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Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 1. Königsberg, 1828.

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Beiträge zur Entwickelungsgeschichte wollen hier in die Welt treten. Be-
vor sie selbst reden, ist über ihre eigene Entwickelungsgeschichte zu berich-
ten, damit man wisse, was sie erzeugt, gepflegt und sonst auf sie gewirkt
hat. Wer aber wird ein freundliches Ohr schenken der Rede des Vaters,
die vielleicht länger sich ausspinnt, als sie sollte, da er kaum weiss, ob er
das Vorliegende eine verspätete Frühgeburt oder eine frühzeitige Spätgeburt
nennen soll? Wohl nur der Jugendfreund, den früh gleiche wissenschaftliche
Liebe mit ihm verband!

Du hast noch ein näheres Recht, ja vielleicht eine Verpflichtung, des
Kindleins Pathe zu seyn. Wenn nämlich die Bildung der Frucht ein Wachs-
thum über die Schranke des Individuums hinaus ist, so dürfen die vorliegen-
den Untersuchungen sich rühmen, eine Folge jener für die Naturwissenschaft
ewig denkwürdigen Verhindung zu seyn, in welcher ein in physiologischen
Forschungen ergrauter Veteran, ein von Eifer für die Wissenschaft glühen-
der Jüngling und ein unvergleichlicher Künstler sich verbanden, um durch
vereinte Kräfte eine feste Grundlage für die Entwickelungsgeschichte des thie-
rischen Organismus zu gewinnen. Du wurdest der Sprecher dieses Triumvi-
rates, Dir also überreiche ich, was ich dem Vereine widmen möchte, zu
dessen Bildung eine zufällige Veranlassung gegeben zu haben, mir das unver-
diente Glück zu Theil wurde, indem ich Dich bei unsrer Begegnung in Jena
bewog, nach Würzburg zu kommen, um meinen Herrn und Meister Döllin-
ger
kennen zu lernen, in dessen Hause jeder angehende Naturforscher Anre-
gung, Unterstützung und Belehrung jeglicher Art fand. Du bliebst länger,
als Du gewollt hattest. Da entwickelte sich jene glückliche Zeit, (wie gern
verweilt meine Erinnerung bei ihr!) in welcher uns Döllinger und Nees
von Esenbeck
nach Würzburg und Sickershausen wie zwei Pole zogen,

Beiträge zur Entwickelungsgeschichte wollen hier in die Welt treten. Be-
vor sie selbst reden, ist über ihre eigene Entwickelungsgeschichte zu berich-
ten, damit man wisse, was sie erzeugt, gepflegt und sonst auf sie gewirkt
hat. Wer aber wird ein freundliches Ohr schenken der Rede des Vaters,
die vielleicht länger sich ausspinnt, als sie sollte, da er kaum weiſs, ob er
das Vorliegende eine verspätete Frühgeburt oder eine frühzeitige Spätgeburt
nennen soll? Wohl nur der Jugendfreund, den früh gleiche wissenschaftliche
Liebe mit ihm verband!

Du hast noch ein näheres Recht, ja vielleicht eine Verpflichtung, des
Kindleins Pathe zu seyn. Wenn nämlich die Bildung der Frucht ein Wachs-
thum über die Schranke des Individuums hinaus ist, so dürfen die vorliegen-
den Untersuchungen sich rühmen, eine Folge jener für die Naturwissenschaft
ewig denkwürdigen Verhindung zu seyn, in welcher ein in physiologischen
Forschungen ergrauter Veteran, ein von Eifer für die Wissenschaft glühen-
der Jüngling und ein unvergleichlicher Künstler sich verbanden, um durch
vereinte Kräfte eine feste Grundlage für die Entwickelungsgeschichte des thie-
rischen Organismus zu gewinnen. Du wurdest der Sprecher dieses Triumvi-
rates, Dir also überreiche ich, was ich dem Vereine widmen möchte, zu
dessen Bildung eine zufällige Veranlassung gegeben zu haben, mir das unver-
diente Glück zu Theil wurde, indem ich Dich bei unsrer Begegnung in Jena
bewog, nach Würzburg zu kommen, um meinen Herrn und Meister Döllin-
ger
kennen zu lernen, in dessen Hause jeder angehende Naturforscher Anre-
gung, Unterstützung und Belehrung jeglicher Art fand. Du bliebst länger,
als Du gewollt hattest. Da entwickelte sich jene glückliche Zeit, (wie gern
verweilt meine Erinnerung bei ihr!) in welcher uns Döllinger und Nees
von Esenbeck
nach Würzburg und Sickershausen wie zwei Pole zogen,

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[IV/0011] Beiträge zur Entwickelungsgeschichte wollen hier in die Welt treten. Be- vor sie selbst reden, ist über ihre eigene Entwickelungsgeschichte zu berich- ten, damit man wisse, was sie erzeugt, gepflegt und sonst auf sie gewirkt hat. Wer aber wird ein freundliches Ohr schenken der Rede des Vaters, die vielleicht länger sich ausspinnt, als sie sollte, da er kaum weiſs, ob er das Vorliegende eine verspätete Frühgeburt oder eine frühzeitige Spätgeburt nennen soll? Wohl nur der Jugendfreund, den früh gleiche wissenschaftliche Liebe mit ihm verband! Du hast noch ein näheres Recht, ja vielleicht eine Verpflichtung, des Kindleins Pathe zu seyn. Wenn nämlich die Bildung der Frucht ein Wachs- thum über die Schranke des Individuums hinaus ist, so dürfen die vorliegen- den Untersuchungen sich rühmen, eine Folge jener für die Naturwissenschaft ewig denkwürdigen Verhindung zu seyn, in welcher ein in physiologischen Forschungen ergrauter Veteran, ein von Eifer für die Wissenschaft glühen- der Jüngling und ein unvergleichlicher Künstler sich verbanden, um durch vereinte Kräfte eine feste Grundlage für die Entwickelungsgeschichte des thie- rischen Organismus zu gewinnen. Du wurdest der Sprecher dieses Triumvi- rates, Dir also überreiche ich, was ich dem Vereine widmen möchte, zu dessen Bildung eine zufällige Veranlassung gegeben zu haben, mir das unver- diente Glück zu Theil wurde, indem ich Dich bei unsrer Begegnung in Jena bewog, nach Würzburg zu kommen, um meinen Herrn und Meister Döllin- ger kennen zu lernen, in dessen Hause jeder angehende Naturforscher Anre- gung, Unterstützung und Belehrung jeglicher Art fand. Du bliebst länger, als Du gewollt hattest. Da entwickelte sich jene glückliche Zeit, (wie gern verweilt meine Erinnerung bei ihr!) in welcher uns Döllinger und Nees von Esenbeck nach Würzburg und Sickershausen wie zwei Pole zogen,

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Zitationshilfe: Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 1. Königsberg, 1828, S. IV. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1828/11>, abgerufen am 25.04.2024.