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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 4. Leipzig, 1862.

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Sind die Nachweise der Stammwurzeln im Vocabular des
Expertus auch nur trocken und unfruchtbar und sind die hebräi-
schen Wurzeln des Liber Vagatorum schon dreißig Jahre später
von Wagenseil viel ausführlicher und gründlicher gegeben wor-
den 1), so ist der Herausgeber des Expertus in Truphis, trotz-
dem er nichts anderes gibt als was der Liber Vagatorum dar-
bietet, und trotzdem die Nachweise äußerst dürr und sogar auch
vielfach fehlerhaft sind, doch der erste Schriftsteller, welcher min-
destens nach einer Analyse und Exegese der Gaunersprache strebte.
Jnsofern erscheint der Expertus in Truphis viel merkwürdiger als
dadurch, daß er bis auf die neueste Zeit die letzte vollständige Aus-
gabe des Liber Vagatorum geblieben ist.



Neunzehnles Kapitel.
m) Wenzel Scherffer.

Wie ein tobender Wirbelwind hatte der Dreißigjährige Krieg
das ganze socialpolitische Leben gefaßt, jegliches Band der gesell-
schaftlichen Ordnung zerrissen, die sittlichen Grundlagen des Staats
erschüttert und selbst das schützende Soldatenthum zum brand-
schatzenden mörderischen Räuberthum umgeschaffen, sodaß dieses
mit seiner vollsten sittlichen Entartung zur herrschenden Gewalt
geworden war. Jm verzweifelten Kampfe der nach Luft und Leben
ringenden, mechanisch und aufs Gerathewohl mit ihrer schlecht
organisirten Polizei um sich greifenden Staatsgewalt mit dem wie
niemals und nirgendwo anders so populär gewordenen Räuber-
thum gelang es ihr, einzelne glückliche Siege zu erkämpfen, von
denen jeder auf dem Schaffot mit Rad, Schwert oder Strick ge-
feiert wurde, ohne daß bei dem massenhaften physischen Abthun
ein geistiger Sieg mit seinen tief durchgreifenden sittlichen Conse-

thekar zu Weimar, bekannt geworden, welchem ich noch manche schätzbare lin-
guistische Mittheilungen verdanke.
1) Vgl. Th. III, S. 402.

Sind die Nachweiſe der Stammwurzeln im Vocabular des
Expertus auch nur trocken und unfruchtbar und ſind die hebräi-
ſchen Wurzeln des Liber Vagatorum ſchon dreißig Jahre ſpäter
von Wagenſeil viel ausführlicher und gründlicher gegeben wor-
den 1), ſo iſt der Herausgeber des Expertus in Truphis, trotz-
dem er nichts anderes gibt als was der Liber Vagatorum dar-
bietet, und trotzdem die Nachweiſe äußerſt dürr und ſogar auch
vielfach fehlerhaft ſind, doch der erſte Schriftſteller, welcher min-
deſtens nach einer Analyſe und Exegeſe der Gaunerſprache ſtrebte.
Jnſofern erſcheint der Expertus in Truphis viel merkwürdiger als
dadurch, daß er bis auf die neueſte Zeit die letzte vollſtändige Aus-
gabe des Liber Vagatorum geblieben iſt.



Neunzehnles Kapitel.
m) Wenzel Scherffer.

Wie ein tobender Wirbelwind hatte der Dreißigjährige Krieg
das ganze ſocialpolitiſche Leben gefaßt, jegliches Band der geſell-
ſchaftlichen Ordnung zerriſſen, die ſittlichen Grundlagen des Staats
erſchüttert und ſelbſt das ſchützende Soldatenthum zum brand-
ſchatzenden mörderiſchen Räuberthum umgeſchaffen, ſodaß dieſes
mit ſeiner vollſten ſittlichen Entartung zur herrſchenden Gewalt
geworden war. Jm verzweifelten Kampfe der nach Luft und Leben
ringenden, mechaniſch und aufs Gerathewohl mit ihrer ſchlecht
organiſirten Polizei um ſich greifenden Staatsgewalt mit dem wie
niemals und nirgendwo anders ſo populär gewordenen Räuber-
thum gelang es ihr, einzelne glückliche Siege zu erkämpfen, von
denen jeder auf dem Schaffot mit Rad, Schwert oder Strick ge-
feiert wurde, ohne daß bei dem maſſenhaften phyſiſchen Abthun
ein geiſtiger Sieg mit ſeinen tief durchgreifenden ſittlichen Conſe-

thekar zu Weimar, bekannt geworden, welchem ich noch manche ſchätzbare lin-
guiſtiſche Mittheilungen verdanke.
1) Vgl. Th. III, S. 402.
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[86/0098] Sind die Nachweiſe der Stammwurzeln im Vocabular des Expertus auch nur trocken und unfruchtbar und ſind die hebräi- ſchen Wurzeln des Liber Vagatorum ſchon dreißig Jahre ſpäter von Wagenſeil viel ausführlicher und gründlicher gegeben wor- den 1), ſo iſt der Herausgeber des Expertus in Truphis, trotz- dem er nichts anderes gibt als was der Liber Vagatorum dar- bietet, und trotzdem die Nachweiſe äußerſt dürr und ſogar auch vielfach fehlerhaft ſind, doch der erſte Schriftſteller, welcher min- deſtens nach einer Analyſe und Exegeſe der Gaunerſprache ſtrebte. Jnſofern erſcheint der Expertus in Truphis viel merkwürdiger als dadurch, daß er bis auf die neueſte Zeit die letzte vollſtändige Aus- gabe des Liber Vagatorum geblieben iſt. Neunzehnles Kapitel. m) Wenzel Scherffer. Wie ein tobender Wirbelwind hatte der Dreißigjährige Krieg das ganze ſocialpolitiſche Leben gefaßt, jegliches Band der geſell- ſchaftlichen Ordnung zerriſſen, die ſittlichen Grundlagen des Staats erſchüttert und ſelbſt das ſchützende Soldatenthum zum brand- ſchatzenden mörderiſchen Räuberthum umgeſchaffen, ſodaß dieſes mit ſeiner vollſten ſittlichen Entartung zur herrſchenden Gewalt geworden war. Jm verzweifelten Kampfe der nach Luft und Leben ringenden, mechaniſch und aufs Gerathewohl mit ihrer ſchlecht organiſirten Polizei um ſich greifenden Staatsgewalt mit dem wie niemals und nirgendwo anders ſo populär gewordenen Räuber- thum gelang es ihr, einzelne glückliche Siege zu erkämpfen, von denen jeder auf dem Schaffot mit Rad, Schwert oder Strick ge- feiert wurde, ohne daß bei dem maſſenhaften phyſiſchen Abthun ein geiſtiger Sieg mit ſeinen tief durchgreifenden ſittlichen Conſe- 1) 1) Vgl. Th. III, S. 402. 1) thekar zu Weimar, bekannt geworden, welchem ich noch manche ſchätzbare lin- guiſtiſche Mittheilungen verdanke.

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 4. Leipzig, 1862, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum04_1862/98>, abgerufen am 21.11.2024.