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Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 1. Königsberg, 1828.

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kenntlich wird, Dich zu der Ansicht verleitet haben, als lägen die Wichel-
aufänge nach aussen neben den Primitivfalten, während sie doch in ihrem
Innern liegen. An diese Bemerkung knüpfte sich meine ganze fernere Unter-
suchung, denn gleich einem leuchtenden Strahle schoss es mir nun durch die
Seele, wie der Typus im Bau der Wirbelthiere sich allmählig im Embryo
ausbildet. -- Schon früher nämlich hatten sich in mir die Vorstellungen von
den verschiedenen Typen im Bau der Thiere gestaltet, von denen ich endlich
im Vten Bande der Verhandlungen der Leopoldinischen Akademie eine Skizze
vorgelegt habe, und über welche bereits im Winter von 1816 auf 1817
Hartmann, Fowelin und andre unsrer Freunde in Berlin meinen ersten
Lehrkitzel in vier oder fünf Verlesungen aushalten mussten *). Es sind die-
selben Vorstellungen, welche ich in jener Schrift im Jahr 1819 zu entwik-

*) Also vor Erscheinung von Cuvier's Regne animal. Ich erlaube mir, diesen geringfügigen
Umstand zu bemerken, um mich zu rechtfertigen, wenn ich die in dem vorliegenden Buche
zum Grunde gelegten Ansichten über die Verwandtschaftsverhältnisse der Thiere als die mei-
nigen behandle, in so fern man Etwas sein Eigenthum nennen kann, was eine Frucht der
Zeit ist. Denn dass Cuvier's Eintheilung des Thierreiches in vier grosse Gruppen, die so
unendlich fruchtbar für die Erkenntniss des thierischen Baues geworden ist, durch mehr-
fache Entdeckungen, unter denen seine eigenen oben an stehen, vorbereitet gewesen seyn
muss, sieht man schon daraus, dass Rudolphi's vorgeschlagene neue Eintheilung der
Thiere in seinen Beiträgen zur Anthropologie und allgemeinen Naturgeschiehte im Grunde
dieselbe ist. Auch diese vortreffliche Abhandlung, die später mit Cuvier's unsterblichem
Werke meinen Vorstellungen mehr Festigkeit und Klarheit gegeben hat, war mir damals
noch nicht bekannt. Nur der Einwirkung war ich mir bewusst, die Oken's Nachweisung
der Wirbel im Schädel auf mich gehabt hatte, und der Vergleichung dieses Verhältnisses mit
denjenigen niedern Thieren, die ich selbst untersucht hatte. Hiermit mag man meine Vor-
liebe für diese Ansichten von den thierischen Verwandtschaften entschuldigen, die mir die
Beobachtung im Felde der Entwickelungsgeschichte überall wieder zu geben schien. Ru-
dolphi
und Cuvier haben mehr den Zweck, Eintheilungsgründe für eine systematische An-
ordnung der Thiere zu geben. Worin ich von ihnen abweichen zu müssen glaube, habe
ich in der siebenten Abhandlung meiner Beiträge für den genannten Band der Nova Acta
Acad. Nat. Curies.
hervorgehoben. Ueberhaupt bitte ich jenen Aufsatz, so wie die Bemerkun-
gen über das äussere und innere Skelet in Meckel's Archiv 1826 mit dem vorliegenden
Buche als ein organisch zusammengehöriges Ganzes zu betrachten. Sie kommen aus dersel-
ben Wurzel und sind nur verschiedeue Blätter desselben Stammes.

kenntlich wird, Dich zu der Ansicht verleitet haben, als lägen die Wichel-
aufänge nach auſsen neben den Primitivfalten, während sie doch in ihrem
Innern liegen. An diese Bemerkung knüpfte sich meine ganze fernere Unter-
suchung, denn gleich einem leuchtenden Strahle schoſs es mir nun durch die
Seele, wie der Typus im Bau der Wirbelthiere sich allmählig im Embryo
ausbildet. — Schon früher nämlich hatten sich in mir die Vorstellungen von
den verschiedenen Typen im Bau der Thiere gestaltet, von denen ich endlich
im Vten Bande der Verhandlungen der Leopoldinischen Akademie eine Skizze
vorgelegt habe, und über welche bereits im Winter von 1816 auf 1817
Hartmann, Fowelin und andre unsrer Freunde in Berlin meinen ersten
Lehrkitzel in vier oder fünf Verlesungen aushalten muſsten *). Es sind die-
selben Vorstellungen, welche ich in jener Schrift im Jahr 1819 zu entwik-

*) Also vor Erscheinung von Cuvier’s Règne animal. Ich erlaube mir, diesen geringfügigen
Umstand zu bemerken, um mich zu rechtfertigen, wenn ich die in dem vorliegenden Buche
zum Grunde gelegten Ansichten über die Verwandtschaftsverhältnisse der Thiere als die mei-
nigen behandle, in so fern man Etwas sein Eigenthum nennen kann, was eine Frucht der
Zeit ist. Denn daſs Cuvier’s Eintheilung des Thierreiches in vier groſse Gruppen, die so
unendlich fruchtbar für die Erkenntniſs des thierischen Baues geworden ist, durch mehr-
fache Entdeckungen, unter denen seine eigenen oben an stehen, vorbereitet gewesen seyn
muſs, sieht man schon daraus, daſs Rudolphi’s vorgeschlagene neue Eintheilung der
Thiere in seinen Beiträgen zur Anthropologie und allgemeinen Naturgeschiehte im Grunde
dieselbe ist. Auch diese vortreffliche Abhandlung, die später mit Cuvier’s unsterblichem
Werke meinen Vorstellungen mehr Festigkeit und Klarheit gegeben hat, war mir damals
noch nicht bekannt. Nur der Einwirkung war ich mir bewuſst, die Oken’s Nachweisung
der Wirbel im Schädel auf mich gehabt hatte, und der Vergleichung dieses Verhältnisses mit
denjenigen niedern Thieren, die ich selbst untersucht hatte. Hiermit mag man meine Vor-
liebe für diese Ansichten von den thierischen Verwandtschaften entschuldigen, die mir die
Beobachtung im Felde der Entwickelungsgeschichte überall wieder zu geben schien. Ru-
dolphi
und Cuvier haben mehr den Zweck, Eintheilungsgründe für eine systematische An-
ordnung der Thiere zu geben. Worin ich von ihnen abweichen zu müssen glaube, habe
ich in der siebenten Abhandlung meiner Beiträge für den genannten Band der Nova Acta
Acad. Nat. Curies.
hervorgehoben. Ueberhaupt bitte ich jenen Aufsatz, so wie die Bemerkun-
gen über das äuſsere und innere Skelet in Meckel’s Archiv 1826 mit dem vorliegenden
Buche als ein organisch zusammengehöriges Ganzes zu betrachten. Sie kommen aus dersel-
ben Wurzel und sind nur verschiedeue Blätter desselben Stammes.
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[VII/0013] kenntlich wird, Dich zu der Ansicht verleitet haben, als lägen die Wichel- aufänge nach auſsen neben den Primitivfalten, während sie doch in ihrem Innern liegen. An diese Bemerkung knüpfte sich meine ganze fernere Unter- suchung, denn gleich einem leuchtenden Strahle schoſs es mir nun durch die Seele, wie der Typus im Bau der Wirbelthiere sich allmählig im Embryo ausbildet. — Schon früher nämlich hatten sich in mir die Vorstellungen von den verschiedenen Typen im Bau der Thiere gestaltet, von denen ich endlich im Vten Bande der Verhandlungen der Leopoldinischen Akademie eine Skizze vorgelegt habe, und über welche bereits im Winter von 1816 auf 1817 Hartmann, Fowelin und andre unsrer Freunde in Berlin meinen ersten Lehrkitzel in vier oder fünf Verlesungen aushalten muſsten *). Es sind die- selben Vorstellungen, welche ich in jener Schrift im Jahr 1819 zu entwik- *) Also vor Erscheinung von Cuvier’s Règne animal. Ich erlaube mir, diesen geringfügigen Umstand zu bemerken, um mich zu rechtfertigen, wenn ich die in dem vorliegenden Buche zum Grunde gelegten Ansichten über die Verwandtschaftsverhältnisse der Thiere als die mei- nigen behandle, in so fern man Etwas sein Eigenthum nennen kann, was eine Frucht der Zeit ist. Denn daſs Cuvier’s Eintheilung des Thierreiches in vier groſse Gruppen, die so unendlich fruchtbar für die Erkenntniſs des thierischen Baues geworden ist, durch mehr- fache Entdeckungen, unter denen seine eigenen oben an stehen, vorbereitet gewesen seyn muſs, sieht man schon daraus, daſs Rudolphi’s vorgeschlagene neue Eintheilung der Thiere in seinen Beiträgen zur Anthropologie und allgemeinen Naturgeschiehte im Grunde dieselbe ist. Auch diese vortreffliche Abhandlung, die später mit Cuvier’s unsterblichem Werke meinen Vorstellungen mehr Festigkeit und Klarheit gegeben hat, war mir damals noch nicht bekannt. Nur der Einwirkung war ich mir bewuſst, die Oken’s Nachweisung der Wirbel im Schädel auf mich gehabt hatte, und der Vergleichung dieses Verhältnisses mit denjenigen niedern Thieren, die ich selbst untersucht hatte. Hiermit mag man meine Vor- liebe für diese Ansichten von den thierischen Verwandtschaften entschuldigen, die mir die Beobachtung im Felde der Entwickelungsgeschichte überall wieder zu geben schien. Ru- dolphi und Cuvier haben mehr den Zweck, Eintheilungsgründe für eine systematische An- ordnung der Thiere zu geben. Worin ich von ihnen abweichen zu müssen glaube, habe ich in der siebenten Abhandlung meiner Beiträge für den genannten Band der Nova Acta Acad. Nat. Curies. hervorgehoben. Ueberhaupt bitte ich jenen Aufsatz, so wie die Bemerkun- gen über das äuſsere und innere Skelet in Meckel’s Archiv 1826 mit dem vorliegenden Buche als ein organisch zusammengehöriges Ganzes zu betrachten. Sie kommen aus dersel- ben Wurzel und sind nur verschiedeue Blätter desselben Stammes.

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Zitationshilfe: Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 1. Königsberg, 1828, S. VII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1828/13>, abgerufen am 24.04.2024.