſer Hinſicht große Aufmerkſamkeit bei ihrer Entzifferung erfordern. Ueberall aber gibt es keine ſpecifiſche Gaunerſchrift, ſo wenig wie es ſpecielle gaunerdeutſche graphiſche Ligaturen gibt, obſchon auch in deutſchen Briefen ganz wie im Jüdiſchdeutſchen die krumme Zeile gebraucht wird, von welcher bereits Th. III, Kap. 71 aus- führlich gehandelt worden iſt. Achtes Kapitel. E. Grammatik der Gaunerſprache. 1) Die hiſtoriſche Grammatik. a) Einleitung. Wiederholt iſt darauf hingewieſen worden, daß die „Sprache der Bildung“ in hiſtoriſchem Proceß als ein Transact der in der Hegemonie miteinander wechſelnden deutſchen Dialekte entſtanden iſt, zu welchem dieſe ſich als zur correcten, würdigen, allgemeinen Ausdrucksform der deutſchen Sprache geeinigt haben, ohne daß darum irgendein Dialekt ſeine Eigenthümlichkeit und die Berech- tigung zu ſeiner weitern innern Ausbildung aufgegeben hätte. Jn ähnlicher Weiſe erſcheint die deutſche Gaunerſprache als ein Trans- act aller Dialekte zu einer einzigen, der deutſchen Geſammtgauner- gruppe allgemein verſtändlichen Ausdrucksform. Doch iſt keines- wegs die Veredelung und Correctheit des ſprachlichen Ausdrucks der Zweck dieſes Transacts, ſondern das abſolute Geheimniß zur Ermöglichung und Erhaltung des abgeſchloſſenen Verſtändniſſes. Aus gleichem Grunde findet das Dialektiſche ſeine volle Geltung in der Gaunerſprache, ſobald es Geheimniß ſein kann, und bleibt das Veraltete in voller Geltung beſtehen, ſobald es für das all- gemeine Volksverſtändniß obſolet oder unverſtändlich geworden iſt und wird ſogar, wenn es als Gaunertype bekannt und vom Gaunerthum deswegen außer Brauch geſetzt worden war, in

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 4. Leipzig, 1862, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum04_1862/59>, abgerufen am 24.11.2024.