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Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 1. Königsberg, 1828.

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Dotterkügelchen zugleich in einem Gefässaste sich finden, um so dünne Ströme
gelb zu färben. Es sind aber die grössten Dotterkügelchen sehr viel grösser, als
die Blutkügelchen, und wenn die Venen hinlänglich weite Mündungen hätten, um
jene aufzunehmen, so ist nicht einzusehen, wie das Blut nicht ausfliesst, da die
geringste Verletzung einer Vene der Keimhaut das Blut von allen Seiten dahin zu-
sammenfliessen lässt. Es schien mir, dass im Embryo des Hühnchens die Gefässe
immer vom Blute mehr ausgedehnt sind, als im erwachsenen Thiere, weil sich in
jenem auch für kleine Gefässe viel schwerer eine Verschliessung entweder durch
Zusammenziehen des Gefässes oder durch einen Blutpfropf bildet, als in diesem.
Dagegen ist es keinem Zweifel unterworfen, dass der flüssige Theil des Dotters
von den Venen aufgesogen wird, denn vom 10ten Tage an ist die Abnahme des
Dotters beträchtlicher, als die Aufnahme durch den Dottergang allein bewirken
könnte, und in den feinern Venenzweigen ist das Blut so wenig gefärbt, dass man
die Beimischung eines wenig gefärbten Wassers zu erkennen glaubt. Auch führt
die Aufnahme des flüssigen Theiles von Eiweiss darauf hin.

Das seröse Blatt hat sich bis zum äussern Umfange des Gefässhofes getrennt,
und der Harnsack verbreitet sich in diesem Raume nach allen Seiten. Die Ge-
fässe mehren sich in demselben sehr. Der Uebergang seiner Arterien in die Ve-
nen scheint in den feinern Zweigen unmittelbar. Die linke Nabelarterie ent-
wickelt sich stärker, als die rechte. Der Harnsack bedeckt den grössten Theil
des Dottersackes als eine geschlossene Blase. Die eine Hälfte dieser Blase liegt
nämlich auf dem Amnion und dem Dottersacke, die andere an der serösen Hülle
und mit ihr an der Schaalenhaut. Diese äussere Hälfte ist viel blutreicher als die
innere. Beide Hälften sind durch die enthaltene Flüssigkeit getrennt. Jede Hälfte
besteht ursprünglich aus dem der Flüssigkeit zugekehrten Schleimblatte und dem
Gefässblatte. Beide Blätter werden aber im Verlaufe dieser Tage in der untern
Hälfte und im Stiel, also da, wo die Athmung weniger vorherrschend ist, un-
kenntlicher, und scheinen besonders in letzterer nur ein Blatt zu bilden, von wel-
chem ich nicht habe bestimmen können, ob es das ursprüngliche Schleimblatt
oder Gefässblatt oder eine Verwechselung beider ist.

Das Amnion ist stark angefüllt von Flüssigkeit. Das Hin- und Herschwan-b. Amnion.
ken des Embryo, unterstützt von Contractionen des Amnions, ist am achten Tage
sehr lebhaft, weniger lebhaft in den folgenden Tagen. Dass das Amnion dabei
selbstthätig ist, erschien mir unverkennbar, (obgleich ganz unerwartet,) denn
erst nachdem das Amnion sich an einem Ende unter starker Runzelung zusammen-
gezogen hatte, bewegte sich der Embryo nach dem entgegengesetzten Ende von
der Flüssigkeit getragen. Reizte ich das Amnion mit der Nadel, so wurden die

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Dotterkügelchen zugleich in einem Gefäſsaste sich finden, um so dünne Ströme
gelb zu färben. Es sind aber die gröſsten Dotterkügelchen sehr viel gröſser, als
die Blutkügelchen, und wenn die Venen hinlänglich weite Mündungen hätten, um
jene aufzunehmen, so ist nicht einzusehen, wie das Blut nicht ausflieſst, da die
geringste Verletzung einer Vene der Keimhaut das Blut von allen Seiten dahin zu-
sammenflieſsen läſst. Es schien mir, daſs im Embryo des Hühnchens die Gefäſse
immer vom Blute mehr ausgedehnt sind, als im erwachsenen Thiere, weil sich in
jenem auch für kleine Gefäſse viel schwerer eine Verschlieſsung entweder durch
Zusammenziehen des Gefäſses oder durch einen Blutpfropf bildet, als in diesem.
Dagegen ist es keinem Zweifel unterworfen, daſs der flüssige Theil des Dotters
von den Venen aufgesogen wird, denn vom 10ten Tage an ist die Abnahme des
Dotters beträchtlicher, als die Aufnahme durch den Dottergang allein bewirken
könnte, und in den feinern Venenzweigen ist das Blut so wenig gefärbt, daſs man
die Beimischung eines wenig gefärbten Wassers zu erkennen glaubt. Auch führt
die Aufnahme des flüssigen Theiles von Eiweiſs darauf hin.

Das seröse Blatt hat sich bis zum äuſsern Umfange des Gefäſshofes getrennt,
und der Harnsack verbreitet sich in diesem Raume nach allen Seiten. Die Ge-
fäſse mehren sich in demselben sehr. Der Uebergang seiner Arterien in die Ve-
nen scheint in den feinern Zweigen unmittelbar. Die linke Nabelarterie ent-
wickelt sich stärker, als die rechte. Der Harnsack bedeckt den gröſsten Theil
des Dottersackes als eine geschlossene Blase. Die eine Hälfte dieser Blase liegt
nämlich auf dem Amnion und dem Dottersacke, die andere an der serösen Hülle
und mit ihr an der Schaalenhaut. Diese äuſsere Hälfte ist viel blutreicher als die
innere. Beide Hälften sind durch die enthaltene Flüssigkeit getrennt. Jede Hälfte
besteht ursprünglich aus dem der Flüssigkeit zugekehrten Schleimblatte und dem
Gefäſsblatte. Beide Blätter werden aber im Verlaufe dieser Tage in der untern
Hälfte und im Stiel, also da, wo die Athmung weniger vorherrschend ist, un-
kenntlicher, und scheinen besonders in letzterer nur ein Blatt zu bilden, von wel-
chem ich nicht habe bestimmen können, ob es das ursprüngliche Schleimblatt
oder Gefäſsblatt oder eine Verwechselung beider ist.

Das Amnion ist stark angefüllt von Flüssigkeit. Das Hin- und Herschwan-b. Amnion.
ken des Embryo, unterstützt von Contractionen des Amnions, ist am achten Tage
sehr lebhaft, weniger lebhaft in den folgenden Tagen. Daſs das Amnion dabei
selbstthätig ist, erschien mir unverkennbar, (obgleich ganz unerwartet,) denn
erst nachdem das Amnion sich an einem Ende unter starker Runzelung zusammen-
gezogen hatte, bewegte sich der Embryo nach dem entgegengesetzten Ende von
der Flüssigkeit getragen. Reizte ich das Amnion mit der Nadel, so wurden die

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[107/0137] Dotterkügelchen zugleich in einem Gefäſsaste sich finden, um so dünne Ströme gelb zu färben. Es sind aber die gröſsten Dotterkügelchen sehr viel gröſser, als die Blutkügelchen, und wenn die Venen hinlänglich weite Mündungen hätten, um jene aufzunehmen, so ist nicht einzusehen, wie das Blut nicht ausflieſst, da die geringste Verletzung einer Vene der Keimhaut das Blut von allen Seiten dahin zu- sammenflieſsen läſst. Es schien mir, daſs im Embryo des Hühnchens die Gefäſse immer vom Blute mehr ausgedehnt sind, als im erwachsenen Thiere, weil sich in jenem auch für kleine Gefäſse viel schwerer eine Verschlieſsung entweder durch Zusammenziehen des Gefäſses oder durch einen Blutpfropf bildet, als in diesem. Dagegen ist es keinem Zweifel unterworfen, daſs der flüssige Theil des Dotters von den Venen aufgesogen wird, denn vom 10ten Tage an ist die Abnahme des Dotters beträchtlicher, als die Aufnahme durch den Dottergang allein bewirken könnte, und in den feinern Venenzweigen ist das Blut so wenig gefärbt, daſs man die Beimischung eines wenig gefärbten Wassers zu erkennen glaubt. Auch führt die Aufnahme des flüssigen Theiles von Eiweiſs darauf hin. Das seröse Blatt hat sich bis zum äuſsern Umfange des Gefäſshofes getrennt, und der Harnsack verbreitet sich in diesem Raume nach allen Seiten. Die Ge- fäſse mehren sich in demselben sehr. Der Uebergang seiner Arterien in die Ve- nen scheint in den feinern Zweigen unmittelbar. Die linke Nabelarterie ent- wickelt sich stärker, als die rechte. Der Harnsack bedeckt den gröſsten Theil des Dottersackes als eine geschlossene Blase. Die eine Hälfte dieser Blase liegt nämlich auf dem Amnion und dem Dottersacke, die andere an der serösen Hülle und mit ihr an der Schaalenhaut. Diese äuſsere Hälfte ist viel blutreicher als die innere. Beide Hälften sind durch die enthaltene Flüssigkeit getrennt. Jede Hälfte besteht ursprünglich aus dem der Flüssigkeit zugekehrten Schleimblatte und dem Gefäſsblatte. Beide Blätter werden aber im Verlaufe dieser Tage in der untern Hälfte und im Stiel, also da, wo die Athmung weniger vorherrschend ist, un- kenntlicher, und scheinen besonders in letzterer nur ein Blatt zu bilden, von wel- chem ich nicht habe bestimmen können, ob es das ursprüngliche Schleimblatt oder Gefäſsblatt oder eine Verwechselung beider ist. Das Amnion ist stark angefüllt von Flüssigkeit. Das Hin- und Herschwan- ken des Embryo, unterstützt von Contractionen des Amnions, ist am achten Tage sehr lebhaft, weniger lebhaft in den folgenden Tagen. Daſs das Amnion dabei selbstthätig ist, erschien mir unverkennbar, (obgleich ganz unerwartet,) denn erst nachdem das Amnion sich an einem Ende unter starker Runzelung zusammen- gezogen hatte, bewegte sich der Embryo nach dem entgegengesetzten Ende von der Flüssigkeit getragen. Reizte ich das Amnion mit der Nadel, so wurden die b. Amnion. O 2

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Zitationshilfe: Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 1. Königsberg, 1828, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1828/137>, abgerufen am 24.11.2024.