Nicht lange Zeit, gewiß kaum später als ein halbes Jahr- hundert, nachdem Dithmar von Meckebach vermöge seiner wenigen Vocabeln einen tiefen Blick in das Volks- und Gaunerleben sei- ner Zeit beurkundet hatte, erließ der baseler Rath das Mandat wider die Gilen und Lamen, dessen bereits Th. I, S. 49 fg., Er- wähnung gethan und dessen genauer Abdruck nach Daniel Brück- ner's correcter Quelle Th. I, S. 125 fg., gegeben ist.
Abgesehen von dem hohen Werthe des Rathsmandats als ältesten Musters einer in echt freistädtischem Tone gehaltenen Po- lizeibekanntmachung und einer durchweg volksthümlichen Ansprache enthält es eine wichtige Anzahl damaliger Gaunerausdrücke, welche vom Rathe selbst erläutert werden. Das Mandat blieb, wie schon erwähnt, bis 1749 ungedruckt und vergessen, und würde trotz der von Johannes Knebel 1475 genommenen Abschrift, welche eben- falls ungedruckt blieb bis 1839, ohne alle nachhaltige Wirkung außerhalb Basels geblieben sein: wenn nicht das Mandat um das Ende des 15. Jahrhunderts von unbekannter Hand bearbeitet und unter dem Titel des "Liber Vagatorum der Betlerorden" im Druck herausgegeben worden wäre. Jn sprachlicher Hinsicht be- steht nun aber ein sehr merklicher Unterschied zwischen dem Ori- ginal und der Bearbeitung. Der Verfasser des Liber Vagatorum hat die correcten Gaunerausdrücke des Mandats vielfach entstellt, mag dies durch bloße Lese-, Schreib- oder Druckfehler veranlaßt sein, oder aus wirklichem Mangel des Redacteurs an eigener Kenntniß der allerdings ungewöhnlichen technischen Vocabulatur, von welchem letztern Mangel übrigens der sehr eigenmächtige und unkundige Johannes Knebel die ärgsten Proben gibt. So findet man im Liber Vagatorum durchgehends Grantener für Grau- tener, Veranerin für Vermerin, Schwanfelder für Span- felder, Jnnen1) für Junen u. s. w. Bei diesen erwiesenen
1) Brückner hat allerdings auch die incorrecte Schreibung Jnnen, welche Th. I, S. 131, Z. 20, beibehalten worden ist.
Zehntes Kapitel. c)Das baſeler Rathsmandat.
Nicht lange Zeit, gewiß kaum ſpäter als ein halbes Jahr- hundert, nachdem Dithmar von Meckebach vermöge ſeiner wenigen Vocabeln einen tiefen Blick in das Volks- und Gaunerleben ſei- ner Zeit beurkundet hatte, erließ der baſeler Rath das Mandat wider die Gilen und Lamen, deſſen bereits Th. I, S. 49 fg., Er- wähnung gethan und deſſen genauer Abdruck nach Daniel Brück- ner’s correcter Quelle Th. I, S. 125 fg., gegeben iſt.
Abgeſehen von dem hohen Werthe des Rathsmandats als älteſten Muſters einer in echt freiſtädtiſchem Tone gehaltenen Po- lizeibekanntmachung und einer durchweg volksthümlichen Anſprache enthält es eine wichtige Anzahl damaliger Gaunerausdrücke, welche vom Rathe ſelbſt erläutert werden. Das Mandat blieb, wie ſchon erwähnt, bis 1749 ungedruckt und vergeſſen, und würde trotz der von Johannes Knebel 1475 genommenen Abſchrift, welche eben- falls ungedruckt blieb bis 1839, ohne alle nachhaltige Wirkung außerhalb Baſels geblieben ſein: wenn nicht das Mandat um das Ende des 15. Jahrhunderts von unbekannter Hand bearbeitet und unter dem Titel des „Liber Vagatorum der Betlerorden“ im Druck herausgegeben worden wäre. Jn ſprachlicher Hinſicht be- ſteht nun aber ein ſehr merklicher Unterſchied zwiſchen dem Ori- ginal und der Bearbeitung. Der Verfaſſer des Liber Vagatorum hat die correcten Gaunerausdrücke des Mandats vielfach entſtellt, mag dies durch bloße Leſe-, Schreib- oder Druckfehler veranlaßt ſein, oder aus wirklichem Mangel des Redacteurs an eigener Kenntniß der allerdings ungewöhnlichen techniſchen Vocabulatur, von welchem letztern Mangel übrigens der ſehr eigenmächtige und unkundige Johannes Knebel die ärgſten Proben gibt. So findet man im Liber Vagatorum durchgehends Grantener für Grau- tener, Veranerin für Vermerin, Schwanfelder für Span- felder, Jnnen1) für Junen u. ſ. w. Bei dieſen erwieſenen
1) Brückner hat allerdings auch die incorrecte Schreibung Jnnen, welche Th. I, S. 131, Z. 20, beibehalten worden iſt.
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Zehntes Kapitel.
c) Das baſeler Rathsmandat.
Nicht lange Zeit, gewiß kaum ſpäter als ein halbes Jahr-
hundert, nachdem Dithmar von Meckebach vermöge ſeiner wenigen
Vocabeln einen tiefen Blick in das Volks- und Gaunerleben ſei-
ner Zeit beurkundet hatte, erließ der baſeler Rath das Mandat
wider die Gilen und Lamen, deſſen bereits Th. I, S. 49 fg., Er-
wähnung gethan und deſſen genauer Abdruck nach Daniel Brück-
ner’s correcter Quelle Th. I, S. 125 fg., gegeben iſt.
Abgeſehen von dem hohen Werthe des Rathsmandats als
älteſten Muſters einer in echt freiſtädtiſchem Tone gehaltenen Po-
lizeibekanntmachung und einer durchweg volksthümlichen Anſprache
enthält es eine wichtige Anzahl damaliger Gaunerausdrücke, welche
vom Rathe ſelbſt erläutert werden. Das Mandat blieb, wie ſchon
erwähnt, bis 1749 ungedruckt und vergeſſen, und würde trotz der
von Johannes Knebel 1475 genommenen Abſchrift, welche eben-
falls ungedruckt blieb bis 1839, ohne alle nachhaltige Wirkung
außerhalb Baſels geblieben ſein: wenn nicht das Mandat um das
Ende des 15. Jahrhunderts von unbekannter Hand bearbeitet und
unter dem Titel des „Liber Vagatorum der Betlerorden“ im
Druck herausgegeben worden wäre. Jn ſprachlicher Hinſicht be-
ſteht nun aber ein ſehr merklicher Unterſchied zwiſchen dem Ori-
ginal und der Bearbeitung. Der Verfaſſer des Liber Vagatorum
hat die correcten Gaunerausdrücke des Mandats vielfach entſtellt,
mag dies durch bloße Leſe-, Schreib- oder Druckfehler veranlaßt
ſein, oder aus wirklichem Mangel des Redacteurs an eigener
Kenntniß der allerdings ungewöhnlichen techniſchen Vocabulatur,
von welchem letztern Mangel übrigens der ſehr eigenmächtige und
unkundige Johannes Knebel die ärgſten Proben gibt. So findet
man im Liber Vagatorum durchgehends Grantener für Grau-
tener, Veranerin für Vermerin, Schwanfelder für Span-
felder, Jnnen 1) für Junen u. ſ. w. Bei dieſen erwieſenen
1) Brückner hat allerdings auch die incorrecte Schreibung Jnnen, welche
Th. I, S. 131, Z. 20, beibehalten worden iſt.
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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 4. Leipzig, 1862, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum04_1862/69>, abgerufen am 21.11.2024.
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