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Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 1. Königsberg, 1828.

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Amphibium scheidet, ist schon oben gezeigt. Wahrscheinlich tritt auch bald ein
Unterschied im Gefässsysteme ein, dessen Veränderungen in den Amphibien aber
noch nicht bekannt sind. Wenn die Kiemenspalten der Eidechsen noch offen
sind, sieht das Herz ganz aus wie beim Vogel um dieselbe Zeit. So wie nun im
Vogel erst allmählig der specielle Character der Familie und der Gattung auftritt,
so auch im Säugethier. Schwein und Hund sind sich anfangs sehr ähnlich und
haben kurze Menschengesichter. Noch länger besteht die Aehnlichkeit zwischen
Schwein und Wiederkäuer, deren Nebenklauen fast eben so lang sind, als die
beiden mittleren. Uebrigens sind die Embryonen von Säugethieren noch lange
nicht hinlänglich beobachtet, um angeben zu können, wie und in welchen
Momenten sie sich von einander scheiden. Am meisten noch kennen wir die
Unterschiede in der Form und dem Baue der Eier. Da diese sehr mannigfach sind
in ihrer Form und ihrem Verhältnisse zur Mutter, so habe ich, um die Säuge-
thiere aus dem Schema nicht auszulassen, vorläufig die Vertheilung nach den
Eiern versucht. Man kann nämlich die Embryonen zuerst in solche theilen,
welche frühzeitig geboren werden, und die in einem ausgebildeten Zustande zur
Welt kommen. Unter den erstern werden die Eier der Monotremen vielleicht
unversehrt geboren. In den Beutelthieren reisst der Embryo von den Eihüllen ab.
Die länger zurückgehaltenen Eier können in drei Hauptabtheilungen gebracht
werden. Zu der ersten Hauptabtheilung rechne ich Eier, in denen der Dotter-
sack noch lange fortwächst. Sie geben Säugethiere mit schmalen hakenförmigen
Nägeln (Krallen). In einigen bleibt der Harnsack früh in der Entwickelung
stehen und der Fruchtkuchen ist auf eine Stelle beschränkt, oder zweilappig *) --
Nager --; in andern entwickelt sich der Harnsack zu einer mittelmässigen Aus-
dehnung -- Insectenfresser --; in noch andern überwächst er das ganze Amnion
in der Queerdimension, und der Fruchtkuchen ist gürtelförmig (Fleischfresser). --
Eine zweite Abtheilung von lange entwickelten Eiern bilden Eier, in denen
Dottersack und Harnsack klein sind, der Mutterkuchen einseitig und klein ist,
und wie es scheint dem Mutterkuchen der Nager entgegengesetzt liegt. Das
Amnion und die Nabelschnur sind hier am grössten. Diese Eier geben Thiere mit
flachen Nägeln und dreilappigen Hemisphären des grossen Hirnes **). Eine dritte

*) Dass in den Nagern der Harnsack sehr klein bleibt, muss ich vorläufig Cuvier nachschreiben,
da ich in frühern Untersuchungen darauf nicht die gehörige Aufmerksamkeit gerichtet habe,
und ich jetzt drei Monate hindurch vergeblich mich bemüht habe, trächtige Kaninchen zu
erhalten. Dass im Igel, einem Insectenfresser also, der Harnsack mittelmässig gross ist,
habe ich kürzlich beobachtet.
**) Es wäre sehr interessant, die Eier der Makis zu kennen, um zu entscheiden, ob sie denen
der Affen sehr ähnlich sind, oder nicht.

Amphibium scheidet, ist schon oben gezeigt. Wahrscheinlich tritt auch bald ein
Unterschied im Gefäſssysteme ein, dessen Veränderungen in den Amphibien aber
noch nicht bekannt sind. Wenn die Kiemenspalten der Eidechsen noch offen
sind, sieht das Herz ganz aus wie beim Vogel um dieselbe Zeit. So wie nun im
Vogel erst allmählig der specielle Character der Familie und der Gattung auftritt,
so auch im Säugethier. Schwein und Hund sind sich anfangs sehr ähnlich und
haben kurze Menschengesichter. Noch länger besteht die Aehnlichkeit zwischen
Schwein und Wiederkäuer, deren Nebenklauen fast eben so lang sind, als die
beiden mittleren. Uebrigens sind die Embryonen von Säugethieren noch lange
nicht hinlänglich beobachtet, um angeben zu können, wie und in welchen
Momenten sie sich von einander scheiden. Am meisten noch kennen wir die
Unterschiede in der Form und dem Baue der Eier. Da diese sehr mannigfach sind
in ihrer Form und ihrem Verhältnisse zur Mutter, so habe ich, um die Säuge-
thiere aus dem Schema nicht auszulassen, vorläufig die Vertheilung nach den
Eiern versucht. Man kann nämlich die Embryonen zuerst in solche theilen,
welche frühzeitig geboren werden, und die in einem ausgebildeten Zustande zur
Welt kommen. Unter den erstern werden die Eier der Monotremen vielleicht
unversehrt geboren. In den Beutelthieren reiſst der Embryo von den Eihüllen ab.
Die länger zurückgehaltenen Eier können in drei Hauptabtheilungen gebracht
werden. Zu der ersten Hauptabtheilung rechne ich Eier, in denen der Dotter-
sack noch lange fortwächst. Sie geben Säugethiere mit schmalen hakenförmigen
Nägeln (Krallen). In einigen bleibt der Harnsack früh in der Entwickelung
stehen und der Fruchtkuchen ist auf eine Stelle beschränkt, oder zweilappig *)
Nager —; in andern entwickelt sich der Harnsack zu einer mittelmäſsigen Aus-
dehnung — Insectenfresser —; in noch andern überwächst er das ganze Amnion
in der Queerdimension, und der Fruchtkuchen ist gürtelförmig (Fleischfresser). —
Eine zweite Abtheilung von lange entwickelten Eiern bilden Eier, in denen
Dottersack und Harnsack klein sind, der Mutterkuchen einseitig und klein ist,
und wie es scheint dem Mutterkuchen der Nager entgegengesetzt liegt. Das
Amnion und die Nabelschnur sind hier am gröſsten. Diese Eier geben Thiere mit
flachen Nägeln und dreilappigen Hemisphären des groſsen Hirnes **). Eine dritte

*) Daſs in den Nagern der Harnsack sehr klein bleibt, muſs ich vorläufig Cuvier nachschreiben,
da ich in frühern Untersuchungen darauf nicht die gehörige Aufmerksamkeit gerichtet habe,
und ich jetzt drei Monate hindurch vergeblich mich bemüht habe, trächtige Kaninchen zu
erhalten. Daſs im Igel, einem Insectenfresser also, der Harnsack mittelmäſsig groſs ist,
habe ich kürzlich beobachtet.
**) Es wäre sehr interessant, die Eier der Makis zu kennen, um zu entscheiden, ob sie denen
der Affen sehr ähnlich sind, oder nicht.
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[226/0258] Amphibium scheidet, ist schon oben gezeigt. Wahrscheinlich tritt auch bald ein Unterschied im Gefäſssysteme ein, dessen Veränderungen in den Amphibien aber noch nicht bekannt sind. Wenn die Kiemenspalten der Eidechsen noch offen sind, sieht das Herz ganz aus wie beim Vogel um dieselbe Zeit. So wie nun im Vogel erst allmählig der specielle Character der Familie und der Gattung auftritt, so auch im Säugethier. Schwein und Hund sind sich anfangs sehr ähnlich und haben kurze Menschengesichter. Noch länger besteht die Aehnlichkeit zwischen Schwein und Wiederkäuer, deren Nebenklauen fast eben so lang sind, als die beiden mittleren. Uebrigens sind die Embryonen von Säugethieren noch lange nicht hinlänglich beobachtet, um angeben zu können, wie und in welchen Momenten sie sich von einander scheiden. Am meisten noch kennen wir die Unterschiede in der Form und dem Baue der Eier. Da diese sehr mannigfach sind in ihrer Form und ihrem Verhältnisse zur Mutter, so habe ich, um die Säuge- thiere aus dem Schema nicht auszulassen, vorläufig die Vertheilung nach den Eiern versucht. Man kann nämlich die Embryonen zuerst in solche theilen, welche frühzeitig geboren werden, und die in einem ausgebildeten Zustande zur Welt kommen. Unter den erstern werden die Eier der Monotremen vielleicht unversehrt geboren. In den Beutelthieren reiſst der Embryo von den Eihüllen ab. Die länger zurückgehaltenen Eier können in drei Hauptabtheilungen gebracht werden. Zu der ersten Hauptabtheilung rechne ich Eier, in denen der Dotter- sack noch lange fortwächst. Sie geben Säugethiere mit schmalen hakenförmigen Nägeln (Krallen). In einigen bleibt der Harnsack früh in der Entwickelung stehen und der Fruchtkuchen ist auf eine Stelle beschränkt, oder zweilappig *) — Nager —; in andern entwickelt sich der Harnsack zu einer mittelmäſsigen Aus- dehnung — Insectenfresser —; in noch andern überwächst er das ganze Amnion in der Queerdimension, und der Fruchtkuchen ist gürtelförmig (Fleischfresser). — Eine zweite Abtheilung von lange entwickelten Eiern bilden Eier, in denen Dottersack und Harnsack klein sind, der Mutterkuchen einseitig und klein ist, und wie es scheint dem Mutterkuchen der Nager entgegengesetzt liegt. Das Amnion und die Nabelschnur sind hier am gröſsten. Diese Eier geben Thiere mit flachen Nägeln und dreilappigen Hemisphären des groſsen Hirnes **). Eine dritte *) Daſs in den Nagern der Harnsack sehr klein bleibt, muſs ich vorläufig Cuvier nachschreiben, da ich in frühern Untersuchungen darauf nicht die gehörige Aufmerksamkeit gerichtet habe, und ich jetzt drei Monate hindurch vergeblich mich bemüht habe, trächtige Kaninchen zu erhalten. Daſs im Igel, einem Insectenfresser also, der Harnsack mittelmäſsig groſs ist, habe ich kürzlich beobachtet. **) Es wäre sehr interessant, die Eier der Makis zu kennen, um zu entscheiden, ob sie denen der Affen sehr ähnlich sind, oder nicht.

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Zitationshilfe: Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 1. Königsberg, 1828, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1828/258>, abgerufen am 23.11.2024.