Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 1. Königsberg, 1828.

Bild:
<< vorherige Seite

Ende Luft einziehenden Insectonlariven werden durch Muskelcontractionen die
Athmungsorgane entleert. Die Wiederanfüllung ist vorzüglich Folge der nach-
lassenden Muskelthätigkeit, wenigstens ist, wenn noch eine entgegengesetzte
Muskelthätigkeit hinzutritt, diese geringer, als die ausleerende. Umgekehrt ist es
in den Lungenthieren. Die Aufnahme der Luft ist hier mehr activ, die Aus-
treibung mehr passiv. Der Weg für die Aufnahme wird also die Lagerung des
Apparates bestimmen, nicht der rückgängige Weg der ausgeleerten Luft. Nun
finden wir zwar die Lunge gedoppelt, aber in allen Thieren die rechte Lunge
grösser und in den ächten Schlangen sogar nur diese entwickelt, von der linken nur
eine Spur. Dazu kommt noch, dass in einigen Cetaceen, wie in der Gattung
Physeter, das rechte Nasenloch verkümmert. Ja es mag noch allgemeiner seyn,
dass die rechte Nasenöffnung kleiner ist, als die linke, wie z. B. aus Sömmer-
ring's
Beschreibung des fossilen Hyänenschädels hervorgeht (Nova acta Nat.
cur. XIV. p.
14.). Wir können also durch den gelben Pfeil (5) in unsrer Figur
summarisch den Weg der Luft für die Athmung der Wirbelthiere bezeichnen.
In den Kiemen der Fische ist freilich eine solche seitliche Differenz wenigstens
nicht auffallend, allein die Kiemen sind so unmittelbar an den animalischen Theil
des Leibes geknüpft, wie schon die vorübergehenden Kiemenbogen der Embryo-
nen von Lungenthieren beweisen, dass die Asymmetrie des plastischen Leibes sich
in ihnen nicht entwickeln kann.

Wenn ein Apparat, wie der verdauende, von einem Pole zum anderng. Ver-
dauungs-
apparat.

durch die ganze Länge des plastischen Leibes hindurchgeht, so kann er freilich
nicht überall seinen Inhalt nach rechts treiben. Man darf nur erwarten, dass in
den Abschnitten, wo die bewegenden Kräfte am stärksten hervortrelen, die also
die bestimmenden für die Lagerung des Ganzen sind, die Bewegung diese Rich-
tung erhalte. Nun finden wir aber in allen Wirbelthieren, so viel mir bekannt
ist, den Magen nach links liegend und den Pförtner an seiner rechten Seite, so
wie den Anfang des Zwölffingerdarmes nach rechts gehend, er mag sich übrigens
zugleich nach vorn wenden, oder nicht. Der Magen treibt also seinen Inhalt nach
rechts. Dasselbe Verhältniss ist häufig in dem muskulösen Mastdarme. Andere
Abschnitte müssen nun freilich von rechts nach links gehen, allein sie sind die
weniger thätigen. So denke ich mir, dass, wenn die Speise in den Säugethieren
nach links geht, um in den Magen zu kommen, dieser entgegengesetzte Weg nur
durch die Macht des Magens, der, um nach rechts zu treiben, links liegt, her-
vorgebracht wird. Auch ist es nur der hintere Theil der Speiseröhre, der vom
Magen beherrscht wird; denn wenn das Knochengerüste des Halses so stark ge-
krümmt ist, dass die Speiseröhre von der untern Fläche desselben abgleitet, so

E e

Ende Luft einziehenden Insectonlariven werden durch Muskelcontractionen die
Athmungsorgane entleert. Die Wiederanfüllung ist vorzüglich Folge der nach-
lassenden Muskelthätigkeit, wenigstens ist, wenn noch eine entgegengesetzte
Muskelthätigkeit hinzutritt, diese geringer, als die ausleerende. Umgekehrt ist es
in den Lungenthieren. Die Aufnahme der Luft ist hier mehr activ, die Aus-
treibung mehr passiv. Der Weg für die Aufnahme wird also die Lagerung des
Apparates bestimmen, nicht der rückgängige Weg der ausgeleerten Luft. Nun
finden wir zwar die Lunge gedoppelt, aber in allen Thieren die rechte Lunge
gröſser und in den ächten Schlangen sogar nur diese entwickelt, von der linken nur
eine Spur. Dazu kommt noch, daſs in einigen Cetaceen, wie in der Gattung
Physeter, das rechte Nasenloch verkümmert. Ja es mag noch allgemeiner seyn,
daſs die rechte Nasenöffnung kleiner ist, als die linke, wie z. B. aus Sömmer-
ring’s
Beschreibung des fossilen Hyänenschädels hervorgeht (Nova acta Nat.
cur. XIV. p.
14.). Wir können also durch den gelben Pfeil (5) in unsrer Figur
summarisch den Weg der Luft für die Athmung der Wirbelthiere bezeichnen.
In den Kiemen der Fische ist freilich eine solche seitliche Differenz wenigstens
nicht auffallend, allein die Kiemen sind so unmittelbar an den animalischen Theil
des Leibes geknüpft, wie schon die vorübergehenden Kiemenbogen der Embryo-
nen von Lungenthieren beweisen, daſs die Asymmetrie des plastischen Leibes sich
in ihnen nicht entwickeln kann.

Wenn ein Apparat, wie der verdauende, von einem Pole zum andernγ. Ver-
dauungs-
apparat.

durch die ganze Länge des plastischen Leibes hindurchgeht, so kann er freilich
nicht überall seinen Inhalt nach rechts treiben. Man darf nur erwarten, daſs in
den Abschnitten, wo die bewegenden Kräfte am stärksten hervortrelen, die also
die bestimmenden für die Lagerung des Ganzen sind, die Bewegung diese Rich-
tung erhalte. Nun finden wir aber in allen Wirbelthieren, so viel mir bekannt
ist, den Magen nach links liegend und den Pförtner an seiner rechten Seite, so
wie den Anfang des Zwölffingerdarmes nach rechts gehend, er mag sich übrigens
zugleich nach vorn wenden, oder nicht. Der Magen treibt also seinen Inhalt nach
rechts. Dasselbe Verhältniſs ist häufig in dem muskulösen Mastdarme. Andere
Abschnitte müssen nun freilich von rechts nach links gehen, allein sie sind die
weniger thätigen. So denke ich mir, daſs, wenn die Speise in den Säugethieren
nach links geht, um in den Magen zu kommen, dieser entgegengesetzte Weg nur
durch die Macht des Magens, der, um nach rechts zu treiben, links liegt, her-
vorgebracht wird. Auch ist es nur der hintere Theil der Speiseröhre, der vom
Magen beherrscht wird; denn wenn das Knochengerüste des Halses so stark ge-
krümmt ist, daſs die Speiseröhre von der untern Fläche desselben abgleitet, so

E e
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0247" n="217"/>
Ende Luft einziehenden Insectonlariven werden durch Muskelcontractionen die<lb/>
Athmungsorgane entleert. Die Wiederanfüllung ist vorzüglich Folge der nach-<lb/>
lassenden Muskelthätigkeit, wenigstens ist, wenn noch eine entgegengesetzte<lb/>
Muskelthätigkeit hinzutritt, diese geringer, als die ausleerende. Umgekehrt ist es<lb/>
in den Lungenthieren. Die Aufnahme der Luft ist hier mehr activ, die Aus-<lb/>
treibung mehr passiv. Der Weg für die Aufnahme wird also die Lagerung des<lb/>
Apparates bestimmen, nicht der rückgängige Weg der ausgeleerten Luft. Nun<lb/>
finden wir zwar die Lunge gedoppelt, aber in allen Thieren die rechte Lunge<lb/>
grö&#x017F;ser und in den ächten Schlangen sogar nur diese entwickelt, von der linken nur<lb/>
eine Spur. Dazu kommt noch, da&#x017F;s in einigen Cetaceen, wie in der Gattung<lb/><hi rendition="#i">Physeter,</hi> das rechte Nasenloch verkümmert. Ja es mag noch allgemeiner seyn,<lb/>
da&#x017F;s die rechte Nasenöffnung kleiner ist, als die linke, wie z. B. aus <hi rendition="#g">Sömmer-<lb/>
ring&#x2019;s</hi> Beschreibung des fossilen Hyänenschädels hervorgeht <hi rendition="#i">(Nova acta Nat.<lb/>
cur. XIV. p.</hi> 14.). Wir können also durch den gelben Pfeil (5) in unsrer Figur<lb/>
summarisch den Weg der Luft für die Athmung der Wirbelthiere bezeichnen.<lb/>
In den Kiemen der Fische ist freilich eine solche seitliche Differenz wenigstens<lb/>
nicht auffallend, allein die Kiemen sind so unmittelbar an den animalischen Theil<lb/>
des Leibes geknüpft, wie schon die vorübergehenden Kiemenbogen der Embryo-<lb/>
nen von Lungenthieren beweisen, da&#x017F;s die Asymmetrie des plastischen Leibes sich<lb/>
in ihnen nicht entwickeln kann.</p><lb/>
            <p>Wenn ein Apparat, wie der verdauende, von einem Pole zum andern<note place="right"><hi rendition="#i">&#x03B3;.</hi> Ver-<lb/>
dauungs-<lb/>
apparat.</note><lb/>
durch die ganze Länge des plastischen Leibes hindurchgeht, so kann er freilich<lb/>
nicht überall seinen Inhalt nach rechts treiben. Man darf nur erwarten, da&#x017F;s in<lb/>
den Abschnitten, wo die bewegenden Kräfte am stärksten hervortrelen, die also<lb/>
die bestimmenden für die Lagerung des Ganzen sind, die Bewegung diese Rich-<lb/>
tung erhalte. Nun finden wir aber in allen Wirbelthieren, so viel mir bekannt<lb/>
ist, den Magen nach links liegend und den Pförtner an seiner rechten Seite, so<lb/>
wie den Anfang des Zwölffingerdarmes nach rechts gehend, er mag sich übrigens<lb/>
zugleich nach vorn wenden, oder nicht. Der Magen treibt also seinen Inhalt nach<lb/>
rechts. Dasselbe Verhältni&#x017F;s ist häufig in dem muskulösen Mastdarme. Andere<lb/>
Abschnitte müssen nun freilich von rechts nach links gehen, allein sie sind die<lb/>
weniger thätigen. So denke ich mir, da&#x017F;s, wenn die Speise in den Säugethieren<lb/>
nach links geht, um in den Magen zu kommen, dieser entgegengesetzte Weg nur<lb/>
durch die Macht des Magens, der, um nach rechts zu treiben, links liegt, her-<lb/>
vorgebracht wird. Auch ist es nur der hintere Theil der Speiseröhre, der vom<lb/>
Magen beherrscht wird; denn wenn das Knochengerüste des Halses so stark ge-<lb/>
krümmt ist, da&#x017F;s die Speiseröhre von der untern Fläche desselben abgleitet, so<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">E e</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[217/0247] Ende Luft einziehenden Insectonlariven werden durch Muskelcontractionen die Athmungsorgane entleert. Die Wiederanfüllung ist vorzüglich Folge der nach- lassenden Muskelthätigkeit, wenigstens ist, wenn noch eine entgegengesetzte Muskelthätigkeit hinzutritt, diese geringer, als die ausleerende. Umgekehrt ist es in den Lungenthieren. Die Aufnahme der Luft ist hier mehr activ, die Aus- treibung mehr passiv. Der Weg für die Aufnahme wird also die Lagerung des Apparates bestimmen, nicht der rückgängige Weg der ausgeleerten Luft. Nun finden wir zwar die Lunge gedoppelt, aber in allen Thieren die rechte Lunge gröſser und in den ächten Schlangen sogar nur diese entwickelt, von der linken nur eine Spur. Dazu kommt noch, daſs in einigen Cetaceen, wie in der Gattung Physeter, das rechte Nasenloch verkümmert. Ja es mag noch allgemeiner seyn, daſs die rechte Nasenöffnung kleiner ist, als die linke, wie z. B. aus Sömmer- ring’s Beschreibung des fossilen Hyänenschädels hervorgeht (Nova acta Nat. cur. XIV. p. 14.). Wir können also durch den gelben Pfeil (5) in unsrer Figur summarisch den Weg der Luft für die Athmung der Wirbelthiere bezeichnen. In den Kiemen der Fische ist freilich eine solche seitliche Differenz wenigstens nicht auffallend, allein die Kiemen sind so unmittelbar an den animalischen Theil des Leibes geknüpft, wie schon die vorübergehenden Kiemenbogen der Embryo- nen von Lungenthieren beweisen, daſs die Asymmetrie des plastischen Leibes sich in ihnen nicht entwickeln kann. Wenn ein Apparat, wie der verdauende, von einem Pole zum andern durch die ganze Länge des plastischen Leibes hindurchgeht, so kann er freilich nicht überall seinen Inhalt nach rechts treiben. Man darf nur erwarten, daſs in den Abschnitten, wo die bewegenden Kräfte am stärksten hervortrelen, die also die bestimmenden für die Lagerung des Ganzen sind, die Bewegung diese Rich- tung erhalte. Nun finden wir aber in allen Wirbelthieren, so viel mir bekannt ist, den Magen nach links liegend und den Pförtner an seiner rechten Seite, so wie den Anfang des Zwölffingerdarmes nach rechts gehend, er mag sich übrigens zugleich nach vorn wenden, oder nicht. Der Magen treibt also seinen Inhalt nach rechts. Dasselbe Verhältniſs ist häufig in dem muskulösen Mastdarme. Andere Abschnitte müssen nun freilich von rechts nach links gehen, allein sie sind die weniger thätigen. So denke ich mir, daſs, wenn die Speise in den Säugethieren nach links geht, um in den Magen zu kommen, dieser entgegengesetzte Weg nur durch die Macht des Magens, der, um nach rechts zu treiben, links liegt, her- vorgebracht wird. Auch ist es nur der hintere Theil der Speiseröhre, der vom Magen beherrscht wird; denn wenn das Knochengerüste des Halses so stark ge- krümmt ist, daſs die Speiseröhre von der untern Fläche desselben abgleitet, so γ. Ver- dauungs- apparat. E e

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1828
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1828/247
Zitationshilfe: Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 1. Königsberg, 1828, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1828/247>, abgerufen am 27.04.2024.